Neuer Name für Platz an der ehemaligen Synagoge Platz erinnert nun an Ehrenbürgerin von Saarlouis

Saarlou · Mit einem Festakt ist der Esther-Bejarano-Platz in der Innenstadt eröffnet wurden. Dabei wurde an das langjähriges Wirken der Ehrenbürgerin erinnert.

 Ricarda Kunger, Vorsitzende der Synagogengemeinde Saar, sprach die Festrede.

Ricarda Kunger, Vorsitzende der Synagogengemeinde Saar, sprach die Festrede.

Foto: Petra Molitor

Mit einem nach ihr benannten Platz hat die Stadt Saarlouis ihre Ehrenbürgerin Esther Bejarano ausgezeichnet. Bejarano ist im Juli 2021 verstorben und hat sich bis zuletzt gegen Antisemitismus und Rassismus eingesetzt. Oberbürgermeister Peter Demmer begrüßte kürzlich zahlreiche Gäste zur Eröffnung, darunter Ricarda Kunger, die Vorsitzende der Synagogengemeinde Saar, Roland Rixecker, den Beauftragten für jüdisches Leben im Saarland, und die beiden Saarlouiser Ehrenbürger Erich Pohl und Alfred Gulden, wie die Stadt mitteilt. Musikalisch umrahmt wurde die Eröffnung von Nina Deda am Akkordeon.

„Dieser Platz, an dem wir heute stehen, hat eine starke Symbolkraft“, sagte Demmer. Denn der Platz liegt „unmittelbar an der ehemaligen jüdischen Synagoge, die Esther Bejarano mit ihrer Familie besucht hat und die während der Novemberpogrome 1938 zerstört wurde. Esthers Vater, Rudolf Loewy, war in der jüdischen Gemeinde in Saarlouis als Kantor und Lehrer tätig.“ Der Oberbürgermeister bedankte sich bei allen, die an der Umsetzung dieses wichtigen Projekts mitgearbeitet haben.

Demmer betonte, dass sowohl der Platz als auch das neue städtische Kinder-, Jugend- und Familienzentrum in der Dieselstraße, das ebenfalls nach ihr benannt wurde, immer an diese große Frau erinnern sollen. „Es liegt in unser aller Verantwortung, ihr Engagement, dass sich Geschichte nicht wiederholt, in ihrem Sinne weiterzuführen und uns aktiv vehement gegen Rassismus und Diskriminierung einzusetzen.“

Bei der Eröffnung (von links): OB Peter Demmer, Ricarda Kunger, Vorsitzende der Synagogengemeinde Saar, und Professor Roland Rixecker

Bei der Eröffnung (von links): OB Peter Demmer, Ricarda Kunger, Vorsitzende der Synagogengemeinde Saar, und Professor Roland Rixecker

Foto: Petra Molitor

Ricarda Kunger blickte zurück auf das bewegte Leben der Geehrten, die 1924 in Saarlouis geboren wurde. „1935, nach der Rückgliederung des Saargebietes in das Deutsche Reich, wurden auch die Repressalien gegen die jüdischen Familien stärker. Jüdische Kinder durften nicht mehr auf arische Schulen gehen, sie mussten fortan jüdische Schulen besuchen, so auch Esther Bejarano“, erläuterte Ricarda Kunger. „1936 zog die Familie nach Ulm, ihre beiden älteren Geschwister wanderten 1937 aus Deutschland aus. Ihr Bruder nach Amerika und ihre Schwester nach Palästina. Esther wurde 1940 in ein Vorbereitungslager bei Berlin zur Auswanderung nach Palästina geschickt. 1941 beginnen die Nazis mit der systematischen Vernichtung von Juden. Esther Bejaranos Eltern werden von Breslau nach Kowno in Litauen deportiert und dort mit 1000 anderen Juden erschossen. Sie selbst wird zur Zwangsarbeit in das Lager Neuendorf bei Fürstenwalde einbestellt.“

1943 wird Esther in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Aber sie hat Glück im Unglück. Sie soll im Lager-Orchester mitwirken, das eine Akkordeonspielerin sucht. Das bedeutet ihre Rettung. Im November 1943 kommt sie in das KZ Ravensbrück, weil sie „arisches Blut“ in den Adern hatte. Ihre Großmutter väterlicherseits war nichtjüdischer Abstammung. 1945 zwangen die Nazis die Insassen zum Todesmarsch ins mecklenburgische Malchow. Esther wird von US-Soldaten gerettet und überlebt. Erst nach Kriegsende erfuhr sie, dass ihre Eltern und ihre Schwester Ruth ermordet wurden. Sie ging zu ihrer Schwester nach Israel und verbrachte dort 15 Jahre. Sie machte eine Ausbildung als Sängerin, heiratete Nissim Bejarano, bekam zwei Kinder. Die Familie beschließt 1960, Israel zu verlassen und nach Deutschland zu gehen. Sie zogen nach Hamburg, eröffneten eine kleine Wäscherei. Später eröffnete ihr Mann eine Diskothek in Uetersen, die sie aber wieder infolge antisemitischer Hetze schließen mussten. Sie zogen nach Hamburg zurück. Esther eröffnete eine Boutique, ihr Mann wurde Feinmechaniker, ihr Sohn Versicherungskaufmann und ihre Tochter Sängerin. Als einer der letzten Zeitzeugen der Gräueltaten des Naziregimes sprach Bejarano auf hunderten Veranstaltungen gegen Rechtsextremismus. Sie erzählte in Schulen von ihrer Zeit in Auschwitz, protestierte auf Demos gegen die Neonazis. Sie übernahm den Vorsitz des deutschen Auschwitz-Komitees, ergriff das Wort für Flüchtlinge und sang mit der Band Microphone Mafia auf Konzerten gegen Rechts. „Ihr habt keine Schuld an dieser Zeit. Aber ihr macht euch schuldig, wenn ihr nichts über diese Zeit wissen wollt. Ihr müsst alle wissen, was damals geschah. Und warum es geschah“, mahnte Bejarano einst.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort