Schulprojekt Das Museum wird zum Klassenraum

Wallerfangen · Saarlouiser Gymnasiasten lernten an historischer Stätte mehr über die ehemalige Wallerfanger Steingutfabrik.

 Unterricht mitten im Museum erlebten jetzt Achtklässler des Robert-Schuman-Gymnasiums.

Unterricht mitten im Museum erlebten jetzt Achtklässler des Robert-Schuman-Gymnasiums.

Foto: Johannes A. Bodwing

Die Schornsteine rauchten in Wallerfangen, und die Waren der Steingutfabrik gingen bis nach Südamerika. Wo heute das Rathaus steht, produzierten bis zum Abriss Mitte der 1930er Jahre an die 1000 Mitarbeiter unter anderen Wandteller, Krüge und Geschirr. Dieses Beispiel der frühen Industrialisierung war am Mittwochmittag Thema der Klasse 8a2 des Saarlouiser Robert-Schuman-Gymnasiums (RSG) beim Geschichtsunterricht im Historischen Museum Wallerfangen.

„Der Klassenraum ist hier, wo er immer war“, erklärte Museumsleiter Peter Winter den 25 Schülerinnen und Schülern sowie zwei Geschichtslehrerinnen. Denn das Wallerfanger Museum befindet sich in einem Schulgebäude von Ende des 19. Jahrhunderts gleich gegenüber dem Alten Rathaus auf der Adolphshöhe. „Für uns ist das eine Premiere“, sagte Winter zur Nutzung der Räume als Klassenraum.

Etwa zwei Stunden lang bearbeitete die in acht thematische Gruppen aufgeteilte Klasse das Thema Steingutfabrik. Fragen und Materialien hatte Friedel Jacob zusammengestellt, Mitglied des Wallerfanger Vereins für Heimatforschung. Er und Winter halfen bei Fragen sowie bei Dokumenten in alten Schriftarten. Unter anderen ging es um die Entstehung und Entwicklung der Fabrik ab 1791, um Kinderarbeit sowie Auswirkungen durch die Fabrik für den Ort.

„Den Bauern ging es nicht gut“, erläuterte Winter anhand eines Berichtes über die Situation um 1815. Magere Pferdchen und Kühe zogen die Gespanne, auf den Feldern wuchs das Unkraut, der Roggen lieferte oftmals geringe Erträge. Auch die Kleidung der gewöhnlichen Leute sei ärmlich gewesen. Das Handwerk war auf Aufträge von Gutsbesitzern und Fabrikherren angewiesen. Anderenfalls war auch deren Einkommen kärglich. Die Situation verschärfte sich, als 1815 in Indonesien der Vulkan Tambora ausbrach. In den Folgejahren kam es auf der Nordhalbkugel zu kalten und nassen Sommern, somit zu Ernteausfällen und Hungersnöten.

1791 war Nicolas Villeroy nach Wallerfangen gekommen und hatte eine kleine Steingutfabrik gegründet. Ein Franzose habe die Industrie nach Wallerfangen gebracht, sagte Winter. 1836 erfolgte die Fusion mit den Werken von Jean-François Boch zum späteren Weltunternehmen Villeroy & Boch. Dieses schuf Arbeitsplätze und war später in ganz Europa vertreten, mit Lagern beispielsweise in Amsterdam und Paris.

Für die Schülerinnen und Schüler des RSG war der museale Klassenraum eine interessante Erfahrung. „Besser als neun Stunden Unterricht“, urteilten sie. „Das war schon schlimm“, zeigten sich zwei Schülerinnen überrascht. „Kinder haben neun Stunden am Tag gearbeitet. Und man hat andere den ganzen Tag über in Einrichtungen eingesperrt.“ Sogar Selbstmordversuche habe es gegeben. Die Arbeit war gefährlich, lasen andere aus alten Berichten. Vor allem Staub führte zu Lungenkrankheiten und Tod. „Und die durften sich nicht politisch engagieren.“ Andererseits brachte die Fabrik Arbeitsplätze, Einkommen und neue Möglichkeiten für den Ort.

Rund zwei Stunden lang tauchte die Klasse am Mittwoch in alte Zeiten ein. „Das vertiefen wir im Unterricht und wird von den Schülern präsentiert“, sagte eine der Lehrerinnen. „Das bewerten wir auch noch.“

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