Ein Mann mit hörendem Herzen

Wadgassen · Jahrelang hatte Stanislaus Klemm am Telefon ein offenes Ohr für Menschen, die in einer Krise stecken oder sich einsam fühlen. Wie man richtig zuhört, vermittelt er nun den Lesern in einem Buch.

 Stanislaus Klemm mit einem Amonit, der symbolisch für das Hören steht. Foto: Oliver Dietze

Stanislaus Klemm mit einem Amonit, der symbolisch für das Hören steht. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

Dass Stanislaus Klemm ein guter Zuhörer ist, merkt man sofort. Geduldig wartet er, bis sein Gegenüber spricht, sein Blick ist offen und interessiert. Doch heute ist der 72-jährige pensionierte Theologe und Psychologe aus Wadgassen nicht bloß Zuhörer. Heute soll seine Geschichte gehört werden. Kürzlich hat Klemm sein zehntes Buch veröffentlicht und damit im wahrsten Sinne des Wortes ein Hörbuch geschrieben.

Das Buch "Reden ist Silber. Hören ist Gold " beschäftigt sich mit unserem Gehör. Dabei lernt der Leser nicht nur, wie das Sinnesorgan Ohr funktioniert, vielmehr eröffnen sich spannende Sichtweisen zum Hören, Zuhören, Weghören, Hinhören und Verstehen. "Ich wollte von dem schreiben, was mir wichtig ist - dem Hören und Zuhören. Schließlich war das jahrelang mein tägliches Brot, damit habe ich mein Geld verdient", erklärt Klemm.

Als Psychologe war er nicht nur in der Sucht- und Paartherapie tätig, sondern auch über 30 Jahre in der Telefonseelsorge im Saarland und Trier. "Bei dieser Arbeit muss man sich so manches um die Ohren schlagen", sagt er schmunzelnd. Mitte der 70er Jahre war er maßgeblich am Aufbau der Telefonseelsorge in Trier beteiligt und von 1979 bis 2000 in der Leitung der saarländischen Telefonseelsorge verantwortlich für telefonische und persönliche Krisenintervention sowie die Ausbildung der Mitarbeiter vor Ort. Er erzählt von Nachtschichten am Hörer, von Leuten, die einsam sind und jemanden zum Reden suchen, von Suiziden und Ehekrisen .

Jahrzehntelang den Problemen anderer lauschen - der Telefonseelsorger hatte für alle Sorgen und Nöte der Anrufer stets ein offenes Ohr. Umso wichtiger war es für Klemm, sein Gehör genau zu schulen, um dem Menschen am anderen Ende der Leitung bestmöglich helfen zu können. "Zuhören ist keineswegs ein passiver Prozess, kein stures Aufnehmen von Worthülsen oder geduldiges Ausharren. Man muss schon genau hinhören, was der andere sagt, und ebenso aufmerksam verfolgen, was nicht gesagt wird - oft ist das der Schlüssel zum eigentlichen Problem", erklärt Klemm. In einem dritten Schritt hört der aufmerksame Gesprächspartner in sich hinein - auf die innere Stimme - und überlegt, welche Gefühle und Emotionen mit dem Gespräch assoziiert werden. "Hören kann jeder, aber zuhören, das ist eine Gabe des Herzens und nicht nur der Ohren. Es geht dabei um ‚dazugehören' und dem anderen erfahrbar zu machen, dass er nicht alleine ist", so Klemm.

In seinem Buch versucht er, dem Leser dieses Zuhören bewusst zu machen, und schlägt dabei ganz neue Töne an. Verständnisvoll und empathisch schildert er die Vorgänge beim Hören und Zuhören. Er ist jemand, der sich gut in andere hineinversetzen kann.

In übersichtlich gegliederten Kapiteln macht er sich Gedanken zu verschiedenen Hörweisen, die er mit literarischen Inhalten, Zitaten und vielen Redewendungen und Aphorismen einleitet. Tatsächlich eröffnet das ganz neue Sichtweisen, denn wer weiß schon, dass unser Gehör niemals schläft, welche Filter wir beim Hören anwenden und welchen Weg der Satz "Ich liebe Dich" von der Artikulation bis zum Hören zurücklegt? Das Buch gibt dabei auch psychologische Einblicke und hilft, bewusster zu hören und zuzuhören. Der Autor Klemm macht deutlich, dass das Ohr eine Möglichkeit der zwischenmenschlichen Interaktion ist: "Zuhören bedeutet Nähe: Am Anfang ist das Hören, dann das Zuhören und schließlich das Verstehen", erklärt er ein gelungenes Gespräch.

Wem vom vielen Zuhören die Ohren klingeln, der sei beruhigt, denn auch Klemm gönnt sich öfter mal eine Auszeit vom Reden und Zuhören. Beim Hören geht es auch um Selbsterfahrung - In-sich-hineinhören, der inneren Stimme vertrauen, der Stille lauschen oder einfach nur Musik hören. All das erleben wir unabhängig von anderen. Als Ausgleich genießt Klemm beim Suchen und Sammeln von Edelsteinen die Stille. In seinem Arbeitszimmer sind große und kleine Schätze fein säuberlich an einer Wand aufgereiht. Vom Bergkristall bis zum Kieselstein liegen sie schön und stumm in ihren Schaukästen.

"Reden ist Silber - Hören ist Gold " von Stanislaus Klemm, Geistkirch Verlag, 16,80 Euro.

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Auf einen BlickAn diesen Tagen stellt Klemm sein Buch vor: am Freitag, 4. September, 19.30 Uhr im Kultur-Werkhof, Nauwieserstraße 19, Saarbrücken; am Donnerstag, 17. September, 19 Uhr, an der Pilgerrast im Wallfahrtskloster, Klosterweg 35, Blieskastel; am Donnerstag, 15. Oktober, 19 Uhr, im Geistlichen Zentrum, Völklingerstraße 197, Püttlingen. bel

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