Interview Benjamin Jakobs „E-Sport ist im Saarland angekommen“

Mit 200 000 Euro will das Saarland E-Sports-Veranstaltungen fördern. Ein Gespräch mit Benjamin Jakobs zu Vorwürfen über hohes Suchtpotenzial.

 Seit 2006 ist Benjamin Jakobs Redakteur und schreibt für die Online-Seite Eurogamer.de über die neusten Video- und Computerspiele. Und auch über das Thema E-Sport.

Seit 2006 ist Benjamin Jakobs Redakteur und schreibt für die Online-Seite Eurogamer.de über die neusten Video- und Computerspiele. Und auch über das Thema E-Sport.

Foto: Tina Leistenschneider

Worum geht es beim E-Sport?

JAKOBS E-Sport ist der sportliche Wettkampf mit Computerspielen und professionelles Gaming, vergleichbar mit dem Unterschied zwischen Amateur- und Profifußball. E-Sport steht für Ligen, für Turniere vor großem Publikum, ob in gefüllten Hallen oder online vor tausenden Zuschauern. Es gibt Verträge, Sponsoren und je nach Spiel mal mehr, mal weniger hohe Preisgelder, die bis in den Millionenbereich gehen. Auch viele Profi-Fußballvereine haben zum Beispiel mittlerweile eigene E-Sport-Teams, es gibt eine virtuelle Bundesliga.

Was definiert den E-Sport als Sport?

JAKOBS E-Sportler trainieren zum Teil mehrere Stunden am Tag im jeweiligen Spiel. Natürlich: Wer vor dem Rechner oder der Konsole sitzt, bewegt sich weniger als ein Fußballer. Sport definiert sich aber auch durch Wettbewerb, der hier gegeben ist. Spiele fordern die Spieler und Spielerinnen eher – abhängig von der Art des Spiels – in anderen Bereichen, verbessern einer älteren Studie des Max-Planck-Instituts und der Charité zufolge Hirnbereiche, die für räumliche Orientierung, Gedächtnisbildung, strategisches Denken sowie Feinmotorik wichtig sind. Und eine neue Studie der Queensland University in Australien und der Umea-Universität in Schweden zeigte 2020, dass E-Sportler gesünder sind als der Durchschnittsbürger, weil sie sich nebenbei fit halten und trainieren, gesünder essen, weniger Alkohol und Tabak konsumieren.

Viele Menschen assoziieren damit, dass die Spieler zu Hause im stillen Kämmerlein sitzen, keine sozialen Kontakte haben. Was ist da dran?

JAKOBS Es dürfte schwierig sein, jemanden zu finden, der nicht mal alleine für sich gespielt hat. Woran auch nichts Verwerfliches ist. Wenn Kinder alleine mit anderen Dingen wie zum Beispiel Lego-Steinen spielen, findet das keiner schlimm. Heute gibt es aber auch viel mehr Multiplayer-Spiele als vor 20 Jahren. Kommunikation und Teamwork sind also gegeben. Hinzu kommt, dass Gaming unter jungen Erwachsenen mittlerweile eine ganz andere Bedeutung hat. Sie sind selbst damit aufgewachsen, spielen mit ihren Kindern und bringen Erfahrung im Umgang mit, wissen das alles richtig einzuschätzen.

Welche Regeln gibt es im E-Sport?

JAKOBS Im Grunde die gleichen wie in jedem anderen Sport auch. Fair Play ist hier ebenso wichtig. Große Unterschiede gibt es da keine.

Welche Computerspiele werden beim E-Sport gespielt?

JAKOBS Inzwischen zahlreiche verschiedene Spiele. Von Fußballspielen wie „FIFA“ über Ego-Shooter wie zum Beispiel „Counter-Strike“ und Actionspiele bis hin zu Strategie- und Kartenspielen ist alles vertreten, was sich online spielen lässt. Es gibt Spiele, in denen die Teilnehmer einzeln antreten, in anderen sind sie im Team unterwegs, arbeiten gemeinsam für den Erfolg.

Sind die Mannschaften dort vergleichbar mit denen, die man zum Beispiel im klassischen Fußball sieht?

JAKOBS So groß wie der Kader eine Fußballmannschaft sind die Teams in der Regel nicht annähernd. Aber auch in einem Spiel kann die Zahl der Teilnehmer je nach Spielmodus variieren. In „FIFA“ ist beides möglich, in „Counter-Strike“ wird mit Teams gespielt. Mit Penta.bcon gibt es ein erstes deutsches E-Sport-Team für körperlich beeinträchtigte Spieler und Spielerinnen.

Wie groß ist das Suchtpotenzial?

JAKOBS E-Sport an sich macht nicht mehr süchtig, als sich zum Beispiel exzessives Gaming auf einzelne dafür anfällige Menschen auswirkt. Was wiederum kein Gaming-exklusives Problem ist. Wenn jemand alleine mehrere Stunden am Tag spielt, ist das keine Sucht, ebenso wie nicht jeder anfällig für Glücksspielsucht ist. Eifrige Modellbahnbauer oder andere Menschen, die zahlreiche Stunden ihrem Hobby nachgehen, würde auch keiner als Süchtige bezeichnen. Dass dies beim Gaming häufig angeführt wird, zeigt nur wieder Vorurteile gegenüber einem relativ neuen Medium.

Die saarländische Landesregierung will den E-Sport mit 200 000 Euro fördern. Wie groß ist die E-Sport-Szene im Saarland?

JAKOBS E-Sport ist im Saarland angekommen. 2019 gab es zum Beispiel einen ersten E-Sport-Cup in St. Wendel, bei dem „FIFA“ gespielt wurde. Veranstalter war der Verein „E SportsUnited Saar“, gegründet von Massimo Nardo und Marco Mastrosimone aus Saarlouis. Natürlich: Im Vergleich zu anderen Bundesländern und Ländern ist die Szene hier noch klein, aller Anfang ist schwer. Umso wichtiger ist die Förderung, zumal der Verein ebenso wie alle anderen unter der Pandemie leidet, da Zuschauereinnahmen wegbrachen und Sponsoren ausblieben.

Warum ist es wichtig, E-Sport zu fördern?

JAKOBS Wichtig ist, dass es keine Entweder-oder-Frage sein sollte. Nur weil E-Sport gefördert wird, heißt das nicht, dass andere Vereine im klassischen Sport nicht gefördert werden sollten. E-Sport gewann in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung, und das wird sich in Zukunft fortsetzen. Nach der Gaming-Förderung des Landes für Spieleentwickler sollte man diesen Trend daher nicht verschlafen, wenn das Land ein moderner Standort sein möchte.

Welche Rolle spielt E-Sport in der Zukunft?

JAKOBS Eine große. Dieser Teil der Spielebranche macht bereits Millionenumsätze, in Zukunft erwarten Marktforscher Milliardenumsätze. Immer mehr Menschen spielen, und unzählige neue Spiele erscheinen jedes Jahr, auch explizit auf E-Sport ausgerichtete. Der E-Sport wird nicht irgendwann in der Versenkung verschwinden. Er ist gekommen, um zu bleiben. Wird er den traditionellen Sport ersetzen? Natürlich nicht. Aber sich als weitere Form des Sports etablieren.

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