Stufe für Stufe in die neue Ortsgeschichte

Saarwellingen · Unter dem Dach der ehemaligen Kappelschule in Saarwellingen entsteht derzeit ein neues Gemeindearchiv. Das große Sortieren hat begonnen.

 Dennis Fersing, Willi Kessler, Hans Peter Klauck und Bürgermeister Manfred Schwinn (von links) sichten Unterlagen im neuen Saarwellinger Gemeindearchiv. Fotos: Thomas Seeber

Dennis Fersing, Willi Kessler, Hans Peter Klauck und Bürgermeister Manfred Schwinn (von links) sichten Unterlagen im neuen Saarwellinger Gemeindearchiv. Fotos: Thomas Seeber

Ein bisschen sieht man der alten Kappelschule ihr Alter an. Im schummrigen Treppenhaus zeigt sich der ein oder andere Riss im in die Jahre gekommenen Putz. Die Decken sind nicht mehr so ganz gerade und auch die Böden haben augenscheinlich schon bessere Zeiten erlebt.

Das Haus dient derzeit als Anlaufstelle für Vereine. Auf jedem Treppenabsatz sind die Namen anderer Gruppierungen aus der Gemeinde an den Türen zu lesen. Alles ist verschlossen. Am oberen Ende der Treppe ist die Tür geöffnet. Es brennt Licht. Schon in der Tür dringt der Geruch von altem Papier in die Nase - nicht unangenehm, aber deutlich. Die Räume - es fällt sofort auf - sind frisch renoviert. Willi Kessler, Hans Peter Klauck und Dennis Fersing begrüßen unsere kleine Besuchergruppe mit Bürgermeister Manfred Schwinn in ihrem Reich. Gemeinsam arbeiten sie an einem neuen Archiv für ihre Gemeinde. Schwinn begrüßt sie herzlich. Seit seinem letzten Besuch wurde wieder was geschafft. Schon zu seinen Zeiten als Ortsvorsteher habe ihn der Gedanke an eine Überarbeitung des Archivs umgetrieben. "Jetzt bin ich froh und dankbar, dass die drei diese Arbeit übernommen haben", betont Schwinn. Klauck, der als ehemaliger Leiter der Gutbergschule die Schließung des Kappelschulgebäudes miterlebt hat, kennt sich hier gut aus. Er erinnert sich, wie es noch vor ein paar Monaten hier ausgesehen hat. "Manche Akten lagen auf dem Boden. In einem Zimmer gab es einen Wasserschaden." Es musste was passieren. Zusammen mit der KEB wurde eine Lösung gefunden. Eine Gruppe von Flüchtlingen hat die Räume renoviert und dabei geholfen, Möbel aus anderen Gemeindeimmobilien heranzuschaffen, damit die Historiker überhaupt arbeiten konnten. Mittlerweile stehen hier benutzte Schränke aus dem Rektorenzimmer, Tische und Stühle aus der Schule - auch ein paar Regale und Metallschränke haben es in der Kappelschule bis nach oben geschafft. "Wir sind am Vorsortieren", erklärt Willi Kessler. Konkret bedeutet das vor allem, alles vorhandene Material zu sichten, den verschiedenen Themenräumen und dort im besten Fall gleich an der richtigen Stelle einzusortieren. Berge von Akten und Dokumenten aus dem 19. und 18. Jahrhundert - natürlich alles handschriftlich und damit nicht immer einfach zu lesen - stapeln sich hier. Ein paar Schätze haben sie mittlerweile auch gefunden, darunter zum Beispiel einen Hauskalender von 1761. Ungewöhnlich auch der Fund von Personalakten jüdischer Mitbürger, die von der Jahrhunderwende stammen. "Die wurden andernorts meist in den 40er Jahren zerstört", weiß Klauck zu berichten.

Bei ihrer Arbeit hilft eine Bestandsliste von 1993. "Daran sehen wir, was eigentlich da sein müsste", erzählt Kessler. "Unterlagen aus Saarwellingen und Schwarzenholz", ergänzt Kessler. Der Ortsteil Reisbach habe sein eigenes Archiv.

Die große Herausforderung sei es, so beschreiben es die ehrenamtlichen Archivare, die Unterlagen aufzutreiben, die an verschiedenen Stellen in der Gemeinde verstreut lagen und liegen. Selbst einen ominösen Stahl-Safe hat man "von den Panzerknackern des Bauhofs" öffnen lassen, wie Sigrid Bettscheider vom Kulturamt scherzhaft ergänzt. Die Mühe allerdings war in diesem Fall umsonst - der Schrank war leer.

Dennis Fersing kümmert sich derzeit um die Digitalisierung einzelner Dokumente. "Rund 850 Bilder sind schon online verfügbar", erzählt er. Das nächste große Projekt ist die Digitalisierung von rund 4000 Karteikarten mit Meldedaten. Keine Dokumente sollen mehr verloren gehen - könnte das gemeinsame Motto der engagierten Truppe lauten. Und deshalb hat sie auch eine Bitte an die Mitbürger: Wer zu Hause oder bei Haushaltsauflösungen alte Bilder, zum Beispiel von Häusern, Schulklassen, Familien und Vereinen, Fotos aus dem Krieg oder Feldpost hat oder wer Postkarten Totenbildchen, Urkunden, Chroniken und Festschriften zu Hause hat, möge sich bitte melden oder die Funde in der Kappelschule vorbeibringen (siehe Auf einen Blick). "Zu viel droht verloren zu gehen, wenn Sachen einfach weggeworfen werden", lautet der Appell des Bürgermeisters.

Mindestens zweimal die Woche verbringen sie einen Vormittag beim Sichten der alten Unterlagen. Wie lange sie noch brauchen werden, bis alles sortiert und katalogisiert ist, wissen sie nicht. "Vielleicht zwei Jahre oder länger", wagt Willi Kessler eine erste vorsichtige Prognose. Dann aber soll das Archiv auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, vielleicht sogar in einem eigenen Bereich in einer neuen Saarwellinger Festhalle. Bis es aber Zeit für den Umzug ist, führt der schrittweise Weg in die Saarwellinger Geschichte Stufe für Stufe unters Dach der alten Kappelschule.

Zum Thema:

 Jede Menge Akten warten noch darauf, entziffert, katalogisiert und schließlich eingeordnet zu werden.

Jede Menge Akten warten noch darauf, entziffert, katalogisiert und schließlich eingeordnet zu werden.

Kontakt zum Archiv in Saarwellingen Die Archivare in der Kappelschule sind immer dienstags von 9.30 Uhr bis 12 Uhr vor Ort und nehmen Funde entgegen (Eingang hinten links). Alte Fotos und Urkunden werden digitalisiert und bei Bedarf auch gerne wieder zurückgegeben. Wer nicht selbst in die Kappelschule kommen kann oder mag, kann auch einen Besuchstermin vereinbaren. Dann kommen H. Peter Klauck, Telefon (01 71) 9 95 56 23, Willi Kessler, Telefon (01 70) 2 22 56 56 oder Dennis Fersing, Telefon (0 68 38) 9 00 71 34) gerne vorbei. Dokumente gibt's im Internet auf der Webseite: www.bildarchiv -saarwellingen.de

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