Marathonsitzung in Überherrn Nach hitziger Debatte zu SVolt: Pläne für Batteriewerk nehmen Hürde – und das war äußerst knapp (mit Bildergalerie)
Überherrn · Das Planungsverfahren für die SVolt-Batteriefabrik in Überherrn kann weitergehen. Am Dienstagabend stimmte der Gemeinderat von Überherrn nach mehr als fünfstündiger Debatte mit knapper Mehrheit dafür. Dem vorausgegangen waren Bürgerbeteiligung und noch am Tag selbst eine weitere Protestaktion der Gegner.

SVolt-Debatte: Fotos von der Demo und Gemeinderatsversammlung in Überherrn
Die geplante SVolt-Ansiedlung auf dem Linslerfeld bei Überherrn hat eine erste planungsrechtliche Hürde genommen. Der Gemeinderat von Überherrn stimmte am Dienstagabend, 12. Juli, mit knapper Mehrheit für die so genannte Abwägung der eingegangenen Stellungnahmen, die im Rahmen der frühzeitigen Bürgerbeteiligung zu dem Planungsvorhaben eingegangen waren. Hätte der Rat mehrheitlich gegen diese Abwägung gestimmt, wäre das Planungsverfahren damit frühzeitig gescheitert gewesen.
Noch stehen weitere Entscheidungen vor dem Bau der SVolt-Batteriefabrik an
Nun aber können die Abwägungsvorschläge in die im April vorgelegten Planunterlagen eingearbeitet werden. Sodann steht der nächste Verfahrensschritt an: die so genannte Offenlage. Dann werden die Planungsunterlagen (es geht hierbei um eine Teiländerung des Flächennutzungsplanes sowie die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes) erneut öffentlich ausgelegt, wieder können Betroffene hierzu Stellungnahmen einreichen. Erst mit der Offenlage beginnt das eigentliche Planungsverfahren, an dessen Ende der so genannte Satzungsbeschluss steht. Mit diesem würde dann Baurecht für die geplante Batteriefabrik geschaffen.
Obwohl der jetzige Beschluss also eher einen Zwischenschritt im Planungsverfahren darstellt, wurde bei der Sitzung am Dienstagabend kontrovers und zeitweise auch lautstark diskutiert – und das fast fünfeinhalb Stunden lang. Zu Beginn der Sitzung ergriffen unter dem Tagesordnungspunkt „Bürgeranhörung“ Vertreter der beiden Bürgerinitiativen (BI), die sich gegen das Vorhaben zur Wehr setzen, das Wort – und das allein weit über eine Stunde lang.
Mehr als eine Stunde sprechen SVolt-Gegner während der Gemeinderatssitzung
Verschiedene Redner sprachen nochmals die Themen an, wegen derer sie die Ansiedlung vehement bekämpfen. Ein Hauptkritikpunkt war der hohe Wasserverbrauch der Batteriefabrik. Hier stellten mehrere BI-Vertreter die vorgelegten hydrogeologischen Gutachten in Frage, die zu dem Schluss gekommen waren, dass die rund um das Linslerfeld zur Verfügung stehenden Grundwasservorkommen ausreichen, um den Betrieb der Fabrik zu gewährleisten.
Auch die befürchtete zusätzliche Verkehrsbelastung, der Landschaftsverbrauch und die Auswirkungen auf das nahe gelegene Fauna-Flora-Habitat-Schutzgebiet Warndtwald waren Kritikpunkte. „Das Landschaftsbild und der ländliche Charakter dieser Gemeinde wird auf Generationen unwiederbringlich zerstört“, sagte einer der BI-Vertreter.
Auch während der Ratsdebatte ging es kontrovers zu im Kulturhaus in Überherrn, wo rund 300 Bürger die Sitzung verfolgten und ihr Missfallen sowie ihre Zustimmung zu einzelnen Redebeiträgen über weite Teile des Abends unüberhörbar zum Ausdruck brachten. Bereits im Vorfeld hatte es vor dem Kulturhaus eine Demonstration der Bürgerinitiativen gegen die Ansiedlung gegeben.
Schon vor dieser Entscheidung waren Bürger an der geplanten SVolt-Ansiedlung in Überherrn beteiligt
Nach dem Start der frühzeitigen Bürgerbeteiligung mit einer Informationsveranstaltung Mitte April, bei der die für das Planungsverfahren notwendigen Fachgutachten vorgestellt worden waren, konnten Behörden, Institutionen, Verbände, benachbarte Kommunen (so genannte Träger öffentlicher Belange), aber auch Bürger Stellungnahmen und Einwendungen zur Planung einreichen.
Die beiden Planer Andreas Jacob und Dominik Bauer vom zuständigen Kaiserslauterner Planungsbüro Firu stellten das Ergebnis der frühzeitigen Bürgerbeteiligung vor. Demnach habe es von Seiten der angefragten Träger öffentlicher Belange 27 Stellungnahmen zur geplanten Teiländerung des Flächennutzungsplanes gegeben, zum Bebauungsplan wurden 33 Stellungnahmen eingereicht.
„Es gab seitens der Behörden aber keine Stellungnahmen, welche eine so gravierende Planänderung erfordert hätten, dass die zu einem Scheitern der Planung führen würde“, sagte Jacob. Dominik Bauer ergänzte, in den meisten Fällen habe es sich um redaktionelle Änderungen in den Planunterlagen gehandelt, etwa weil falsche Bezeichnungen verwendet worden seien.
SVolt-Bebauungspläne: Das ist die Einschätzung der Experten zu den Stellungnahmen
Die 74 Stellungnahmen, die von Privatleuten eingereicht worden waren, bezogen sich nach Angaben von Bauer nahezu ausschließlich auf das Verfahren zur Erstellung eines Bebauungsplanes. Auch hier sei die Bewertung der Fachplaner eindeutig, so Bauer: „Aus den eingereichten Stellungnahmen ergibt sich aus unserer Sicht kein Planänderungsbedarf.“
Die eingereichten Gutachten „bestätigen die grundsätzliche Verträglichkeit des Vorhabens“, ergänzte Andreas Jacob. Nun sei auch bekannt, zu welchen Punkten es noch eventuell weiteren Untersuchungsbedarf gebe. Damit sei nun eine „Phase der Bewusstseinsfindung und Bewusstseinserweiterung“ abgeschlossen, das Planverfahren könnte in den nächsten Schritt gehen. Jacob: „Wir bitten den Gemeinderat, sich mit den umfangreichen Abwägungen auseinanderzusetzen und diese nach seinem Ermessen zustimmend zur Kenntnis zu nehmen.“
Das sagt die SPD im Gemeinderat Überherrn
Für die SPD-Fraktion signalisierte deren Vorsitzender Ralf Cavelius auch die erbetene Zustimmung. Er sagte, die Abwägung der Stellungnahmen durch das Planungsbüro habe „keine Ausschlusskriterien“ für die Ansiedlung zum Vorschein gebracht. Cavelius räumte ein, dass die Verkehrsbelastung durch die Ansiedlung zunehmen werde. „Aber ein Großteil dieses zusätzlichen Verkehrs wird über die B 269 abgewickelt.“ Die Leistungsfähigkeit der vorhandenen Straßen reiche für die zu erwartende Mehrbelastung aus.
Auch die von BI-Seite befürchteten negativen Auswirkungen auf das Grundwasser könnten vermieden werden, befand Cavelius: „Wir beziehen das Wasser nicht nur aus unseren Brunnen, sondern schon länger über einen großräumigen Verbund.“ Die entsprechenden Fachgutachten seien zu dem Ergebnis gekommen, dass der geschätzte Gesamtwasserbedarf der Gemeinde nach Realisierung der Ansiedlung von acht Millionen Kubikmeter Wasser im Jahr durch die bestehenden Wasservorkommen gedeckt werden kann.
Kritik der SPD an der Debatte der Bürgerinitiativen gegen SVolt
Die Beeinträchtigungen durch Lärm und Abgas-Emissionen seien weit weniger gravierend als bei anderen Industrieanlagen. Cavelius warf den Bürgerinitiativen vor, eine „vergiftete Debatte“ führten, in der sie „gezielte Desinformationen“ verbreiteten. Auch betrieben die Bürgerinitiativen eine regelrechte „Hatz“ auf die Gemeinderatsmitglieder, kritisierte Cavelius. Er verwahrte sich auch gegen den von BI-Seite verwendeten Begriff einer Chemiefabrik, die auf dem Linslerfeld entstehen solle. „Das wird eine Batteriefertigung, wir bekommen hier kein BASF light“, sagte Cavelius.
So sieht die CDU die geplante Ansiedlung der SVolt-Batteriefabrik
Kritischer sah Manuel Speicher, Vorsitzender der CDU-Fraktion, die Auswirkungen einer möglichen Ansiedlung: „Ob die B 269 dem Verkehrsaufkommen standhält, das auf uns zukommt, das wage ich zu bezweifeln“, urteilte Speicher. Die CDU stelle nicht in Abrede, dass die Gutachten das Projekt SVolt verfahrenstechnisch korrekt begleitet haben. Allerdings fehlten immer noch wichtige Informationen, die die CDU schon ganz zu Beginn des Planungsverfahrens im April 2021 als essenziell bewertet hatte.
„Für uns ist ein maßgebliches Erfordernis, das wir wissen, welche Stoffe auf dem Gelände gelagert werden“, sagte Speicher. Diese Informationen seien sowohl die Gemeinde als auch SVolt selbst bis heute schuldig geblieben. Auch zweifelte Speicher an, ob die Prüfung möglicher Standort-Alternativen wirklich so umfassend gewesen ist, dass allein das Linslerfeld als bestmöglicher Standort übrig geblieben ist.
CDU stellt sich hinter Kritik der Bürgerinitiativen
Der CDU-Vertreter teilte die kritische Position der Bürgerinitiativen hinsichtlich der Auswirkungen auf die Trinkwassersituation: „Wir reden heute Abend über die Frage, ob wir bereit sind, ein Vorranggebiet für Trinkwassergewinnung zu opfern.“ Die Mitglieder des Gemeinderates seien nur dem Wohl der Bürger verpflichtet und hätten zudem die Belange des Natur- und Umweltschutze zu berücksichtigen, sagte Speicher.
Um dies abschließend zu beurteilen, fehlten aber immer noch die angesprochenen Angaben zu den für die Produktion eingesetzten Stoffen. „Darum gibt es für uns nur eine Konsequenz: diesen Beschlussvorschlag abzulehnen“, sagte Speicher unter dem Beifall der meisten Besucher.
So reagieren die Grünen auf die Pläne im Gemeinderat
Für die Grünen-Fraktion präsentierte Marcus Guldner einen Fragenkatalog, den seine Fraktion im Laufe der weiteren Planung und bis zu einem nächsten Beschluss des Gemeinderates beantwortet sehen möchte. Darunter zählt etwa eine klare Aussage der Landesregierung zur Reaktivierung der Bisttalbahnstrecke, durch die das SVolt-Areal auch an das Eisenbahnnetz angeschlossen werden könnte. Dazu zählten aber auch Fragen über die genaue Mitarbeiterzahl, die Arbeitsbedingungen und die Entlohnung für die Beschäftigten in dem Werk.
Mit einer Ausnahme signalisierten der Grünen-Vertreter indes Zustimmung zum Abwägungsvorschlag und damit zur Weiterführung des Verfahrens. Gänzlich ablehnend äußerte sich hingegen Grünen-Fraktionsmitglied Esther Woll, die betonte, sie werde gegen die Abwägung stimmen. „Ich befürchte, wir graben dem Wald das Wasser ab“, nannte sie einen der Gründe für ihre Position. Sie sehe durch die Ansiedlung ein „massives Problem mit der Wasserversorgung auf uns zukommen“.
So verlief die Abstimmung im Gemeinderat
Auf Antrag von Ralf Cavelius wurde am Ende der mehrstündigen Debatte geheim abgestimmt. Dabei gab es bei beiden Verfahrens-Bestandteilen (Teiländerung des Flächennutzungsplanes und Erstellung eines Bebauungsplanes) jeweils 16 Ja-Stimmen bei zwölf Nein-Stimmen im Rat. In dem Gremium hat die SPD 15 Sitze, die CDU zwölf, die Grünen-Fraktion besteht aus vier Personen, hinzu kommen zwei Vertreter der Linkspartei. Allerdings waren bei der Sitzung am Dienstagabend wegen Krankheitsfällen nur 28 Ratsmitglieder anwesend.