Wadgassen „Viele Frauen bleiben ohne eigene Hebamme“

Wadgassen · Freie Hebammen gesucht: Kaum Chancen für außerklinische Geburt und lange Wartelisten für Schwangere im Kreis Saarlouis.

 Die freiberufliche Hebamme Julia Bauer bei der Arbeit: Hier überwacht sie bei einer Hausgeburt die Herztöne des Babys.

Die freiberufliche Hebamme Julia Bauer bei der Arbeit: Hier überwacht sie bei einer Hausgeburt die Herztöne des Babys.

Foto: Silke Brenner/Bildmomente

„Die Lage im Kreis Saarlouis ist bereits dramatisch“, sagt Julia Bauer, freiberufliche Hebamme in ihrer Praxis Hebammenhaus Saar in Wadgassen. „Frauen haben ein Recht auf die freie Wahl des Geburtsortes – aber schon jetzt können sie dieses eigentlich nicht mehr nutzen.“

Denn trotz steigender Geburtenzahlen gibt es immer weniger Hebammen, die Geburten begleiten. Das liegt insbesondere an den steigenden Versicherungsbelastungen: Derzeit zahlen sie für ihre Haftpflichtversicherung 7639 Euro im Jahr, 2004 waren es noch 1352 Euro. Eine Beleghebamme, die mit der Schwangeren in die Klinik geht und sie während der ganzen Geburt exklusiv betreut, erhält 367,20 Euro.

Der Hebammenverband sieht seit Jahren insbesondere die freiberufliche Geburtshilfe in Gefahr. Rund 260 Hebammen gibt es im Saarland noch. Nur sieben davon bieten außerklinische Geburtshilfe an: sechs als Hausgeburtshebammen und eine im Geburtshaus Merzig.

Julia Bauer ist eine von ihnen, sie bietet zudem Beleggeburten in der Saarlouiser Klinik an. Ihre Praxis ist die letzte im Kreis Saarlouis, die „das Komplettpaket, von Vorsorge über Geburtshilfe bis Rückbildung“ anbietet, bedauert sie. Derzeit arbeitet sie alleine dort, sie hat auch keine Vertretung; ihre beiden Kolleginnen sind in Elternzeit, neue findet sie nicht.

„Der Nachwuchs fehlt“, sagt Bauer. „Die jungen Hebammen hören immer: Geburtshilfe lohnt sich nicht mehr. Aber wenn man ein gewisses Pensum arbeitet, lohnt es sich auch“, findet sie. Dass viele Kolleginnen ihren Beruf aufgeben, kann sie dennoch nachvollziehen: „Es ist ein 24-Stunden-Job, gerade mit Kindern ist das echt schwierig. Es ist ein superschöner Beruf, der aber gesellschaftlich leider nicht wertgeschätzt wird.“

Die 31-Jährige, selbst Mutter zweier Kleinkinder, nimmt drei bis vier Anfragen zur Geburtsbegleitung im Monat an, davon sind ein bis zwei Hausgeburten.  „Jeden Tag erhalte ich bis zu zehn Mails mit Anfragen, die ich einfach absagen muss“, sagt sie. Die Schwangeren kommen aus dem ganzen Saarland und bisweilen sogar aus Rheinland-Pfalz. Dringende Fälle kann sie manchmal an Kolleginnen vermitteln, „aber viele Frauen bleiben ohne eigene Hebamme“. Diese Frauen werden dann im Krankenhaus von der jeweiligen Hebamme im Dienst betreut, oft gemeinsam mit drei bis fünf anderen Frauen in anderen Kreißsälen gleichzeitig, wie 2016 eine Umfrage des Berufsverbands unter angestellten Hebammen ergab.

Dass Hausgeburten oft mit einem Risiko gleichgesetzt würden, ärgert Bauer: „Wir haben ein Qualitätsmanagement, es gibt ganz klare Richtlinien und Ausschlusskriterien für eine außerklinische Geburt.“ Eltern, die sich dafür entscheiden, legten Wert auf die permanente und gute Betreuung während der Geburt in einer vertrauten Umgebung.

Für den Rückbildungskurs hat sie eine Warteliste für die nächsten Monate. Selbst zur Nachsorge finden schon jetzt viele Schwangere im Kreis Saarlouis keine Hebamme mehr. „Mir tun die Frauen leid, die am Telefon weinen, weil sie vergeblich zehn oder 15 Hebammen angerufen haben“, sagt Bauer. „Heute muss man sich mit positiven Schwangerschaftstest eine Hebamme suchen, sonst hat man keine Chance mehr. Das wissen viele nicht.“

Dabei sei eine Begleitung durch eine Hebamme für eine entbindende Frau enorm wichtig, betont Bauer: „Hebammen haben die Ausbildung und die Erfahrung, sie geben Rückhalt und bestärken die Frau im natürlichen Ablauf der Geburt. Hebammen sind einfach unersetzlich, das sage ich auch als Mutter.“

Was sie sich zum Welthebammentag wünscht: „Jede Frau soll an dem Ort gebären können, den sie sich aussucht, mit einer Hebamme – in einer Eins-zu-Eins-Betreuung, nicht Eins-zu-Fünf!“

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