Als springe sie selbst aus dem Kinderbuch

Hüttersdorf · Wohl niemand in der ganzen Region bringt kreativer und erfolgreicher Kinder und Bücher zusammen als Christine Sinnwell-Backes. Sie zeigt auch: Begeisterung für Bücher und soziale Netzwerke im Internet passen zueinander.

 Familie Sinnwell-Backes mit Christine und Timo sowie den Kindern Elisa und Julian. Natürlich beim Büchergucken. Foto: H. Jenal

Familie Sinnwell-Backes mit Christine und Timo sowie den Kindern Elisa und Julian. Natürlich beim Büchergucken. Foto: H. Jenal

Foto: H. Jenal
 Christine Sinnwell-Backes bei der Verleihung des Deutschen Lesepreises.Foto: Stiftung Lesen/Amin Akhtar

Christine Sinnwell-Backes bei der Verleihung des Deutschen Lesepreises.Foto: Stiftung Lesen/Amin Akhtar

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Wenn ein Kinderbuch plötzlich zum Leben erwachen könnte, und wenn dann die Figuren herumlaufen würden, dann sähe eine ganz sicher aus wie Christine Sinnwell-Backes. Mit ihren roten Haaren, den blitzenden, funkelnden Augen würde sie zwischen Kindern herumlaufen, die mit Feuereifer Bücher aufbauen. Für den großen Bücherflohmarkt in der Grundschule in Nalbach.

Bis zu 10 000 Bücher, von anderen schon gelesen und dann gespendet, von ihren Eltern monatelang sortiert. Vor zehn Jahren fand der erste statt, um eine kleine Bücherei zu bezahlen in der alten Grundschule in Nalbach. Für Kinder, die gern lesen, schreiben, basteln, "alles, was man so rund ums Buch machen kann. Es kamen viel mehr als gedacht, wir machten gleich zwei Gruppen auf. Bücher bekamen wir auch nach einem Aufruf ,Bücherpaten gesucht", erzählt Sinnwell-Backes, damals Mitte 20. "Wir haben tagelang Zettelchen ausgeschnitten für den Hinweis, wer das Buch gespendet hat." Sie schrieb erfolgreich Verlage an, die Bücher schickten.

Heute lebt sie mit Familie in Hüttersdorf. Im Brotberuf leitet sie die Nachmittagsbetreuung an der Offenen Ganztagsgrundschule Nalbach und sie organisiert nebenher die Lese- und Schreibwerkstatt Nalbach, ein Projekt des Kreises Saarlouis und der Gemeinde, beheimatet in Nalbach. Sechs Gruppen gibt es, im Schnitt sind das 50 Kinder und Jugendliche.

Vor Weihnachten geht es um die Weihnachtsmaus von James Krüss. Das Buch wird vorgelesen, vertont, es entsteht ein Memory-Spiel, es wird gebacken und gemalt und gebastelt, Mäuse zum Beispiel.

Für die Werkstatt gab es kürzlich den Deutschen Lesepreis der Stiftung Lesen, Platz eins in der Kategorie "Herausragendes individuelles Engagement für die Leseförderung". Im Vorlese-Netzwerk der Stiftung Lesen unterhält Sinnwell-Backes eine eigene Kolumne namens "Buchstabensuppe und Backfantasien". Das sind die nächsten Dimensionen: Die leidenschaftliche Leserin hat das Backen und die elektronische Kommunikation entdeckt. So unterhält sie eine Internet-Kommunikation, einen Blog, Titel "Märchenzeit! Backen, (Vor)Lesen, Glücklich sein".

"Das war erstaunlich erfolgreich", sagt sie. Übers Internet laufen auch andere Aktionen, so sammelt sie Strickwolle für Flüchtlinge. Auch mit großer Resonanz.

Ihre "allerallerschönste" Kindheitserinnerung sei die an das Vorlesen, berichtet Sinnwell-Backes. "Abends im Bett, angekuschelt an die Mama, absolut geborgen." Das bleibe für immer. "Ich erinnere mich an manche der Geschichten, da konnte ich alles vergessen und eintauchen." "Das alte Haus" von Wilhelm Matthiesen und Tamara Ramsay ist eins der Lieblingsbücher ihrer Kindheit.

Und wie es erst gewesen sei, als sie in der Schule erlebte, "wie ich aus Buchstaben Wörter gebildet habe und aus Wörtern Sätze."

Überhaupt, die Grundschule in Körprich. "Ich hatte eine tolle Lehrerin, die meine Lesebegeisterung entdeckte. Sie ließ mich Bücher probelesen, die ich dann der Klasse vorstellen durfte."

Nach der Realschule in Saarwellingen bog sie vom Leseweg ab. Sie wurde pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte. Dann entdeckte sie die Lust am Lernen wieder, machte das Abi an der Abendschule nach. Sie studierte Geographie und, da war es wieder, Literaturgeschichte. Beim ersten Staatsexamen hatte sie schon die erste Lesewerkstatt-Gruppen in Nalbach gegründet. Jetzt fragte sie der damalige Nalbacher Bürgermeister Patrik Lauer, ob sie nicht bleiben und die Nachmittagsbetreuung an der Grundschule aufbauen wolle. Sie blieb, derzeit ist sie in Elternzeit. Denn Julian (zwei) komplettiert die Familie, zu der auch Timo Backes (37) und Elisa (fünf) gehören.

Natürlich wird auch in dieser Familie vorgelesen. "Jetzt im Advent Weihnachtsbücher, zu Nikolaus habe ich eine eigene Geschichte geschrieben.

Es ist nicht allein die Freude, mit Kindern zu arbeiten, die in Christine Sinnwell-Backes Augen funkeln. Es sind auch die Bücher selbst. Bücher von Andreas Steinhöfel, Gedichte von Rilke, von Paul Celan, die mag sie. "Celans Gedichte sind chiffriert. Der Zugang ist nicht einfach. Wenn man sich fragt, was er gemeint haben könnte, wird das Gedicht zu einem Kristall mit 100 unterschiedlichen Spiegelungen."

Vielleicht blitzt das in immer neuen Büchern auf, das Versprechen auf neues Geheimnisvolles. "In einem Schloss in Schottland lebte einmal ein junges Gespenst", so hieß ein Lieblings-Bilderbuch der kleinen Christine, als sie anfing zu lesen. Was Christine Sinnwell-Backes anpackt, ist kreativ und klappt. "Vielleicht, weil ich ziemlich effektiv organisiere", sagt sie. Vielleicht auch, weil sie "ein untrügliches Gefühl" hat, wann "es passt, wann es es richtig ist. So ein Kribbeln im Bauch."

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