Über die wechselvolle Geschichte der jüdischen Saarlouiser

Saarlouis · Mehr als 200 Jahre prägten Juden die Geschichte von Saarlouis mit. Stadtführer Gilbert Jaeck führt Neugierige auf den Spuren des jüdischen Lebens durch die Stadt. Heute spielt sich ihr Gemeindeleben in Saarbrücken ab.

 Symbol wechselvoller Geschichte: Die Synagoge war zur NS-Zeit ein Lager, dann freikirchliches Gottesdiensthaus, 1987 entstand ein neues Gebäude mit Gedenkstätte. Archivfoto: Hartmann Jenal

Symbol wechselvoller Geschichte: Die Synagoge war zur NS-Zeit ein Lager, dann freikirchliches Gottesdiensthaus, 1987 entstand ein neues Gebäude mit Gedenkstätte. Archivfoto: Hartmann Jenal

Saarlouis. "Die Geschichte der Juden in Saarlouis ist so alt, wie die Stadt selbst. Nur für zweimal fünf Jahre haben hier keine Juden gelebt", erzählt Städteführer Gilbert Jaeck. Begonnen hat das Leben der jüdischen Gemeinde in Saarlouis mit der Stadtgründung 1680: Als die Festung errichtet wurde, mussten die rund 6000 Soldaten verpflegt werden. Wer konnte dies besser als gut vernetzte Kaufmänner? In Wallerfangen gab es zwei jüdische Kaufmannsfamilien mit Handelsverbindungen nach Lothringen und ins Rheinland. Rund 30 Jahre wurden jüdische Familien geduldet, 1770 die erste Zäsur. Die Metzgerzunft erreichte, dass die Juden ausgewiesen wurden. Allerdings konnten sie nach fünf Jahren wieder in die Stadt. Der Grund war nach Jaecks Erzählung pragmatischer Natur: "Die Metzger hatten die Preise hochgetrieben, so war die einzige Auflage für eine erneute Ansiedlung der Juden, Fleisch unter dem Marktpreis zu verkaufen."In den folgenden Jahren wurden sie wieder geduldet und die Gemeinde wuchs. 1828 wurde die Synagoge im Postgässchen eingeweiht. "Ein Zeichen für die Akzeptanz und die Bedeutung der jüdischen Gemeinde", erklärt Jaeck. 1910 gab es im Besitz jüdischer Familien 60 Gewerbetreibende, denen mehrere Textil-, Kleider- und Schuhgeschäfte und einige Industriebetriebe gehörten. In den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts leben 328 Juden in Saarlouis, so viele wie nie zuvor. Aufgrund der Sonderstellung des Saargebietes unter dem Völkerbund traten die Gesetze des Dritten Reiches nach der Saar-Abstimmung 1935 erst ein Jahr später in Kraft. "Damit hatten die Juden Zeit, ihre Flucht länger vorzubereiten", sagt Jaeck. Die meisten Familien seien nach Frankreich oder Luxemburg ausgewandert, einige in die USA. So sollen vom Pogrom 1938 nur wenig Juden betroffen gewesen sein, von den 41 aber, die im Mai 1939 noch in Saarlouis waren, überlebten nur zwei, die sich im Umland versteckt hatten.

 Symbol wechselvoller Geschichte: Die Synagoge war zur NS-Zeit ein Lager, dann freikirchliches Gottesdiensthaus, 1987 entstand ein neues Gebäude mit Gedenkstätte. Archivfoto: Hartmann Jenal

Symbol wechselvoller Geschichte: Die Synagoge war zur NS-Zeit ein Lager, dann freikirchliches Gottesdiensthaus, 1987 entstand ein neues Gebäude mit Gedenkstätte. Archivfoto: Hartmann Jenal

1945 kamen die ersten Juden wieder zurück. Auch die Familie Sternheimer, die ihre Tabakfabrik Jyldis und die Verpackungsfabrik Astra über einen Strohmann betrieben hatte. Edouard Menkès wurde als Chefarchitekt für den Landkreis ausgewählt, weil er als Jude nach Auschwitz deportiert worden war. Ein ähnliches Schicksal hatte der neue Saarlouiser Bürgermeister Walter Bloch erlitten. Stadtführer Jaeck zweigt weitere Spuren des jüdischen Lebens auf dem jüdischen Friedhof an der Von-Lettow-Vorbeck-Straße. "Auch einige Steine der Synagoge sind hier aufgestellt", zeigt Jaeck. Die Synagoge wurde zur NS-Zeit als Lagerhalle genutzt, bis zum Abriss 1983 war es Gottesdiensthaus einer freikirchlichen Gemeinde. 1987 wurde in freier Anlehnung an die ursprünglichen Formen ein Neubau mit Gedenkstätte erbaut. Das jüdische Gemeindeleben findet nach Erzählung Jaecks heute in Saarbrücken statt.

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