Was macht Überherrn mit diesem Juwel?

Berus · Seit einem Jahr ist der Betrieb der Sendehalle des französischen Senders Europe 1 bei Felsberg/Berus beendet. Das eindrucksvolle Gebäude mit umliegenden Flächen hat die Gemeinde Überherrn gekauft. Daraus soll ein über Grenzen hinweg attraktives Zentrum werden.

 Die große, architektonisch bedeutende Sendehalle von Europe 1, gebaut 1954, gehört jetzt der Gemeinde Überherrn. Fotos: Johannes A. Bodwing

Die große, architektonisch bedeutende Sendehalle von Europe 1, gebaut 1954, gehört jetzt der Gemeinde Überherrn. Fotos: Johannes A. Bodwing

"Jetzt bin ich der Hausherr", sagte Bürgermeister Bernd Gillo am Montagvormittag und schloss die Tür zur Sendehalle von Europe 1 auf. 86 Meter ist sie lang und 46 breit. Die Vorderfassade ist bis zu 16 Meter hoch. Das Dach ist eine Spannbeton-Konstruktion ohne Stützpfeiler. Die verglaste Fläche macht 1770 Quadratmeter aus, inzwischen Doppelglas-Fenster.

Optisch und architektonisch ist die Halle auf dem Saargau zwischen Felsberg und Berus etwas Besonderes. Darauf verweisen die Landesdenkmalpfleger Rupert Schreiber und Axel Böcker. Sie bezeichnen das Gebäude als Wellen-Kathedrale. "Es gibt nur ein Vorbild in Amerika", sagte Böcker. Das hier sei ein architektonisches Alleinstellungsmerkmal. Dazu komme Technik aus drei Epochen des Langwellensendens. Die füllt in langen Reihen etwa zwei Drittel der Hallenfläche.

Im Kellergeschoss war der Quarz untergebracht, erklärte der frühere Sendertechniker François Melcion. Das garantierte die Frequenz von 183 Kilohertz.

Die Sendeanlage war gleichzeitig auch Heizung. Als Wärmepuffer stehen im nördlichen Nebengebäude drei Wassertanks mit je 20 000 Litern sowie ein Notstromaggregat.

"Am 19.10.2015 um 8.21 Uhr wurde der Sender ausgeschaltet", las Gillo im Logbuch des Senders. Aber schon drei Jahre vorher, mit den ersten Gerüchten über eine Schließung, habe die Gemeinde die Fühler ausgestreckt. Ab 2015 liefen ernsthafte Verhandlungen mit dem Eigentümer, nun erwarb die Gemeinde die Halle und 23 Hektar Fläche. "Die Sendemasten im Umfeld sind weiterhin für den Betrieb vorgesehen." Das habe mit der Gemeinde nichts zu tun.

Auch werde es auf der erworbenen Fläche keine Windkraft geben und keine Fotovoltaik, betonte Gillo. "Wir erstellen ein neues innovatives Energiekonzept, das zu etwa 70 Prozent steht."

Wie konnte die Sanierungsgemeinde Überherrn überhaupt dieses Geschäft abschließen? "Der Kaufpreis beträgt 120 000 Euro", antwortete Gillo. "Dazu gibt es 50 Prozent Bedarfszuweisung des Innenministers." Auf der anderen Seite habe er beispielsweise die Effizienz seiner Verwaltung erhöht. Die Situation werde insgesamt besser. Auch sei die Sendehalle nicht einfach ein Projekt der Gemeinde, es strahle auf Saarlandebene aus. Dabei werde man mit vielen zusammenarbeiten und Fördermittel nutzen.

Kultusminister Ulrich Commerçon habe eine interministerielle Arbeitsgruppe eingerichtet, ergänzte Denkmalschützer Böcker. Denn dieses besondere Gebäude solle erhalten bleiben, bei Nutzung der Chancen, die es biete. In den nächsten vier Monaten entstehe dafür das Grundgerüst, sagte Gillo weiter. Dazu gehöre unter anderen eine Machbarkeitsstudie und Baudokumentation.

"Wir haben uns ein Jahr Zeit gegeben, ein tragfähiges Nutzungskonzept zu entwerfen." Aber schon jetzt gebe es eine Vielfalt möglicher Ideen. Darunter Eventgastronomie, Konzerte, Oper und Musical. Eine kulturhistorische Vermarktung könne er sich ebenso vorstellen wie ein Kongresszentrum und Sportangebote. Dieser kulturelle Teil sei getrennt vom Kulturleben der Gemeinde, versicherte Gillo. Denn "hier an dieser ganz speziellen Stelle muss etwas ganz Großes entstehen".

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 Der frühere Sendertechniker François Melcion besucht noch einmal die Schaltzentrale von Europe 1.

Der frühere Sendertechniker François Melcion besucht noch einmal die Schaltzentrale von Europe 1.

 Bernd Gillo (rechts) mit François Melcion im früheren Büro des Sendeleiters.

Bernd Gillo (rechts) mit François Melcion im früheren Büro des Sendeleiters.

Auf einen Blick Der Sender Europe 1 bei Felsberg-Berus ging am 1. Januar 1955 auf Sendung. Die auffällige Halle erinnert an versteinerte Muscheln. Sie sollte ursprünglich näher bei Felsberg entstehen, mit der Glasfassade zum Saartal. Dies scheiterte an Bedenken Felsbergs. Das Programm kam von Paris und wurde per Langwelle bis Nordafrika ausgestrahlt. Seit 1999 steht die Halle unter Denkmalschutz. Die Sendehalle wurde am 19. Oktober 2015 abgeschaltet. Neuer Besitzer ist seit 1. August 2016 die Gemeinde Überherrn. az

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