Friedhofskultur Kein Friedwald, keine Urnenwände

Wadgassen · Wadgassens Bürgermeister Sebastian Greiber skizziert den Bestattungsgarten als Nachfolger der Friedhöfe.

 Auf dem Friedhof in Schaffhausen wird der schrumpfende Platzbedarf schon jetzt besonders deutlich sichtbar. Nur noch zehn bis zwanzig Prozent der Bestattungen erfolgt in Erdgräbern.

Auf dem Friedhof in Schaffhausen wird der schrumpfende Platzbedarf schon jetzt besonders deutlich sichtbar. Nur noch zehn bis zwanzig Prozent der Bestattungen erfolgt in Erdgräbern.

Foto: Frank Villmen/Frank VIllmen

Die Gemeinde Wadgassen will die massiven Veränderungen, denen ausgerechnet Friedhöfe unterworfen sind, nicht dem Zufall überlassen, sondern zu einer umfassenden Neugestaltung nutzen. Die vom gemeindlichen Friedhofs­amt entworfenen Ideen gehen derzeit durch die Ortsräte und werden ­voraussichtlich im Oktober vom Gemeinderat beraten. Bürgermeister Sebastian Greiber skizzierte seine Ideen am Dienstagabend schon mal vor gut 60 Wadgasser Bürgern. Es sollte auch eine Gelegenheit für zusätzliche Anregungen aus der Bürgerschaft sein. Mit diesem Weg, Öffentlichkeit zu schaffen, und ebenso mit einem geschlossenen Konzept für sechs örtliche Friedhöfe geht Wadgassen einen etwas anderen Weg als die meisten Kommunen, die eher unkoordiniert auf die Veränderungen reagieren.

Die Herausforderung zeigt sich in Hochrechnungen. Langfristig werden Friedhöfe durch den demographischen Wandel weniger genutzt, und jetzt schon brauchen Bestattungen nur noch wenig der großen Friedhofsflächen. Denn auch in Wadgassen gehe die Tendenz über einen Anteil von 80 Prozent Urnengräber hinaus, sagte Greiber. Das sei in Hostenbach besonders weit fortgeschritten, auf dem Wadgasser Friedhof dagegen dominiere noch die Erdbestattung, sagte Greiber.

Die Urnen würden - platzsparend - in sterilen Wänden oder Stelen, „wie in einem Regal“ untergebracht. Die seien ziemlich kalt, stünden wie am Wegesrand, und Rituale zum würdigen Gedenken seien ausbaufähig. Die Zahl also der konventionellen Gräber sei verschwindend klein geworden – aber die Kosten für die Friedhofspflege bleiben. Nach der Kostendeckungspflicht steige die Gebühr für das einzelne Grab erheblich.

Gleichzeitig werden neue Formen der Bestattung nachgefragt, etwa Baumgräber.

Wadgassen, so schlägt Greiber vor, solle alle diese Faktoren in einem neuen Konzept bündeln. Die Zahl der Friedhöfe solle bleiben, ihre Fläche aber verkleinert werden. Aus dem System rechtwinklig angelegter Wege mit gleichartigen Grabstellen sollen eher organische, geschwungene Wege mit einer Vielfalt an Grabstellen und Grabarten werden: eine Art Bestattungspark.

Das spiegelt womöglich eine neue Auffassung vom Tod als Entgrenzung, als Auflösung von Bindung und Form. Die traditionelle christliche Auffassung dagegen setzt den Tod mit ewiger Ruhe gleich, die sich in strenger, wie ewiger Ordnung auf einem Friedhof abbildet.

Eine Grundidee vom Friedhof als Park, erklärte Greiber, würde auch die Sterilität der Urnenwände und der inzwischen leeren Rasenflächen verschwinden lassen. „Urnenwände eher nicht.“ Statt dessen könne es Urnengemeinschaftsgräber geben: solche mit individuellen Grabmälern für jeden Verstorbenen und solche mit einem gemeinsamen Grabmal mit allen Namen. Für die Asche aus den Urnengräbern nach ihrer Belegzeit könnte es Ewigkeitsfelder geben: In ihnen würde die Asche gesammelt, und die Namen könnten an einem zentralen Gedenkstein angebracht werden.

Weiter sieht der Wadgasser Entwurf auch Baumgräber vor, aber keinen Friedwald. Statt eines Grabsteins wird eine runde Bronzeplatte Auskunft über den Bestatteten geben. Rasengräber und Erdgräber wird es auch weiter geben.

Weiteres Merkmal: Die gesamte Anlage soll von Gärtnern der Gemeinde gepflegt werden (die Möglichkeit, eine Gärtnerei mit der Grabpflege zu betrauen, bleibt). Individuelle Sorge um die Grabpflege entfielen, die Gebühren würden laut Greiber nicht höher als beim alten System. Das Prinzip laute: „Die Gemeinde erhält den Friedhof als Ganzes für alle.“

Für die sechs Wadgasser Friedhöfe liegen Hochrechnungen vor, wann welche Belegzeiten auslaufen und sich die Flächen leeren. Für jeden dieser Friedhöfe liegt auch ein Entwurf als Bestattungsgarten vor. Greiber stellte, dies aber nur als seine persönliche Meinung, auch die Notwendigkeit von Leichenhallen auf allen Friedhöfen infrage. Auch sie würden immer seltener genutzt und kosteten viel Geld.

Stimmt der Rat den Entwürfen zu, setzt die Gemeinde vermutlich schon ab 2018 fort, was sie auf ihrem historischen Spurker Friedhof schon begonnen hat: Dort wurde ein ungewöhnlicher Gedenkort für die Opfer aller Kriege und Verfolgungen errichtet.

Dass Bürgermeister Greiber ­allerdings diese Ideen den Bürgern schon jetzt vorgestellt hat, nehmen ihm einige Mitglieder von Ortsräten übel. Patrick Schmadel, Mitglied der CDU-Fraktion im Wadgasser Gemeinderat, teilte umgehend auf Facebook mit, „verschiedene Ortsratsmitglieder“ hätten deswegen Beschwerde bei der Kommunalaufsicht eingelegt.

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