Erinnerungen an die Ukraine im Krieg

Hüttersdorf · Den jüngsten Krieg in der Ostukraine verfolgt Erhard Becker in den Medien mit besonderem Interesse. Der 93-jährige Hüttersdorfer kennt das Land bestens von seiner Zeit als Soldat im Zweiten Weltkrieg vor über 70 Jahren.

 Als junger Soldat im Alter von 20 Jahren war Erhard Becker bei der Wehrmacht als Fernmelder. Fotos: Dieter Lorig

Als junger Soldat im Alter von 20 Jahren war Erhard Becker bei der Wehrmacht als Fernmelder. Fotos: Dieter Lorig

Immer wenn im Fernsehen Städte genannt werden, wie beispielsweise Donezk, Luhansk, Odessa oder Mariupol werden bei dem rüstigen Senior Erhard Becker aus Hüttersdorf alte Erinnerungen wach an seinen Aufenthalt in der Ukraine von 1941-43. Obwohl damals streng verboten, hat Becker während seines Einsatzes bei der Wehrmacht ein Kriegstagebuch geführt, das er heute noch besitzt. Das Büchlein ist ein Zeitdokument über die Kriegsereignisse in der damaligen Ukraine. So wurde der gebürtige Haustadter zufällig Zeuge einer Massenerschießung von Juden durch die SS in einem ukrainischen Waldlager. Einen handgeschriebenen "Bittbrief", den der damals hingerichtete Jude B. Fiedler in seiner Verzweiflung noch kurz vor seinem Tod geschrieben hatte, bewahrt Becker in seiner Dokumentensammlung auf. "Diese unmenschliche Vorgehensweise der SS, an der wir als einfache Soldaten nichts ändern konnten, bedrückt mich heute noch", gibt Becker zu verstehen.

Schreckliche Geschehnisse

Jedoch überwiegen in den Tagebuchaufzeichnungen des jungen Soldaten trotz des Krieges angenehmere Erinnerungen an die Ukraine. Becker war hinter den Frontlinien als Fernmelder eingesetzt. "Wir mussten Feldfernlinien mit sogenannten Verstärkerfahrzeugen einrichten", erklärt Becker. Zu der damaligen ukrainischen Bevölkerung habe er stets ein gutes und entspanntes Verhältnis gehabt. Noch heute erinnert er sich an eine ukrainische Frau, die ihm das Foto ihres gefallenen Sohnes zeigte. "Du gut, er gut, warum Krieg?", sagte die ukrainische Frau weinend zu dem deutschen Soldaten.

Rückkehr auf Umwegen

 Erhard Becker aus Hüttersdorf, heute 93 Jahre alt, zeigt sein Soldbuch. Viele Dokumente aus der Kriegszeit hat er aufbewahrt.

Erhard Becker aus Hüttersdorf, heute 93 Jahre alt, zeigt sein Soldbuch. Viele Dokumente aus der Kriegszeit hat er aufbewahrt.

Becker hatte Glück und kehrte 1945 unversehrt in seine saarländische Heimat zurück. Zuvor erholte er sich auf einer Isolierstation im südukrainischen Nikolaev von Malaria. Nach seiner Genesung brachten ihn die Kriegsereignisse noch bis ins kaukasische Krasnodar und nach Italien.

Nach dem Krieg arbeitete Becker bis 1984 bei der AOK in Merzig, war zuletzt als Abteilungsleiter tätig. Nach seiner Pensionierung beschäftigte sich Becker in seiner Freizeit über Jahrzehnte mit der Mundartsprache im Raum Beckingen-Haustadt. Hierüber hat er für sich ein Buch mit 200 Seiten geschrieben, das unveröffentlicht blieb. Was mit dem Manuskript und seinen vielen historischen Dokumenten aus der Kriegszeit mal geschehen soll, darüber macht sich der 93-Jährige schon lange Gedanken.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort