Zeichen des Innehaltens und Nachdenkens

Saarwellingen · Die Stolpersteine sollen an die jüdischen Bürger erinnern, die vor und nach dem Zweiten Weltkrieg vertrieben worden sind. Darunter war auch Familie Lazar. Edgar Lazar war als Ehrengast bei der Stolpersteinverlegung anwesend.

 An fünf jüdische Familien erinnern die Stolpersteine in der Bahnhofstraße. Foto: Carolin Merkel

An fünf jüdische Familien erinnern die Stolpersteine in der Bahnhofstraße. Foto: Carolin Merkel

Foto: Carolin Merkel

Es ist ein ganz besonderer Moment, als Edgar Lazar das Wort ergreift. "Ich danke allen und versichere, solange wir leben, werden wir dabei sein", erklärt der 80-jährige aus Straßburg, der in seinen Geburtsort zurückgekehrt ist. Mit einer kleinen Gruppe Saarwellinger Bürger darf Lazar miterleben, wie der Kölner Künstler Gunter Demnig in der Bahnhofstraße neben den beiden Stolpersteinen für seine Eltern Theodor und Johanna Lazar auch einen Stein für ihn selbst in das Pflaster einlässt. "Da schießt mir sehr vieles durch den Kopf, ich hatte keine Jugend, keine Heimat, bin 1935 geboren und wäre nach dem Krieg so gerne nach Saarwellingen zurückgegangen, um meinen Traum zu verwirklichen", erzählt Lazar.

Ausgrenzung im eigenen Dorf

Der Traum von einer Autowerkstatt mit dem Namen "Lazar und Söhne ". Doch für seine Eltern , erzählt er, war es nach dem Krieg zu schwierig, wieder zurückzugehen: "Mein Vater war Mechaniker, ist aber auch Taxi gefahren, war im Gesangverein und in der Feuerwehr. Vom einen auf den anderen Tag wurde er ausgeschlossen. Sie sagten: ,Wir mögen dich sehr, doch du bist ein Jude', das war der Anfang vom Ende", berichtet Lazar.

Die Verlegung der Steine für seine Eltern , die beide 1976 verstarben, aber auch die Steine für weitere jüdische Bürger , die einst in der Bahnhofstraße lebten, hält er im Bild fest. "Es tut auch ein bisschen gut, zu sehen, dass wir nicht vergessen sind", sagt er.

Gegen das Vergessen hat Demnig inzwischen schon 55 000 Steine in vielen Städten und Gemeinden verlegt; Steine, die nicht zum Stolpern und Hinfallen, aber doch zum Nachdenken und Innehalten einladen sollen. Zu den 48 Stolpersteinen, die in Saarwellingen bereits das einst aktive Gesellschaftsleben der jüdischen Bevölkerung belegen, kamen am Samstag 20 weitere hinzu.

Jüdische Familien flohen

Neben der Familie Lazar, die am 17.12.1935 nach Forbach floh und nach dem Krieg in Frankreich lebte, wurden für Familie Weiler, Bahnhofstraße 6, vier Steine verlegt. Sowohl Flora Weiler, Jahrgang 1876, als auch Sohn Ernst Emanuel Weiler, geboren 1906, überlebten den Holocaust nicht. Das Schicksal von Metzgermeister Bernhard Weiler, der 1875 geboren wurde, ist ungeklärt, sein Sohn Julius Weiler überlebte den Holocaust und starb 1982 in Forbach. Familie Weiler ging im Februar 1936 nach Luxemburg.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite wohnten die Lazars, ein Stück oberhalb Familie Ucko. Isidor Ucko, Jahrgang 1886, war Mitglied des Saarwellinger Gemeinderates und Präsident des Sängerbundes. Doch auch er musste mit seiner Frau Adele und den drei Kindern Hertha, Heinrich und Arthur am 17. Januar 1936 das gesamte Hab und Gut in der Bahnhofstraße 29 verlassen und nach Frankreich fliehen. Die Brüder Heinrich und Arthur Ucko sind erst vor wenigen Jahren verstorben, sie besuchten Saarwellingen oft.

Tod im Vernichtungslager

Nur ein paar Schritte entfernt lebte Familie Langfelder. Gabriel, geboren 1876, kam aus der Slowakei, seine Frau Klementine stammte aus der Saarwellinger Familie Lazar. Sie betrieben bis 1936 ein Schuhgeschäft, flohen am 4. März 1936 aus Saarwellingen . Das Ehepaar kam in das Vernichtungslager Sobibor in Polen. Sohn Herbert gelang mit Ehefrau Hilde und der Tochter Ingrid die Flucht in die USA.

Drei weitere Steine verlegte Demnig für Familie Löwenstein aus der Bahnhofstraße 37, direkte Nachbarn der Familie Langfelder. Otto Löwenstein stammte aus Dortmund, seine Frau Ernestine war eine geborene Ucko. Sie verdienten ihr Geld mit Vieh und Gemüse, mussten 1937 fliehen, über Köln bis nach Amsterdam. Weder das Ehepaar noch die Tochter Hilde, 1922 geboren, überlebte den Holocaust . Die Eltern starben 1943 im Lager Sobibor, die Tochter kam am 31. August 1942 in Auschwitz ums Leben.

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