Die Nachbeben des Bergbaus

Nalbach · Erich Müllers Haus ist beschädigt. Schuld ist der Kohleabbau an der Saar. Er ist unzufrieden mit der Zusammenarbeit der RAG, die sich nicht mehr zuständig fühlt. Bürgermeister Lehnert sagt: Beide, Müller und RAG, haben Recht.

 Erich Müller vor seinem Haus. Die RAG hat seinen Schadensantrag zurückgewiesen. Foto: Jenny Kallenbrunnen

Erich Müller vor seinem Haus. Die RAG hat seinen Schadensantrag zurückgewiesen. Foto: Jenny Kallenbrunnen

Foto: Jenny Kallenbrunnen

Das Beben in der Primsmulde am 23. Februar 2008 hat das Ende des Bergbaus an der Saar besiegelt. Von diesem Beben haben außerdem viele Gebäude in Nalbach Schäden erlitten. Wie Narben in den Hauswänden sehen die inzwischen verpressten Risse heute aus. Auch Erich Müller aus Nalbach hatte damals Brüche in seinem Haus in Nalbach beklagt, die sind bereits im Auftrag der RAG reguliert worden. Vor zwei Wochen hat er neue Risse entdeckt.

"Es waren zuerst kleine Schäden im Bad, die ich mir nicht erklären konnte", sagt Müller. "Aber als dann auch die Platten und der Verputz über den Platten gerissen sind, dachte ich sofort wieder an Bergbauschäden." Schließlich sei bekannt, dass es auch nach dem aktiven Kohleabbau unter Tage noch viele Jahre dauern könne, bis sich das Erdreich vollständig gesetzt hat.

Die neuen Schäden hatte Müller der Schlichtungsstelle der RAG in Saarbrücken sofort gemeldet. Die weigert sich jedoch, für die Risse zu zahlen oder die Schäden auch nur in Augenschein zu nehmen. "Herr Müller war zwar von den Auswirkungen des Bebens in der Primsmulde betroffen, aber er wohnt nicht in der Einwirkungszone der Absenkungen", sagt RAG-Pressesprecher Karlheinz Pohmer. "Man muss unterscheiden zwischen Erschütterungen und Senkungen." Schäden durch Senkungen seien nur möglich in Gebieten, unter denen auch Abbau stattgefunden hat, Erschütterungen haben dagegen größere Einwirkzonen. "Risse können viele Ursachen haben", sagt Pohmer. Müller hat das Haus 1937 gebaut und 1950 nach Kriegsschäden fast komplett restauriert. "Ich will nicht mehr als mir zusteht", sagt er.

Tatsächlich ist Nalbach nie unterfahren worden. "Fakt ist, dass es im Bereich Nalbach keine Schäden durch Absenken geben kann", sagt Peter Lehnert, Bürgermeister der Gemeinde. Lehnert ist außerdem Sprecher des Landesverbandes der Bergbaubetroffenen, der der RAG nur ungern Recht gibt. Müllers Engagement ist ihm bekannt. "Das ist die berechtigte Wut eines Mannes, der sich um sein Eigentum betrogen fühlt", sagt Lehnert. "Aber die Schadensregulierung ist leider immer unbefriedigend. Niemand wird sein beschädigtes Haus je in den Urzustand zurücksetzen können, aber das muss man akzeptieren lernen."

4000 bis 5000 Schadensanträge gab es im Saarland bis zum Bergbauende laut RAG jedes Jahr. 90 Prozent der Schäden haben sich dabei auf 5000 Euro pro Haus belaufen. Inzwischen gebe es nur noch ganz vereinzelt Meldungen, "noch ein paar Hand voll im Jahr", sagt Pohmer.

Auch Gangolf Hontheim, Leiter der Stabstelle Bergschäden, sagt klar: "Es kann in Nalbach keine Absenkungen geben. Zwar hat es tatsächlich Erschütterungen gegeben, die liegen aber bereits über fünf Jahre zurück und können heute nichts mehr anrichten." Während eine Erschütterung in bis zu 20 Kilometer Entfernung Schäden anrichten könne, seien von Absenkungen ausschließlich Häuser unmittelbar über dem Abbaubereich, maximal zwei Kilometer weiter, betroffen.

"Wir in Nalbach sollten uns freuen, dass wir mit einem blauen Auge davon gekommen sind", sagt Lehnert. "Irgendwann muss einmal Schluss sein mit Beklagen; der ewige Kampf würde Betroffenen irgendwann die ganze Kraft rauben." Lehnert selbst hatte für Schäden an seinem Haus 8000 Euro bekommen und dann weitere 20 000 erstritten. Er sagt: "Herr Müller hat vom Grundsatz her Recht, aber er wird kein Recht bekommen."

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