Retro-Style, der zum Tanzen verführt

Caro, die letzten drei Jahre deiner Karriere sind verlaufen wie ein Märchen: Niemand kannte deine Musik, für deine Single "Back it Up" hast du nicht einmal einenProduzenten gefunden. Inzwischen war dein Album in fünf verschiedenen Ländern in den Top Ten, in deiner niederländischen Heimat stand es 30 Wochen lang auf Platz 1 - ein neuer Rekord

 Retro ist chic: Caro Emerald verbindet Jazz, Swing, Chansons und südamerikanische Rhythmen. Foto: VA

Retro ist chic: Caro Emerald verbindet Jazz, Swing, Chansons und südamerikanische Rhythmen. Foto: VA

Caro, die letzten drei Jahre deiner Karriere sind verlaufen wie ein Märchen: Niemand kannte deine Musik, für deine Single "Back it Up" hast du nicht einmal einenProduzenten gefunden. Inzwischen war dein Album in fünf verschiedenen Ländern in den Top Ten, in deiner niederländischen Heimat stand es 30 Wochen lang auf Platz 1 - ein neuer Rekord. Hast du all das inzwischen realisieren können?Caro Emerald: Ein bisschen schon, denke ich. Aber ich glaube, man kann niemals völlig fassen, was das alles bedeutet. Wenn ich auftrete, dann habe ich manchmal 10 000 Leute vor mir, die allesamt mitsingen und die Musik genießen. Es ist unglaublich, dass die alle meinetwegen kommen. Daran gewöhnt man sich wohl nie so ganz - aber das ist gerade das Schöne daran.

In einem anderen Interview hast du einmal gesagt, dass es schon immer dein Traum war, Sängerin zu werden. Was war dein Plan B, falls das Ganze nicht geklappt hätte?

Caro: Naja, eigentlich beinhaltete Plan A schon einen Plan B, C und D. Es gibt ja viele Wege, eine Sängerin zu sein. Und das war für mich das Allerwichtigste. Schon vor "Back it Up" hatte ich hier und da kleinere Auftritte auf Partys oder Hochzeiten und viele Bands, mit denen ich aufgetreten bin. Ich konnte mir zu diesem Zeitpunkt aber nicht vorstellen, allein damit meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Also habe ich zusätzlich Gesangsunterricht gegeben. Wenn man so will, wäre das wohl Plan B gewesen.

Zum Glück für deine Fans hat schon Plan A gut funktioniert . . .

Caro: Vor allem auch zu meinem Glück!

Da hast du allerdings Recht. Wie hat sich dein Leben seit dem Erfolg deiner Single "Back It Up" verändert?

Caro: Für mich persönlich hat sich gar nicht so viel verändert: Ich habe immer noch dieselben Freunde, wohne immer noch am selben Ort und mache dieselben Dinge in meiner Freizeit. Aber der Erfolg hat viel für mein Selbstvertrauen getan - nicht nur als Sängerin, auch als Mensch: Ich weiß jetzt, wo ich hingehöre. Aber auch als Sängerin bin ich am Erfolg gewachsen, es ist unglaublich. Es begann ja alles so glücklich. Meine beiden Produzenten haben etwas in mir gesehen - und ich habe wirklich lange gebraucht um zu realisieren, dass das, was sie sahen, auch wirklich da ist. Es hat wirklich lange gedauert, in diese Popstar-Rolle hineinzuwachsen.

Auch in diesem Jahr bist du ständig auf Tour, allein in Deutschland stehen im Juli sechs Auftritte an. Dazu kommen unter anderem Gigs in Belgien, Großbritannien, Rumänien und der Türkei. Das klingt eigentlich nicht, als bliebe noch viel Freizeit…

Caro: Also, in diesem Sommer sieht es eigentlich sehr leicht aus! (lacht) Das letzte und vorletzte Jahr waren dagegen der Wahnsinn. Damals war ich wirklich sehr gestresst, habe auch den Druck sehr deutlich gespürt. Aber inzwischen habe ich schon ein paar Auftritte hinter mir und weiß, was zu tun ist. Diesmal macht es einfach nur Spaß! Und in der Zeit zwischen den Auftritten bin ich immer zu Hause. Es sind ja meistens nur drei Gigs pro Woche - das ist nicht zu viel.

Du hast also gelernt, mit dem Druck umzugehen?

Caro: Ja, natürlich! Am Anfang war alles so aufregend. Bei jedem neuen Punkt im Terminplan sagte ich mir: "Oh mein Gott, ich weiß nicht, ob ich das schaffe!" Alles erschien mir wie ein riesiger Berg, den ich erst einmal bezwingen musste. Aber inzwischen habe ich diese Hindernisse überwunden. Ich weiß jetzt, was ich zu tun habe und was mich erwartet. Auch wenn die Dinge mal schiefgehen, kann ich damit umgehen. Das gibt mir viel mehr Zeit zum Entspannen.

Wie fühlt es sich eigentlich an, auf der Bühne zu stehen?

Caro (lacht): Das ist der Grund, warum ich Sängerin werden wollte. Wenn man vor anderen Menschen singt, dann ist das eine unheimlich persönliche, private Sache. Ob du Angst hast oder glücklich bist - die Leute können das immer heraushören. Das mit den Menschen teilen zu können, gibt einem so einen großen Kick… ich weiß nicht, es ist etwas Besonderes. Wenn ich zum Beispiel eine Ballade singe, dann ist das ganze Publikum leise. Das ist so magisch, wenn du eine Riesengruppe von Menschen dazu bringen kannst, still zu sein, keiner sagt ein Wort. Für mich ist das die Magie der Musik.

Deine Musik erinnert stark an den Jazz der 40er und 50er Jahre. Weshalb hast du die Entscheidung getroffen, Jazzmusik zu machen?

Caro: Das war Zufall. Ich habe immer alle Genres zwischen Jazz und Pop gemocht, Soul zum Beispiel, aber auch Hip-Hop und R'n'B. Gleichzeitig war ich mir nie ganz sicher, welche Art von Musik ich machen möchte; auch wenn klar war, dass ich einige Einflüsse miteinander kombinieren wollte. Dann hörte ich "Back it Up" zum ersten Mal. Das war eine Art Vorlage für die Art von Musik, die ich machen wollte. Und dann hatte ich einfach Glück, weil die Produzenten mir sagten, dass sie den Song mit mir veröffentlichen wollen. Und das war der Startschuss für eine sehr gute Zusammenarbeit. Das war der Grund, warum ich mir diesen Stil aussuchte. So gesehen hat die Musik mich ausgesucht.

Dieser jazzige Stil ist nur schwer mit dem üblichen Mainstream aus den Charts vergleichbar. Trotzdem bist du damit erfolgreich. Wie erklärst du dir das?

Caro: Das ist schwer… um in die Charts zu kommen, brauchst du etwas leicht Wiedererkennbares und gleichzeitig Anderes. Sonst bekommst du nicht die Aufmerksamkeit der Leute. Und auch wenn unsere Musik im ersten Moment nicht nach Mainstream klingt: Es ist irgendwie doch Mainstream. Wenn man sich die Struktur der Songs anschaut, erinnert das sehr an Pop, es gibt immer einen Refrain, den man mitsingen kann. Ich denke, das wichtigste Element beim Schreiben eines Hits ist es, wiedererkennbar zu sein. Das ist, glaube ich, sogar noch wichtiger als der Sound. Und irgendwie haben wir da die perfekte Balance gefunden.

Würdest du denn sagen, dass Retro-Musik wieder an Popularität gewinnt?

Caro: Ich glaube schon. Alle zehn, 20 Jahre erlebt man so ein Revival alter Musik. Als Musiker fängt man ja auch damit an, anderer Leute Musik zu spielen - besonders, wenn man es an einer Musikhochschule lernt, so wie ich.

Welcher Jazzmusiker hat dich denn am meisten beeinflusst?

Caro: Wow, das ist eine unfaire Frage! Ich glaube, für mich gibt es da keinen einzelnen Künstler - eher das Genre als Ganzes. Mir gefielen einzelne Songs, und die habe ich mir dann in unterschiedlichen Versionen von verschiedenen Sängern angehört. Aber wenn ich einen Namen nennen müsste, dann wäre es wohl Ella Fitzgerald. Ich denke, sie ist die perfekte Jazzsängerin, nicht nur musikalisch, auch von ihrer Technik her.

Wie sieht's mit moderner Musik aus? Was ist das letzte Lied, das du auf dem iPod angehört hast?

Caro: Oh, ich höre nur ganz selten Musik auf dem iPod, eher am Computer. Aber ich weiß, was ich mir zuletzt heruntergeladen habe: Rumer, Seasons of my Soul. Die habe ich das erste Mal auf einem Musik-Festival in Deutschland gehört. Ansonsten höre ich viele verschiedene Sachen, alte und neue Künstler gleichermaßen.

Du hast es gerade erwähnt: Auch du lädst häufig Musik herunter . . .

Caro: Ja, aber nicht falsch verstehen: Ich zahle dafür!

. . . trotzdem gibt es eine Menge Leute, die das nicht tun. Viele Künstler fürchten Urheberrechtsverletzungen durch illegale Downloads. In Deutschland ist das gerade ein heiß diskutiertes Thema. Auf der anderen Seite hat deine Karriere gewissermaßen auf der Videoplattform Youtube ihren Anfang genommen. Was ist deine Meinung: Wird das Internet Künstlern wie dir auf lange Sicht eher schaden oder nützen?

Caro: Das ist natürlich alles sehr kompliziert und ich bin kein Experte. Ich glaube auch, dass mein Fall da eine Ausnahme bildet: Wir haben viele CDs verkauft und damit mehr verdient als durch die Live-Auftritte - normalerweise ist es andersrum. Ich glaube aber, dass die Menschen immer Musik hören wollen - egal, auf welche Weise. Es ist nicht so, dass sie nicht dafür bezahlen wollen, sie sind nur manchmal zu faul, dafür zu zahlen - weil es einen einfacheren Weg gibt, an die Musik zu kommen. Man muss also einen kreativen Weg finden, sie trotzdem zum Zahlen zu bringen.

Ein echter Königsweg ist da, aber noch nicht in Sicht . . .Caro: Das wird auch noch einige Zeit dauern. Ich denke, die Branche wird sicher noch zehn Jahre brauchen. Aber es wird immer viel Geld mit Musik zu verdienen geben. Daran habe ich keinen Zweifel. Nur die Art, wie man dieses Geld verdient, wird anders sein. Ich sehe zum Beispiel viele Plattenlabels, die immer noch versuchen, traditionell zu arbeiten. Das wird nicht funktionieren. Sie sollten kreativer sein, und ich denke, dass unsere Zeit da auch viele Gelegenheiten bietet, weil man sein Publikum deutlich schneller erreicht und flexibler ist. Man kann sich zum Beispiel entscheiden, eine Single einen Monat früher im Netz zu veröffentlichen, auf Youtube und Facebook. Man sollte wissen, wie man seine Fans erreicht.

Zum Abschluss noch eine Frage, die sich wohl jeder deiner Fans stellen wird: Was können wir von deinem neuen Album erwarten?

Caro: Es wird definitiv in einem ähnlichen Stil gehalten sein wie "Deleted Scenes from the Cutting Room Floor". Jeder wird merken, dass ich es bin. Wir haben uns diesmal andere Inspirationsquellen gesucht: Mode und Kunst aus dem Paris der 30er Jahre. Wer den Film "Midnight in Paris" gesehen hat, der weiß, was ich meine. Wir suchen nach einem tiefergehenden, intimeren Sound. Wir arbeiten aber noch daran, ich weiß noch nicht, ob alles so funktioniert, wie ich das geplant habe. Ich hoffe aber, dass das Album noch Ende des Jahres veröffentlicht werden kann.

Caro, vielen Dank für das Interview!

Caro Emerald tritt am Samstag, 28. Juli, 19 Uhr, auf dem Eventgelände am Losheimer Stausee auf. Karten gibt es für 37 (Liegewiese)/46 Euro (Sitzplatz) unter: www.ticket-regional.de

Zur Person

Caro Emerald wurde 1981 in Amsterdam geboren. Mit bürgerlichem Namen heißt sie Caroline Esmeralda van der Leeuw. An einem Musikkonservatorium in Amsterdam studierte sie bis 2005 Jazzgesang. Zwei Jahre später wurde sie beim Vorsingen für ein Demotape zu entdeckt. Weil sie und ihre beiden Produzenten keine Plattenfirma fanden, die das Lied veröffentlichen wollte, gründeten sie kurzerhand ihr eigenes Label.

Im Jahr 2008 wurde "Back It Up" über die Online-Videoplattform Youtube einem breiteren Publikum bekannt. Daraufhin nahm Emerald das Album "Deleted Scenes from the Cutting Room Floor" auf, das in Deutschland bis auf Platz 6 der Charts vorstieß. Auch mit ihrer Single "A Night like this" erreichte sie die Top 5 der Charts. In diesem Jahr wurde Caro Emerald unter anderem mit dem Echo als Newcomerin des Jahres und mit einer Goldenen Kamera ausgezeichnet. red

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