Selbstständig leben mit FamilienanschlussWeitere Gastfamilien gesucht

Merzig-Wadern/Kreis Saarlouis. Das Programm "Begleitetes Wohnen in Familien" wurde 1995 von den Völklinger SHG-Kliniken und dem Völklinger Zentrum für Psychiatrische Familienpflege ins Leben gerufen. Das Ziel: Durch das Miteinander sollen psychisch erkrankte Menschen Geborgenheit und einen regelmäßigen Tagesablauf erfahren. "Ein Erfolgsprogramm", sagt Dr

Merzig-Wadern/Kreis Saarlouis. Das Programm "Begleitetes Wohnen in Familien" wurde 1995 von den Völklinger SHG-Kliniken und dem Völklinger Zentrum für Psychiatrische Familienpflege ins Leben gerufen. Das Ziel: Durch das Miteinander sollen psychisch erkrankte Menschen Geborgenheit und einen regelmäßigen Tagesablauf erfahren. "Ein Erfolgsprogramm", sagt Dr. Claudia Birkenheier, Chefärztin der Völklinger Psychiatrie. Gäste in Pflegefamilien benötigten bis zu 90 Prozent weniger Krankenhausaufenthalt als andere Psychiatriepatienten. "Zu einem Klinikaufenthalt kommt es meistens nur noch, wenn Medikamente umgestellt werden", erklärt Psychologin Sonja Kirsch, die die Familien und ihre Gäste betreut. Ansonsten finden die Erkrankten weitgehend in ihren Familien den Willen und die Kraft, um gesund zu werden. Das Programm bietet so auch eine Entlastung der öffentlichen Kassen, denn die Betreuung in der Familie kostet nur rund ein Drittel dessen, was eine Unterbringung in einem Heim kostet. Die Gastfamilien erhalten für ihren Aufwand eine finanzielle Entschädigung.Beim Zentrum für psychiatrische Familienpflege werden derzeit wieder Familien gesucht, die bereit sind, Gäste bei sich aufzunehmen. Interessierte werden im Vorfeld ausführlich beraten, dann erfolgt zunächst ein Kennenlernen von Gast und Gastgeberfamilie, und - wenn man sich mag - eine Phase des Probewohnens. Die Mitarbeiter des Familienpflegeteams kommen regelmäßig zu Hausbesuchen und stehen Gästen und Familien mit Rat und Tat zur Seite.

Gerade jetzt im Sommer sei eine gute Gelegenheit, das Programm einmal zu testen, beispielsweise mit einem Feriengast, dessen Familie gerade im Urlaub sei, sagt Kirsch. Das Einzugsgebiet des Familienpflegezentrums umfasst den Regionalverband Saarbrücken und die Landkreise Saarlouis und Merzig-Wadern. red

Kontakt: Zentrum für Psychiatrische Familienpflege der SHG-Kliniken Völklingen, Sonja Kirsch, Telefon (0 68 98) 12 24 58.

Wallerfangen. "Dass ich zur Familie Paul kommen konnte, war wie ein Sechser im Lotto", lacht Monika Bierwirth und drückt Elfriede Paul dankbar die Hand. Anfangs nur für einige Wochen sollte sie im Rahmen des "Begleiteten Wohnens in Familien" zu Elfriede und Günther Paul in die ruhige Wohngegend nach Wallerfangen ziehen. Daraus sind inzwischen 13 Jahre, gute Jahre, des Zusammenseins geworden. Sie haben Monika Bierwirth wieder an ein normales Leben herangeführt.

Die Frau, damals 50 Jahre alt, hatte zu dieser Zeit nicht nur mit einer psychischen Erkrankung zu kämpfen, sondern war darüber hinaus nach einem Unfall an den Rollstuhl gefesselt. Die ideale Lösung für ihre Unterbringung nach der Reha: das damals neue Programm der Psychiatrischen Familienpflege der SHG-Kliniken in Völklingen.

Die Gastfamilie war schnell gefunden. Erfahrung mit der Betreuung anderer hatten die Pauls damals schon. Zwei eigene Kinder waren dem Lehrerehepaar nicht genug, und so hatten sie über die Jahre insgesamt acht Pflegekinder großgezogen. Sie habe sich sehr zum Positiven verändert in ihrer Zeit bei den Pauls, sagt Monika Bierwirth heute: "In Wallerfangen habe ich nicht nur körperlich wieder laufen gelernt, sondern auch psychisch." Im Untergeschoss hat sie ein eigenes, separates Zimmer mit einem kleinen Bad. Dafür, dass dort immer alles in Ordnung ist, sorgt sie selbst.

Absolut wohltuend ist vor allem der geregelte Tagesablauf im Schoß der Familie "und das Wissen, immer einen Ansprechpartner zu haben", erzählt Monika Bierwirth. So sind etwa die gemeinsamen Mahlzeiten ein wichtiger Punkt im Zusammenleben geworden. Außerdem teilen die beiden Frauen eine Leidenschaft, die zum täglichen Ritual geworden ist: das Kniffeln. "Dabei können wir gut über alles reden", lacht Elfriede Paul. Ganz wichtig beim begleiteten Wohnen sei es, einander so zu akzeptieren, wie man ist: "Leben und leben lassen heißt das Motto."

Das Vorbild hat Mechthild Paul, die Tochter der Familie, dazu angeregt, beim Programm mitzumachen und selbst Gäste aufzunehmen. Die leben in einer eigenen kleinen Wohnung und versorgen sich auf Wunsch auch selbst. Ihr derzeitiger Gast, eine Frau um die 50, arbeitet am Vormittag in einer Gärtnerei. "Sie legt sehr großen Wert darauf, ihre Selbstständigkeit zu erhalten und weiter auszubauen", sagt Mechthild Paul, "dabei unterstütze ich sie nach Kräften".

"Man muss kein Fachmann sein, und man braucht auch keine Erfahrung im Umgang mit psychisch Kranken. Man muss einfach nur echt sein", sagt Elfriede Paul. Und: "Die Normalität macht's." red

"Leben und leben lassen heißt das Motto."

Elfriede Paul, Gastmutter

"Zu einem Klinikaufenthalt kommt es meist nur noch, wenn Medikamente umgestellt werden."

Sonja Kirsch

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