Vorlesen gegen Taschengeld

Wallerfangen. Puzzle, Bauklötze, Bilderbücher - nicht gerade das typische Spielzeug für 14-jährige Jungs. Oder? Im katholischen Kindergarten St. Katharina Wallerfangen hocken nachmittags auch ein paar gegelte Köpfe in der Spielecke. Sie gehören den "Sozialen Jungs", die ihre Freizeit hier verbringen

Wallerfangen. Puzzle, Bauklötze, Bilderbücher - nicht gerade das typische Spielzeug für 14-jährige Jungs. Oder? Im katholischen Kindergarten St. Katharina Wallerfangen hocken nachmittags auch ein paar gegelte Köpfe in der Spielecke. Sie gehören den "Sozialen Jungs", die ihre Freizeit hier verbringen. Bei dem Projekt der Gemeinde Wallerfangen können Jungs ab Klasse 8 an ein oder zwei Nachmittagen in der Woche in einem Kindergarten der Gemeinde (Wallerfangen, Ittersdorf, Gisingen) mit den Kleinen spielen, lesen, bauen. Dafür erhalten sie von der Gemeinde ein Taschengeld von 30 Euro im Monat.Allein zwölf Jungs haben sich im Kindergarten Wallerfangen neu gemeldet. So sind jeden Nachmittag von 14 bis 16 Uhr zusätzliche Spielkräfte da. "Sie werden von den Kindern schon heiß erwartet", lacht die Leiterin, Stefanie Kiefer. Heute sind es Yannick Michaelis, Dustin Weyand und Jan Schwarz, alle 14 Jahre alt, die nach der Schule noch in den Kindergarten gehen. "Spielst du mit mir?", schallt es sofort aus mehreren Richtungen.

Seit fünf Jahren läuft das Projekt mit steigenden Anmeldezahlen, bisher ist es im Landkreis Saarlouis einmalig. Der Jugendpfleger der Gemeinde Wallerfangen, Stefan Behr, betreut die "Sozialen Jungs", er erklärt die Idee: Es gibt in der Kinderbetreuung kaum Männer, in den Grundschulen sieht es inzwischen ähnlich aus. Dem gegenüber steht der Bedarf nach männlichen Vorbildern: "Es ist der Wunsch der Kitas und der Kinder, dass mehr Männer mitarbeiten." Langfristig sollen die Jungs für die Arbeit im sozialen Bereich begeistert werden. "Für die Kindergärten sind die Jungs aber in jedem Fall ein Gewinn", meint Behr. Und umgekehrt: Die Jugendlichen nehmen zumindest ein paar wertvolle Erfahrungen mit.

Mit kleinen Kindern hatten die drei Jungs bisher kaum zu tun. Nur Jan hat vier Schwestern, die jüngste ist fünf: "Die nervt am wenigsten", erzählt er grinsend. Sein Berufswunsch liegt aber ganz woanders: "Softwareentwickler!", kommt wie aus der Pistole geschossen als Antwort. Nur Yannick kann sich bisher vorstellen, später im sozialen Bereich zu arbeiten. "Es macht mir hier sehr viel Spaß, ich wollte mal ausprobieren, ob das was für mich ist."

Mit Freude sind am Anfang alle dabei: "Es ist nur schwierig, sich die ganzen Namen zu merken", grinst Dustin. Manche Jungs merken recht schnell, dass die Arbeit mit Kleinkindern nichts für sie ist, bei anderen leidet die Schule oder es fehlt einfach die Zeit. Vom letzten Jahrgang haben aber sieben bis zum Schluss durchgehalten, berichtet Behr stolz - eine gute Quote. Und zwei wollen sogar in diesem Jahr weitermachen.

Die Erfahrungen mit den Helfern sind sehr unterschiedlich, resümiert Leiterin Kiefer: "Viele kommen zunächst wegen des Geldes, manche auch nur deswegen. Andere bleiben aber auch wirklich kleben."

In der Leseecke haben Yannick und Jan inzwischen schnell ein paar Jungs um sich geschart. Die Kinder hängen gebannt an ihren Lippen. Dustin wird währenddessen in der Bauecke belagert. Das ist immer so, bestätigt Kiefer: "Wenn mal ein Mann hier ist, hat er bei den Kindern gleich gewonnen."

Meinung

Lieber mal Geld verdienen später

Von SZ-RedakteurinNicole Bastong

Die "Sozialen Jungs" sind keine billigen Arbeitskräfte, sondern eine Unterstützung für die Erzieher, die bei immer umfangreicheren Aufgaben, wie etwa Dokumentation, für das eigentliche Spielen kaum noch Zeit haben. Die Kinder profitieren von dieser Spielzeit und von den seltenen männlichen Vorbildern in ihrer Umgebung. Und die Jungs sammeln dabei wertvolle Lebenserfahrung. Ein Taschengeld als kleiner Anreiz ist völlig in Ordnung und kostet die Gemeinde kein Vermögen. Alles super.

Trotzdem reicht das nicht, um den Fachkräftemangel zu beheben. Denn obwohl es heute überhaupt nicht mehr uncool ist, als Junge in einem Mädchenberuf zu arbeiten, will kaum einer das später machen, sondern lieber: Geld verdienen. Nur geht das leider in der Kita noch nicht.

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