So schwierig wie das ABCSo schwierig wie das ABC

Dillingen. "N", "Nagel", "Nagel" sprechen alle im Chor. Es sind keine Grundschüler. Lesen und Schreiben üben hier Erwachsene, die es nie gelernt haben. Ihre Zahl wird oft unterschätzt

Dillingen. "N", "Nagel", "Nagel" sprechen alle im Chor. Es sind keine Grundschüler. Lesen und Schreiben üben hier Erwachsene, die es nie gelernt haben. Ihre Zahl wird oft unterschätzt. Rund vier Millionen Erwachsene in Deutschland haben massive Probleme mit dem Lesen und Schreiben, schätzt der Bundesverband für Alphabetisierung. Auch in Dillingen ist die Quote hoch, hat Sprachtrainerin Christel Joppich erfahren. Die Chefin der Saarlouiser Schule "Sprachenwelt" hat ein LOS-Mikroprojekt gestartet, das vor allem Menschen mit Migrationshintergrund helfen soll, diese Barriere zu überwinden. Der Andrang auf den Kurs war mit weit über 20 Anmeldungen so groß, dass Joppich ihre Schüler in zwei Kurse aufteilen musste und einige nicht aufnehmen konnte. LOS steht für "Lokales Kapital für Soziale Zwecke", ein Programm das der Landkreis Saarlouis mit Geld von EU und Bund koordiniert. AlphatrainingZum "Alphatraining" treffen sich die Männer und Frauen jeden Alters seit Januar montags und donnerstags im Freundschaftszentrum des Dillinger Rathauses. Besonders junge Frauen haben die Chance genutzt: Während sie selbst die Schulbank drücken, kümmert sich eine Erzieherin um ihre Kinder und fördert so auch diese Kinder in der deutschen Sprache. Konzentriert versuchen die Teilnehmer dem Unterricht zu folgen. Deutsch ist gar nicht so einfach. Schwierig ist auch die unterschiedliche Aussprache der Buchstaben im Alphabet und im ganzen Wort. Joppich spricht vor, langsam aber deutlich. Ihre Schülerinnen und Schüler sprechen nach: "Garten - Garten, Fenster - Fenster, Tür - Tür, Baum - Baum. Die Themen kommen aus der Lebenswelt der Schüler. An der Tafel steht ein Bild. Und immer wieder werden die Wörter wiederholt, immer wieder und wieder. Jetzt kontrolliert Christel Joppich die Hausaufgaben. Mit ihren Schützlingen geht sie die Übungen im Buch noch einmal durch, zum Beispiel Bilder von Gegenständen, deren Name man aufschreiben muss. Manchen fällt es leichter, andere malen angestrengt die Wörter hin.SchriftwechselDiese Migranten haben zum Teil in ihrem Heimatland Lesen und Schreiben gelernt, wie zum Beispiel eine 42-Jährige aus Marokko. Sie arbeitet seit vielen Jahren bei der Dillinger Hütte und ist bislang gut klar gekommen. "Aber wir bekommen jetzt einen Computer", erklärt sie. Und beim Bedienen eines deutschen Computers sind Kenntnisse der arabischen Schrift nicht von Nutzen. Ein anderer Teilnehmer stammt aus Vietnam. Auch er hat es schwer, ist Vietnamesisch doch eine Tonsprache und unterscheidet sich dadurch grundsätzlich vom Deutschen. Eine Teilnehmerin aus der Türkei hat nie richtig lesen und schreiben gelernt. Dies sei übrigens in vielen ländlichen Gebieten dort die Regel, sagt Joppich. Vor allem die Mädchen werden bereits als Kinder für die Arbeit im Haushalt und auf dem Feld herangezogen und bekommen wenig Gelegenheit für den Unterricht. "Auch junge Männer haben in manchen Ländern nur vier bis sechs Jahre die Schule besucht", weiß sie. Klappt richtig gutJetzt allerdings, nach einigen Monaten Alphatraining, klappt es bei fast allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern schon richtig gut mit dem Lesen und Schreiben. Zumindest so, dass es ihnen den Alltag erleichtert. Damit sie bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, wäre im Anschluss an das Alphatraining eine Aufbauschulung ratsam, empfiehlt Joppich. redMehr Informationen bei Christel Joppich unter Telefon (06831) 460877.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort