Ehrenamt „Ein ganz großes Stück Freiheit“
Primsweiler · „Vorher bin ich wenig rausgekommen und war immer angewiesen auf andere“, sagt Ursula Gross-Binz. Doch seit drei Jahren ist sie als Kulturgenießerin beim Kulturschlüssel Saar angemeldet. Dieses Projekt bringt in der Mobilität eingeschränkte Menschen mit Kulturbegleitern zusammen, die sie im Auto mitnehmen zu Konzerten und anderen Veranstaltungen im Saarland, und dafür dort freien Eintritt haben.
„Kulturspender“ sind dabei die Veranstalter, die das Projekt mit Freikarten unterstützen.
Der Kulturschlüssel ist für Ursula Gross-Binz „ein ganz großes Stück Freiheit“, betont sie. „Ich finde es richtig toll, dass es das Projekt gibt und ich schwärme auch immer allen davon vor.“ Die 74-Jährige wohnt in Primsweiler, also ohnehin etwas abgelegen, und ist zudem an Multipler Sklerose erkrankt, deshalb nur noch eingeschränkt mobil. Wenige Meter kann sie mit einem Stock als Gehhilfe zurücklegen, bei längeren Wegen ist sie auf den Rollstuhl angewiesen. „Ich kann zum Glück noch selbst Auto fahren“, schildert Gross-Binz, „aber nicht im Dunkeln, also auch nicht abends zu Veranstaltungen. Und ich kann nur noch kurze Wege laufen.“
Zu Hause festsitzen möchte die rührige Seniorin aber auch nicht. „Alt ist man, wenn man sich für nichts mehr interessiert, sag ich immer.“ Auf den Kulturschlüssel aufmerksam geworden ist sie durch eine Zeitschrift der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft. „Ich hab davon gelesen und dann gleich mal angerufen“, erinnert sich die frühere Postangestellte. Das war im Frühjahr 2015 – und seitdem ist Gross-Binz „ständig auf Tour“, erzählt sie freudestrahlend.
Ihr erster Einsatz als Kulturgenießerin war eine Aufführung des Berliner Kriminaltheaters in Lebach, erinnert sie sich. Ganz unterschiedliche Veranstaltungen hat die Primsweilerin mit dem Kulturschlüssel in den vergangenen drei Jahren besucht: Von Theater über Film bis zu Museum und Konzerten. Wie viele genau es waren, kann Gross-Binz nicht mehr zählen. „Aber schon sehr viele. Im Schnitt komme ich schon ein Mal im Monat raus, manchmal auch zwei Mal.“ Am liebsten hört sie klassische Musik, zum Beispiel die Konzerte in der Hochschule für Musik in Saarbrücken.
Das Monatsprogramm des Kulturschlüssels kommt bei ihr immer per Post. „Dann sehe ich mir an, was mir gefallen würde, und meld’ mich für alles an. Und dann schau ich, was klappt.“ Meldet sich ein Kulturbegleiter für dieselbe Veranstaltung, bringt die Organisatorin Susanne Burger die beiden zusammen. Idealerweise liegt Primsweiler für den Kulturbegleiter auf dem Weg. „Aber manche fahren auch Umwege.“
Manche Begleiter hat sie schon mehrfach getroffen, berichtet Gross-Binz; versteht man sich sehr gut, ergeben sich auch mal persönliche Kontakte. „Mit einigen telefoniere ich ab und zu. Und eine Frau stand vor Weihnachten mit Gebäck vor meiner Tür und hat mich besucht – das fand ich wirklich sehr nett.“
Auf den gemeinsamen Autofahrten findet sich immer ein Thema, über das man reden kann, meint Gross-Binz. Sie hat bisher nur gute Erfahrungen mit ihren Begleitern gemacht: „Sie waren alle sehr nett und aufmerksam. Und man lernt ganz unterschiedliche Menschen kennen.“
Gross-Binz ist rundum glücklich mit dem ehrenamtlichen Angebot. Wünschen würde sie sich nur, „dass es mehr Kulturbegleiter aus dem ländlichen Raum gibt und mehr Veranstaltungen für den Kulturschlüssel im Raum Lebach“.
