Hüttersdorf Hüttersdorfer Erzähler Oliver Gall taucht in Märchenwelt ein

Hüttersdorf · Seit 2017 erweckt der Märchenerzähler Oliver Gall aus Hüttersdorf die Geschichten der Vergangenheit und die Tradition des Erzählens wieder zum Leben.

Oliver Gall umrahmt seine Märchen mit Musik.

Oliver Gall umrahmt seine Märchen mit Musik.

Foto: Sandra Mißler

„Es war einmal“ – dieser Satz gehört zu den bekanntesten Sätzen unserer Sprache und unseres Kulturkreises. Jeder, der diesen Satz schon einmal gehört hat, weiß, dass dieser Satz eine Einladung ist – eine Einladung für einen kurzen Moment die reale Welt zu verlassen und den Eintritt in eine andere, fantastische Welt, in die Märchenwelt zu wagen.

Und Oliver Gall aus Hüttersdorf-Buprich hält den Schlüssel für diese magische Welt in der Hand, denn er tritt seit 2017 als Märchenerzähler auf und erklärt, was eine Märchengeschichte ausmacht: „In jedem Märchen gibt es einen Eröffnungssatz und einen Schlusssatz. Und natürlich hat jede Geschichte einen Spannungsbogen und am Schluss immer einen Clou, auch wenn es nur die Prinzessin ist, die gewonnen ist. Bei den Weisheitsmärchen ist es dann meist ein Aha-Effekt“.

Mythen und Sagen interessieren den 53-Jährigen, seit er ein kleiner Junge ist, und er erzählt: „Wir sind im Saarland sagenmäßig sehr gut aufgestellt und das ist auch einer meiner Anfänge. Meine Eltern hatten das Buch ‚Die Sagen der Saar‘ von Karl Lohmeyer im Auto und am Wochenende sind wir zu den Handlungsorten gefahren.“

Die Märchen der Gebrüder Grimm und die Geschichten der nordischen und griechischen Mythologie durften in seinem Bücherregal auch nicht fehlen. Neben seiner Leidenschaft für Geschichte(n) ist der Hüttersdorfer seit seiner Kindheit auch aktives Mitglied bei den Pfadfindern. Vor einigen Jahren wurden dann bei einem großen Bundeslager in der sogenannten Märchenjurte, einem großen Zelt, Geschichten erzählt, unter anderem von Martin Ellrodt, einem international agierenden Märchenerzähler.

Fasziniert von der Erzählkunst und der Atmosphäre erarbeitete sich Gall zurück zu Hause sein erstes eigenes Märchen, erzählte es und das Märchenerzählen begann seine Kreise zu ziehen. Heute zählen zu seinem Repertoire 62 Märchen, wovon er 30 bis 40 aus dem Stegreif erzählen kann, wie etwa Zaubermärchen, keltische, jüdische, orientalische und saarländische Märchen.

„Märchenerzählen ist das kleinste Theater der Welt“, sagt Gall, der beispielsweise auf Hochzeiten, Geburtstagen und Märkten auftritt oder Sagenwanderungen, wie den Erlebnisspaziergang am Litermont am 28. September, veranstaltet durch die Katholische Familienbildungsstätte Saarlouis, leitet. „Es ist mein Hobby und in diesem Rahmen möchte ich es auch weiterführen“, sagt Gall, der hauptberuflich im Kundendienst bei der Telekom arbeitet.

Doch sieht man Gall während eines Auftritts, weist nichts davon auf ein einfaches Hobby hin.

Stattdessen wird dem Zuhörer eine professionelle Darbietung geboten, bei der in jedem Detail eine Menge Überlegungen stecken, angefangen bei den Geschichten selbst: „Bei Heranwachsenden sind Entwicklungsmärchen, wo jemand einen Weg beschreitet, reift, eine Probe besteht, sehr sinnvoll. Bei Erwachsenen sind es oftmals Weisheitsmärchen“, erklärt Gall und sagt weiter, dass der Erzähler auch eine große Verantwortung trägt, da die Stoffe der Geschichten Saiten in einem Zuhörer zum Klingen bringen können, die sehr emotional sind. Deshalb wählt er seine Märchen immer mit Bedacht für das Publikum aus.

Diesem tritt er bekleidet mit einer Hirtentracht und Tiroler Hut entgegen und auch hier ist nichts dem Zufall überlassen, ist sein Kostüm doch ein Verweis auf seine eigene Geschichte: auf seinen Urahnen Martin Gall aus Tirol, der 1731 auf der Walz seine spätere Ehefrau in Hüttersdorf kennenlernte.

Ein Nachfahre aus dieser Verbindung heiratete dann später in die örtliche Hirtendynastie ein.

Des Weiteren bringt Gall zahlreiche Musikinstrumente mit, wie etwa eine Gebetsflöte, ein Krummhorn oder ein deutscher Dudelsack. Diese kommen zwischen den Märchen zu Einsatz, damit die einzelne Geschichte wirken und reifen kann.

Bei den meisten Auftritten ist auch Galls Frau Sabine dabei, mit der er sich dann im Nachhinein über seine Performance und die Reaktionen der Zuhörer austauscht. „Ich erlebe meinen Mann als sehr selbstsicher bei den Auftritten, weil er das, was er tut, sehr gerne macht und mit seinem ganzen Herzblut dabei ist“, sagt Sabine Gall.

Für die Zukunft wünscht sich Gall, dass sich im Saarland ein Stammtisch für Erzähler gründet, bei dem sich Laien treffen, sich über Märchen und Sagen austauschen und natürlich erzählen. Eine Kontaktaufnahme diesbezüglich ist bei Oliver Gall unter Telefon (01 71) 6 53 05 04 erwünscht.