„Die Geschichten reichen für drei Leben“

Saarlouis · Alfred Gulden, Schriftsteller, Filmemacher, ist ab Februar auch Stadtschreiber von Saarlouis. An diesem Samstag wird er 70. Der Autor sagt: Ich erfinde, was ich zuvor gefunden habe. Was er da erspürt, um es zu erzählen, liebt er auch, wie seine Werke beweisen.

 Ein großer Erzähler aus Saarlouis: Alfred Gulden. Foto: Volker Schütz

Ein großer Erzähler aus Saarlouis: Alfred Gulden. Foto: Volker Schütz

Foto: Volker Schütz

Wer Alfred Gulden verstehen möchte, sollte ihn beobachten, wie er das Foto auf dem Deckel seines Buches "Auf dem Großen Markt" betrachtet. Es erschien 1977 und wurde 2003 neu aufgelegt. Das Foto zeigt das große Hochwasser 1947. Häuser und St. Ludwig, die Pfarrkirche von Saarlouis, spiegeln sich im Wasser. Alles sieht im Spiegelbild anders aus, bleibt aber, was es ist. Man kann es sogar auf den Kopf stellen. Das gefällt Gulden sehr, der in Gedichten, Prosa, Filmen und Liedern erzählt. Er selbst, seine Sprache, sind wie dieses Wasser. "Das Wasser ist immer in Bewegung, die Wahrheit ist fließend und will immer neu ausgesagt werden." Alte Wirklichkeit und neue Erzählung, das ist seine Sache. "Ich muss nichts erfinden, alles ist da", sagt er über Saarlouis. Oder anders: "So lügen, dass die Wahrheit dabei herauskommt. Ja!"

So will er es auch handhaben als Stadtschreiber von Saarlouis, als der er Anfang Februar eingeführt wird. "Saarlouis neu für mich buchstabieren" will er im Roman, den er als Stadtschreiber schreibt.

Die Wirklichkeit geht durch Guldens Sprache, nimmt dort Rhythmus auf im Wort, und kehrt zurück wie das bewegte Spiegelbild. Zwei Pole entstehen. Nicht zwischen ihnen, sondern mit ihnen lebt Gulden. So, wie er in Wallerfangen und seit bald 50 Jahren auch in München wohnt. Wie er in Hochsprache schreibt und im Dialekt. Er wärmt sich an Wörtern des Daheim und fröstelt wohlig in der Fremde. "Zwischen Welt und Winkel" heißt eins seiner Bücher.

Den Witz, das Gespür für Vorgänge um ihn herum, wohl auch den Sinn fürs Komödiantische, hat er von seiner Mutter. Sie kommt aus Roden, in ihrem Dialekt schreibt er auch.

Von der Mutter, berichtet er, habe er es zum ersten Mal gehört: dieses abwägende Halbsätzchen "Auf der anderen Seite . . .". Es ist für ihn Ausdruck gewachsener Saarlouiser Mentalität. "Geschichtlicher Aberwitz", nennt Gulden es, dieses typische "zwar, aber".

Entstanden, weil sich die Saarlouiser immer wieder schnell auf neue Mächtige hätten einstellen müssen, um zu überleben. "Für mich zutiefst menschlich." Ernst erzählt er. Auf der anderen Seite . . . auch mit Schalk. Fast scheint es, als bestehe Gulden aus solchen Geschichten. Jedenfalls, "ich habe so viele Geschichten, die reichen für drei Leben."

> : weiterer Bericht

Eine Schau "Weggefährten und andere" zeigt die Stadt Saarlouis ab 9. Februar in der Kaserne VI. Am Dienstag, 18. Februar, 19.30 Uhr, beginnt bei der VHS Saarlouis eine Gulden-Filmreihe "Net alles Gold".

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort