Stolpersteine Saarwellingen verlegt neue Stolpersteine

Saarwellingen · Saarwellingen war einst eine der größten jüdischen Gemeinden. Acht weitere Stolpersteine erinnern nun dort an das Schicksal der Mitbürger.

 Der Kölner Aktionskünstler Gunter Demnig hat gestern acht Stolpersteine in der Saarwellinger Gutbergstraße vor der ehemaligen Wohnstätte der Familie Lazar verlegt.

Der Kölner Aktionskünstler Gunter Demnig hat gestern acht Stolpersteine in der Saarwellinger Gutbergstraße vor der ehemaligen Wohnstätte der Familie Lazar verlegt.

Foto: Johannes A. Bodwing

Regengraues Wetter begleitete am Dienstagmorgen die Verlegung von elf weiteren Stolpersteinen in Saarwellingen. Auch nach der Pogromnacht auf den 10. November 1938 soll die Witterung unwirtlich gewesen sein. Damals karrten Nazis die letzten 18 Juden des Ortes zur französischen Grenze bei Felsberg. Weil der französische Zoll sie nicht passieren ließ, mussten sie wieder zurück, teilweise zu Fuß. Viele von ihnen kamen später in Lagern ums Leben.

An das Schicksal jüdischer Einwohner erinnern seit 2011 Stolpersteine auf den Gehwegen von Saarwellingen. Am Dienstag verlegte Gunter Demnig, Künstler und Initiator dieses Projektes, bei seinem fünften Termin in Saarwellingen weitere: Drei am Kreisel in der Vorstadtstraße und acht in der Gutbergstraße. Damit sind es insgesamt 79 Stolpersteine. „Saarwellingen war eine der größten jüdischen Gemeinden im Saarland“, erklärte Hans Peter Klauck; er hat die Geschichte der jüdischen Einwohner im Kreis Saarlouis in einem dicken Buch zusammengetragen. „Etwa zehn Prozent der Bevölkerung waren jüdisch“, weiß Saarwellingens Kulturreferentin Cornelia Rohe. „Heute ist kein einziger mehr in Saarwellingen.“

„Vergangene Woche habe ich den 70 000. Stolperstein in Frankfurt am Main verlegt“, sagte Demnig. Bundesweit liegen sie in etwa 1265 Kommunen, dazu kommen weitere in 21 Ländern Europas.

Die neuen Stolpersteine in Saarwellingen erinnern an die Familien Jacob und Lazar. Deren Schicksale trugen Schüler der Klasse 9.1 von der Schule an der Waldwiese vor. Von acht Mitgliedern der Familie Lazar entkamen vier der Vernichtung, weil sie schon 1936 in die USA flüchteten. Das waren Edith, Irene, Melitta und Erika Lazar. Der 1880 geborene Morel Lazar wurde 1942 deportiert und wenig später ermordet. Gretchen Lazar, geboren 1885, verstarb entrechtet und aus der Gesellschaft ausgestoßen schon im März 1938.

Moritz Hirsch Mayer, 1896 geboren und Gatte von Alma Lazar, wurde 1938 nach Dachau gebracht, in sogenannte Schutzhaft. 1940 deportierten ihn die Nazis in das Lager Gurs in Frankreich, dann in das berüchtigte Lager Drancy nahe Paris, irgendwann nach 1942 wurde Moritz Mayer in Auschwitz ermordet. Gleiches gilt für die 1911 geborene Alma Lazar.

Moritz und Milly Jacob gehörten mit einem Kurzwarengeschäft und einer Herrenschneiderei zum Alltagsleben Saarwellingens. Moritz war noch 1932 Mitglied der Feuerwehr. Millys Mutter, Sarah Jacob, handelte mit Butter und Fett. 1936 flüchten die drei vor den Nazis nach Luxemburg, wo sich die Spur von Sarah Jacob verliert. Das Ehepaar Jacob flüchtete weiter nach Belgien. Dort wurde Milly auf der Straße verhaftet und später über das belgische Sammellager Mechelen nach Auschwitz verschleppt. In diesem Lager wurde sie am 22. Mai 1944 ermordet. Ihr Mann Moritz überstand die Judenverfolgung. Er lebte danach bis zu seinem Tod 1967 in Luxemburg.

Jeden einzelnen der handgefertigten Stolpersteine setzt Demnig selbst in die Gehwege ein. Das gehört zur Philosophie seines Projektes: „Die Nationalsozialisten haben Menschen in Masse ermordet. Die Steine sollen die Namen zurückbringen und an jedes einzelne Schicksal erinnern.“

„Unser Ziel ist es“, sagte Bürgermeister Manfred Schwinn, „kenntlich zu machen, wie viele Familien, wie viele Häuser direkt vom Naziterror betroffen waren, in der Hoffnung, dass Diffamierung und Ausgrenzung in unserer Gesellschaft keinen Platz mehr haben.“ 72 jüdische Saarwellinger sind in den Lagern der Nazis ermordet worden.

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