Von den Strapazen der Langstrecken-Radler

Wallerfangen · Zu einer mehr als 600 Kilometer langen Tour nach Frankreich brachen 22 so genannte Randonneure mit ihren Fahrrädern auf. Die beiden Schnellsten erreichten Start und Ziel in Wallerfangen in rund 25 Stunden. Das Gros schaffte die Strecke bis kurz vor Sonntagmittag.

 Gut gelaunt nach rund 630 Kilometern durchs östliche Frankreich waren (von links) Aynur Vater, Stefan Langhabel, Hajo Klein und Stefan Ebert. Foto: Johannes A. Bodwing

Gut gelaunt nach rund 630 Kilometern durchs östliche Frankreich waren (von links) Aynur Vater, Stefan Langhabel, Hajo Klein und Stefan Ebert. Foto: Johannes A. Bodwing

Foto: Johannes A. Bodwing

"Ab Kilometer 330 hat es so 250 Kilometer lang geregnet." Aufgekratzt saß Jochen Boehringer Samstagnacht in der Campinggaststätte Wallerfangen , als habe er bloß eine kleine Radtour gemacht. Dabei steckten dem jungen Mann aus dem Stuttgarter Raum rund 630 Kilometer in den Beinen. Über Montmédy nahe der belgischen Grenze, durch Reims, die Champagne und über Creutzwald zurück nach Wallerfangen . Boehringer brauchte 25 Stunden und 17 Minuten. "Ich bin danach immer so aufgedreht. Die Strecke ist superschön, idyllisch, aber fast jeder Hügel ist drin. Und als es 50 Kilometer am Stück so stark geregnet hat, das war schon eine Quälerei."

22 Teilnehmer gingen Freitagabend die Tour an, darunter eine Frau. 600 Kilometer davon ist die offizielle Strecke für Randonneure. Diese Langstrecken-Fahrer sind mit minimaler Ausrüstung unterwegs. Das große Ziel ist für viele die legendäre Tour Paris-Brest-Paris. Dafür sind vorab so genannte Brevets zu absolvieren, in der Abfolge von 200, 300, 400 und 600 Kilometern.

Deshalb gründeten Andrea Nicola und Stefan Langhabel in Wallerfangen auf privater Basis ARA Saarland für den Saar-Lor-Lux-Raum. ARA bedeutet Audax Randonneure, verwegene Radfahrer. Dieser Standort ist einer von 15 offiziellen in Deutschland.

Langhabel legt die Routen an und fährt selbst mit. Nicola bewältigt vor allem Registrierung und Ankunft der Teilnehmer. "15 fehlen noch", sagte Nicola übermüdet am Sonntagmorgen. Darunter auch Pascal Wiesen aus Luxemburg. "Ich fahre jetzt so schnell wie möglich nach Reims", hatte er am Freitagabend gesagt. Dann mache er eine Pause. "Ab Kilometer 530, 550 wird es bei mir schwierig." Gegen Sonntagmittag traf Wiesen müde aber wohlbehalten ein. Doch nicht jeder schaffte die Tour. Einen Teilnehmer stoppte ein Speichenbruch, ein anderer meldete sich orientierungslos aus dem Raum St. Avold. Die 600er-Strecke ist mit ihren Nachtfahrten eine Vorbereitung für die Strecke Paris-Brest-Paris. Alle vier Jahre geht es dann über 1200 Kilometer, in maximal 90 Stunden. Die Schnellsten brauchen etwa 44 Stunden.

"Wir hatten eigentlich Glück", sagten die Zwillinge Andre und Sebastian Pöschel, 29. "Wir sind immer vor der Schlechtwetterfront hergefahren." Andere hingegen sahen "Fische, die auf überschwemmten Straßen sprangen".

"Uns stand das Wasser in den Schuhen", erzählten Roger Krenz und Stefan Hassel aus Dortmund. Außerdem sei es übel gewesen, durch dich stockdunkle hügelige Landschaften zu radeln. "Du fährst mit elf, zwölf Kilometern bergauf und mit 20 bergab. Tagsüber rollst du mit 60 runter." Also übernachteten sie kurzerhand in einem Hotel und machten dann wieder Tempo.

Zwischen 12 000 und 22 000 Kalorien hatten die Fahrer verbraucht. Aber mit Energie-Riegeln, Power-Gel und anderen Nahrungsmitteln sei das schnell wieder drin. Zur Wasserbeschaffung meinte Langhabel: "Der Klassiker ist der Friedhof." Bereits eine Woche zuvor bewältigte Rudi Kern, 55, aus der Nähe von Bad Kreuznach 2200 Kilometer bei einer Italien-Rundfahrt. "Ich hatte mich eigentlich ganz fit gefühlt", meinte er dann am Sonntag. "Aber man ist nicht mehr der Jüngste, die Regeneration dauert doch etwas länger." Nach Strecken mit 200 und 300 Kilometern im Vorjahr boten Nicola und Langhabel nun erstmals die komplette Palette an. "Wir planen auch noch 1000 Kilometer", sagte Nicola.

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