Die Stimme der Fordwerke

Saarlouis · "Fordwerke Saarlouis, guten Tag!" - Fast 40 Jahre war Eva-Maria Hinsberger die Stimme der Fordwerke Saarlouis. Heute wird die 58-jährige Telefonistin aus Lebach in den Ruhestand verabschiedet.

 Seit fast vier Jahrzehnten die Stimme von Ford in Saarlouis: Eva-Maria Hinsberger. Die blinde Telefonistin wird heute verabschiedet. Foto: Rolf Ruppenthal

Seit fast vier Jahrzehnten die Stimme von Ford in Saarlouis: Eva-Maria Hinsberger. Die blinde Telefonistin wird heute verabschiedet. Foto: Rolf Ruppenthal

Saarlouis. Am 4. April 1973 hatte sie ihre Arbeit aufgenommen, nachdem sie, bereits blind geboren, an einer Blindenschule in Nürnberg erfolgreich ihre Ausbildung zur Telefonistin und Stenotypistin absolviert hatte. Der Anfang war schwer, galt es doch eine umfangreiche und auch schwierige Technik zu bewältigen. Der Einzug des Computers, heute unentbehrlich, machte es Eva-Maria Hinsberger nicht leichter. Nach einer Zusatzausbildung in Düren meisterte sie auch diese Klippen, auch wenn der Computer anfangs viel zu oft sein "Eigenleben" entwickelte.Heute kann Eva-Maria Hinsberger über diese Schwierigkeiten nur noch lachen. Von Hause aus sehr selbstständig, bewältigte sie alle Probleme und kann heute auf ein erfülltes Arbeitsleben zurückblicken. Glücklich ist sie vor allem darüber, dass sie mit ihrer Arbeit der Gesellschaft auch etwas zurückgeben konnte.

Für ihren Ruhestand - genau genommen handelt es sich zunächst um Altersteilzeit - hat sich die 58-Jährige viel vorgenommen. Zu Hause will sie sich noch intensiver mit dem Computer auseinandersetzen, sich vielleicht zusätzlich sogar einen Laptop zulegen, um noch flexibler sein zu können. Auch sportlich will sie zulegen und sich in ihrer Gymnastikgruppe stärker einbringen. Noch lieber würde sie häufiger schwimmen gehen, aber hier gelangt sie viel häufiger als ihr das lieb ist an die Grenzen ihrer Möglichkeiten, denn ohne fremde Hilfe ist das fast nicht möglich. Und Eva-Maria Hinsberger ist jemand, der mit ihrem Handicap möglichst niemand zur Last fallen möchte.

Auch Reisen möchte sie noch ein bisschen, am liebsten nach Hongkong, fasziniert sie doch das Meer und die asiatische Lebensart ganz besonders. Eva-Maria Hinsberger ist ein richtiger Weltenbummler, war sie doch schon in Australien, Florida/USA, Moskau und Russland - und das schon zu Zeiten, als der "eiserne Vorhang" noch nicht gefallen war - in Ägypten, Marokko, Kapstadt/Südafrika, Ceylon, Zypern, Türkei und mit dem Kreuzfahrtschiff Aida auch in der Karibik. Dabei war sie zum Teil in Behindertengruppen, aber manchmal auch allein unterwegs.

Auch Lesen will sie in Zukunft mehr. Dabei meint sie keine Hörbücher, auch wenn dies bequemer ist, viel lieber greift sie da auf Bücher in Blindenschrift zurück, die sie schon in jungen Jahren gelernt hat.

Ansonsten will sie versuchen, den Kontakt zu ihren alten Kollegen und Freunden zu halten, ohne dabei jemandem zur Last zu fallen. "Ich bin durchaus in der Lage, alleine Bus oder Taxi zu fahren", versichert Hinsberger, die nur dann Hilfe von außen annimmt, wenn es gar nicht anders geht.

 Seit fast vier Jahrzehnten die Stimme von Ford in Saarlouis: Eva-Maria Hinsberger. Die blinde Telefonistin wird heute verabschiedet. Foto: Rolf Ruppenthal

Seit fast vier Jahrzehnten die Stimme von Ford in Saarlouis: Eva-Maria Hinsberger. Die blinde Telefonistin wird heute verabschiedet. Foto: Rolf Ruppenthal

Dennoch geht sie durchaus mit gemischten Gefühlen in den Ruhestand, haben doch die vergangenen vier Jahrzehnte bei Ford in Saarlouis - genau sind es 39 Jahre und zehn Tage - ihr Leben bestimmt und geprägt. Auch hat sie mancherlei Lustiges und Ausgefallenes erlebt, insbesondere wenn Anrufer die falsche Vorwahlnummer benutzt haben. So wollte eine Frau Eva-Maria Hinsberger ihr Hündchen vorbeibringen, weil sie sich in der Tierklinik wähnte. Andere wollten Möbel bestellen oder Gardinen abholen. Eine andere Anruferin attackierte sie heftig, weil sie sich mit der Gespielin ihres Mannes verbunden glaubte, aber auch diese prekäre Situation, für die sie ja überhaupt nichts konnte, bewältigte sie bestens mit ihrer für sie so typischen Gelassenheit und Freundlichkeit.

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