Überherrn/Merten. Wo sind hier die Fäden versteckt? Warum fällt der Stab nicht runter? Ein unbedarfter Augenzeuge einer Twirling-Kür ist baff. Wie locker und sicher Selina Jost den 90 Zentimeter langen Metallstab durch die Hände gleiten und um Ellbogen und Nacken rotieren lässt, ist bemerkenswert. Pirouette, Grätschsprung, flinker Armzug - schon wirbelt der mit Gummi-Kappen versehene "Baton" Richtung Hallendecke. Dessen Flugzeit überbrückt die 15-Jährige aus Überherrn mit einer Rolle am Boden. Bevor das Übungsgerät aufs Parkett knallen kann, schnellt ihre rechte Hand nach vorn und packt zu. Geschafft! Drehung, Ausfallschritt - Lächeln nicht vergessen. Die Kür ist im Kasten, die Französische Meisterschaft kann kommen. Schnell ins Hobby verliebtVier Mal pro Woche, so erzählt Selina, habe sie sich in der Sporthalle Merten auf ihren Start in Bordeaux vorbereitet. Mit ihren Vereinskameradinnen vom lothringischen Twirling-Club Merten. "Twirling ist eine Mischung aus Eiskunstlauf ohne Eis, Rhythmischer Sportgymnastik, Akrobatik und Jonglieren, also unglaublich vielseitig", schwärmt die Realschülerin, die früher den deutsch-französischen Kindergarten in Merten besuchte. Dort hat sie auch ihr in Deutschland kaum bekanntes Hobby entdeckt. In einer Gruppenstunde hatten die Ortsvereine den Kindern ihren Sport vorgestellt, unter anderem Twirling. "Das Jonglieren mit dem Stab hat mich sofort begeistert", erinnert sie sich. Schnell wurde sie Mitglied im Verein. Es dauerte nicht lange, bis sich die ersten Turnier-Erfolge einstellten. Grenoble, Orl&;ans, Atlantikküste - Selina kam ganz schön rum.Ihr größter Erfolg war ein dritter Platz mit dem Team bei den Französischen Meisterschaften in Saargemünd. "Ich habe ihr Talent gleich erkannt", erinnert sich Trainerin Christiane Zimmer, "Selina war lernwillig und sehr geduldig." Bis erste Drehungen und Würfe mit dem Baton sitzen, braucht es regelmäßiges Training. Blaue Flecken von tief fliegenden Stäben und Muskelkater sind dabei keine Seltenheit. In Bordeaux wird Selina am Wochenende in der Kategorie 3 starten und ihre einstudierten "fujimis" (Ellbogen-Rollen), "ejections" (Würfe) und "neckrolls" (Rollen um den Hals) zeigen.

StichwortTwirling ähnelt der Rhythmischen Sportgymnastik allerdings ohne Keule oder Band. Übungsgerät ist der "Baton", der in der Hand gedreht, um den Körper gerollt und in die Luft geworfen wird. Dabei muss der 90 bis 110 Zentimeter lange Metallstab in den von Musik begleiteten Übungen ständig in Bewegung bleiben. Ursprungsland ist Amerika, wo Twirling auch an Schulen unterrichtet wird und sehr beliebt ist. ros