Die Freiheit des freien Falls

Düren. Das Wetter könnte nicht besser sein an diesem Nachmittag. Blauer Himmel, 32 Grad, ein paar Schleierwolken stehen am Firmament, als hätte jemand Puderzucker gestreut. Ein leichter Wind über dem Saargau macht die Hitze erträglich. Es riecht nach Sommer, nach Gras - und ein wenig nach Abenteuer bei den Deutschen Meisterschaften im Fallschirmspringen in Düren

Düren. Das Wetter könnte nicht besser sein an diesem Nachmittag. Blauer Himmel, 32 Grad, ein paar Schleierwolken stehen am Firmament, als hätte jemand Puderzucker gestreut. Ein leichter Wind über dem Saargau macht die Hitze erträglich. Es riecht nach Sommer, nach Gras - und ein wenig nach Abenteuer bei den Deutschen Meisterschaften im Fallschirmspringen in Düren. Schon auf der Anfahrt nahe Saarlouis brummen zwei Dornier-Maschinen gutmütig wie überdimensionale Hummeln. Auf einer Wiese stehen Bierwagen, Zelte - und rund 300 Menschen. Viele von ihnen schauen zum Zielplatz, werfen den Kopf in den Nacken. Kleine Punkte werden immer größer, bis sie als Fallschirmspringer erkennbar sind. Der Blick zum Himmel, der Traum vom Fliegen - er fasziniert die Menschen. Und schon Kinder können sich dem kaum entziehen. Das gilt auch für die neunjährige Michelle Schulz. Sie hat gerade ihren ersten Tandem-Sprung gemacht. "Ich schwebe immer noch", sagt das blonde Mädchen und lächelt entrückt.1200 TandemsprüngeIhr "Tandem-Master" Jürgen Weber vom ausrichtenden Fallschirmsportverband Saar genießt es, wenn seine Passagiere - 1200 hat er schon befördert - nach dem Sprung selig grinsen. "Mein jüngster Passagier war sieben, der älteste 87", erzählt Weber. Er turnte früher für die TG Saar in der Bundesliga und wurde von keinem geringeren als Weltmeister Eberhard Gienger zu seinem ersten Sprung überredet. "Man kann Salti und Drehungen machen ohne Ende. Es ist ein richtig freies Gefühl. Man empfindet es gar nicht so sehr als Fallen, eher als Schweben", schwärmt Weber.Auch Alexander Hau aus Merzig erinnert sich noch an seinen ersten Sprung 1991 bei der Bundeswehr. Seither ist er schon 3600 Mal aus einem Flugzeug gesprungen. Er wirkt ansteckend begeistert, wenn er von der Faszination des freien Falls erzählt. Mit dem Flugzeug auf 4000 Meter Höhe, dann 50 Sekunden schweben, das ist seine Welt. "Fallschirmspringen ist statistisch sicherer als die Fahrt zum Flugplatz", sagt Hau, der am Donnerstag mit seinem Team "FSC-Eisenach-Paratec" Deutscher Meister in der Vierer-Formation wurde. Lange, blonde Haare, ein Kopftuch, Ray-Ban-Sonnenbrille: Hau wirkt wie ein Sonnyboy. Er könnte auch als Surflehrer durchgehen. Als Mitglied der Nationalmannschaft fährt er zu Weltmeisterschaften und Weltcups. Dennoch: "Mit Fallschirmspringen als Sport lässt sich kein Geld verdienen. Dafür sind wir nicht medienwirksam genug", sagt Hau. Das merken auch die Zuschauer, sie sehen wenig von den Formationen. Im Nachhinein werden diese auf einer Leinwand mehrfach gezeigt, ein Moderator erklärt und die Schiedsrichter urteilen.Exklusives Hobby"Fallschirmspringen ist schon ein exklusives Hobby", weiß Alexander. Ein neuer Schirm kostet 5000 Euro, gebraucht und Tüv-geprüft weniger. Ein Sprung kostet 27 Euro. An einem Trainingstag springt der Merziger bis zu 15 Mal. Dazu kommt noch die Kombi, der Springeranzug plus Helm.Rund 8000 Menschen springen in Deutschland Fallschirm, vermutet Hau. Die sind "vielleicht ein wenig unkonventionell, locker und gut drauf. Es sind Menschen, die fröhlich sind und die Freiheit lieben", sagt Alexanders Freundin Tina Monsees aus Hamburg. Tina ist Ende 30, braun gebrannt, lange dunkelblonde Haare und trägt ein bauchfreies Sportdress, hat 2100 Sprünge Erfahrung und wirkt genau so fröhlich und frei. Sie liebt die Geselligkeit in der Springerszene und sie erklärt: "90 Prozent spielt sich im Kopf ab." Und hier spürt auch jeder diese Faszination, wenn Endorphin und Adrenalin durch die Adern von Alex, Tina und Co. pulsen.

Auf einen BlickZuschauer können am Samstag auf dem Flugplatz in Düren (Autofahrer nehmen die Ausfahrt Saarlouis-Mitte) noch kostenlos Sprünge in allen Disziplinen der Deutschen Meisterschaften sehen. Von 9 bis 18 Uhr werden die Wettbewerbe im Zielspringen, Kappenformation, Artistik, Wingsuit-Fliegen und Achter-Freifall-Formation fortgesetzt. Um 19.30 Uhr findet die Siegerehrung statt, anschließend steigt die große Abschlussparty. Am Sonntag finden noch zahlreiche Sprünge fürs Publikum statt. Wenn alles planmäßig läuft, sind die Wettbewerbe dann aber beendet. raps

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort