Fairness am Arbeitsplatz „Jeder ist für sich selbst verantwortlich“

Hüttersdorf · Probleme am Arbeitsplatz? Betroffene können in der Selbsthilfegruppe „Mehr Fairness am Arbeitsplatz“ zuhören und erzählen.

.

.

Foto: SZ

Probleme am Arbeitsplatz sind so alt wie die Arbeit selber, aber es zeichnet sich doch ab, dass der „Wind rauer“ geworden ist, dass die Probleme heftiger und häufiger werden und sehr viel Elend innerhalb unserer Gesellschaft verursachen. Die Art und Weise wie andere miteinander am Arbeitsplatz umgehen, wie man untereinander am Arbeitsplatz miteinander umgeht, zeigt auch, in welch einem Zustand sich unsere Gesellschaft aktuell befindet. 

Ständig wird zudem darüber geklagt wie bereits Kinder miteinander umgehen, soweit das inzwischen durch ständigen und unangemessenen Gebrauch stark entwertete Wort „Mobbing“ wird seit Jahren in den Medien nur noch im Kontext zu Problemen unter Schülern genannt.

Wenn Kinder schon untereinander so miteinander umgehen, wie sollen dieselben als junge Erwachsene bessere Lösungen finden und wenn die Eltern am Arbeitsplatz solche Umgangsformen pflegen, wie sollen nachfolgende Generationen andere Wege finden?

Mehr Fairness ist gefragt und das zu fordern, dabei aber auch selber mitzumachen, das ist auch ein Anliegen von Dieter (51), der die Selbsthilfegruppe „Mehr Fairness am Arbeitsplatz“ ins Leben gerufen hat.

Er erzählt, warum er die Gruppe gegründet hat. „Da ich mehrere Jahre lang in einen schweren Arbeitsplatzkonflikt hineingeraten bin und infolgedessen mit Bossing, Mobbing und Straining konfrontiert wurde, kenne ich die damit verbundenen Probleme und ihre Auswirkungen sehr gut. Auf der Suche nach Hilfe habe ich selbst Kontakt zu Selbsthilfegruppen aufgenommen und von dort die wertvollsten Hinweise und die beste Unterstützung bekommen.“

Es sei ihm ein Anliegen, die selbst erhaltene Hilfe auch weiterzugeben unter konsequenter Beachtung des Konzeptes Hilfe zur Selbsthilfe. Zum Selbstverständnis einer Selbsthilfegruppe gehöre es, durch Informations- und Erfahrungsaustausch in einem geschützten Rahmen Möglichkeiten aufzuzeigen, aber auch jedem Mitglied die Möglichkeit zu lassen, diese nach eigenem Gutdünken zu nutzen und die Lösung der damit verbundenen Probleme nach eigenem Ermessen anzugehen.

Der Begriff „Mobbing“ sei in den vergangenen Jahren gnadenlos entwertet worden. Das Wort finde im allgemeinen Sprachgebrauch eine Verwendung, die der eigentlichen Thematik nicht mehr gerecht werde. Im Prinzip gehe es um eine Selbsthilfegruppe gegen „Mobbing am Arbeitsplatz“, aber „ich will trotzdem explizit auf meine Überzeugung hinweisen, dass es notwendig ist, diesen Begriff in den Hintergrund zu verbannen: es geht eigentlich um viel mehr: um Fairness, um gegenseitige Achtung und Unterstützung und auch um allen Phänomenen, die mit Arbeitsplatzkonflikten zu tun haben, ein Forum zu schaffen“.

Es gehe auch darum, die Dinge beim Namen zu nennen und nicht mit einem Überbegriff lapidar abzuwickeln. „Fairness“ sei ein positiver Begriff, „Mobbing“ wecke gleich negative Assoziationen an Opfer, Hilflosigkeit und Schwäche. Dem gelte es auch durch positive Begrifflichkeiten entgegen zu wirken.

 Und wie kann man sich das vorstellen? Wie sieht die Hilfe konkret aus? Dieter: „Mit anderen Betroffen über die eigene Situation reden zu können, kann schon allein viel helfen. Andere Betroffene haben aus der Natur der Sache heraus Verständnis für die Situation anderer, die vergleichbares erlebt haben oder durchleben.

Wer die Problematik aus eigenem Erleben nicht kennt, der kann vieles nur sehr schwer nachvollziehen. Die Selbsthilfegruppe kann einen Raum dafür bieten im geschützten Rahmen in einer verständnisvollen Umgebung darüber zu sprechen und damit auch ein wenig das Umfeld Betroffener entlasten.“

 Eine Selbsthilfegruppe bietet nach Meinung des 51-Jährigen zudem die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch. Niemand sei allein mit seinen Problemen, „es gibt viele andere, die auch betroffen sind“. Gerade bei Arbeitsplatzproblemen sprechen allerdings viele nicht darüber und dafür gibt es viele Gründe. Die da wären? „Angst, Ärger, Neid zum Beispiel.“ Der Initiator der Gruppe berichtet in diesem Zusammenhang von einer alleinerziehenden Mutter, die in einem Altenheim arbeitet. Die Kollegen klauen, was soll sie tun? Mit dem Vorgesetzten reden? Er weiß es, er tut nix, er ist eventuell selbst mit dabei. Soll sie den Job aufgeben, den sie gerade erst angetreten hat und den sie dringend braucht?

Und wer kommt beispielsweise in die Gruppe? Das sei ganz unterschiedlich, berichtet Dieter. Die Leute befinden sich in den verschiedensten Phasen der Entwicklung. Der Erfahrungsaustausch könne dazu beitragen, Ängste zu reduzieren oder Mut machen, um die Initiative zu ergreifen.

Erfahrungen anderer können auch aufzeigen, wie es aus einer schwierigen Situation heraus weiter gehen kann. Wie ist die Sache beispielsweise aus gesundheitlicher oder juristischer Sicht zu betrachten, welche Institutionen bieten für die jeweiligen Probleme Hilfsangebote an. Wie stehen Arbeitskammer, Gewerkschaft, Krankenkassen oder andere Institutionen zu diesen Themen.

Fazit: Auch wenn jeder Geschichte eine andere Basis zugrunde liegt, vieles ist ähnlich oder gar gleich und nicht für jedes Problem muss „das Rad neu erfunden werden“.

Wer schon einiges hinter sich hat, hat eventuell Erfahrungen, die andere weiterbringen. Sicherlich haben viele schon verschiedene Wege aus der Krise herausgefunden oder werden Wege aus der Krise finden. Egal wie die jeweilige Geschichte am Arbeitsplatz endet: das Leben geht weiter, weiß Dieter aus eigener Erfahrung.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort