Wenn Geschichte lebendig wird

Reisbach · Geschichte an Gleichaltrige vermitteln, das ist das erklärte Ziel der Jungfilmerin Viktoria Wirbel aus Reisbach. Ihr liebstes Motiv ist Günter Georgi, der seinerzeit aus der DDR geflohen ist. Zu sehen sind die Filme auf YouTube.

 Jungfilmerin Viktoria Wirbel hat Günter Georgi vor der Kamera. Foto: Carolin Merkel

Jungfilmerin Viktoria Wirbel hat Günter Georgi vor der Kamera. Foto: Carolin Merkel

Foto: Carolin Merkel

"Das ist das Autogramm von Konstantin II, hier haben wir die Unterschrift von Johannes Heesters , danach kommen die Fußballlegenden Sepp Herberger und Fritz Walter ", sagt Günter Georgi und blättert vorsichtig in dem braunen Büchlein, das vor ihm liegt. Beobachtet wird der 1928 in Senftenberg geborene Wahlsaarländer dabei durch die Filmkamera. Die wird von der 22 Jahre alten Viktoria Wirbel aus Reisbach bedient, sie lässt dem Hauptdarsteller viel Freiraum, lässt ihn aus seinem Leben erzählen.

"Wir haben schon vier Kurzfilme zusammen gemacht und doch gibt es noch unendlich viel, was Günter Georgi mir erzählen könnte. Selbst nach den vielen Gesprächen erfahre ich jedes Mal noch etwas, was ich noch nicht über ihn gewusst habe", sagt die junge Frau.

Sie lässt ihn erzählen, zu Hause schneidet die Hobbyfilmerin, die Mathematik und Deutsch für Lehramt in Saarbrücken studiert, Bilder, aber auch aktuelle und alte Filmaufnahmen in ihrer ganz besonderen Art zusammen. Dass sie dies auf hohem Niveau macht, hat ihr bereits der Landkreis Saarlouis mit der Verleihung des Kulturpreises im Jahr 2013 offiziell bescheinigt.

Georgi, der für seine Fotografien bekannt ist und vielfach ausgezeichnet wurde, 226 Ausstellungen auf der ganzen Welt hinter sich hat und sogar drei Einträge ins Guinness-Buch vorweisen kann, ist auf diese Auszeichnung von Viktoria besonders stolz. Die beiden sind sich nah, fast wie Opa und Enkelin sitzen sie bei Georgi im Wohnzimmer in Niedersalbach.

"Sicher haben wir immer mal wieder was zu diskutieren, doch er ist sehr aufgeschlossen und wir arbeiten gut zusammen", sagt Wirbel über Georgi. Die Zielgruppe ihrer Kurzfilme , die sie in einem eigenen YouTube-Kanal veröffentlicht hat, liegt ganz klar bei der jüngeren Generation. Mit Fingerspitzengefühl ausgewählte Musik und Originaltönen, mit ihrer ganz besonderen Art, die Filme zu schneiden, möchte sie Geschichte vor allem an Gleichaltrige vermitteln.

Bei Georgi wird diese Geschichte lebendig, wenn er erzählt, dann ist er kaum zu stoppen. Ein wahrer Glücksfall für Wirbel sind die unzähligen Fotos, die er als Weltenbummler gemacht hat, aber auch die Filmaufnahmen , die bei seinen Besuchen in der ersten Heimat Senftenberg entstanden sind. Die bisher veröffentlichen Kurzfilme erzählen vom Krieg, von seiner Flucht aus der DDR und seinem Neuanfang im Saarland.

"Ich habe gerne in Senftenberg gelebt und es ist mir nicht leicht gefallen, meine Heimat zu verlassen. Doch nach meinem Freispruch nach 100 Tagen Haft habe ich keine Perspektive mehr gesehen", erklärt er. An den Mauerfall hatte er niemals geglaubt. Doch er eröffnete ihm die Chance, seine 356 Seiten zählende Stasi-Akte zu lesen, mit dabei - Viktoria Wirbel. "Das war schon ein unglaubliches Gefühl. Das kann man sich so gar nicht vorstellen", sagt sie. Wirbel will noch viel Zeitgeschichte mit Georgi festhalten für die nachfolgenden Generationen. "Das wird viel zu wenig gemacht. Und irgendwann wird keiner mehr da sein, der aus dieser Zeit erzählen kann", sagt sie.

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Auf einen BlickViktoria Wirbel hat die Kurzfilme mit Günter Georgi, "Der Humorist von Zelle 53", "Günter Georgi - Impressionen aus dem Schaffen eines Fotomannes", "Günter Georgi - Betrachtungen über den Tod" und "Günter Georgi - Mein Leben zwischen Saarland und DDR" bei YouTube unter "Unser kleines kolossales Filmstudio" veröffentlicht. cim

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