Letztes Bergbaukapitel für viele ein KrimiDie vier Etappen bis zum Bergbau-Ende

Reisbach/Ensdorf. Der Countdown läuft seit Dienstag, zehn Uhr. Anfangszahl: 2,5 Millionen. Jede unter Reisbach geförderte Tonne Kohle bringt das Ende des Saar-Bergbaus näher. Die RAG Deutsche Steinkohle will 2010 knapp eine Million Tonnen fördern, 2011 fast 1,2 Millionen und im ersten Halbjahr 2012 noch 0,4 Millionen. Am 1. Juli 2012 ist Schluss

Reisbach/Ensdorf. Der Countdown läuft seit Dienstag, zehn Uhr. Anfangszahl: 2,5 Millionen. Jede unter Reisbach geförderte Tonne Kohle bringt das Ende des Saar-Bergbaus näher. Die RAG Deutsche Steinkohle will 2010 knapp eine Million Tonnen fördern, 2011 fast 1,2 Millionen und im ersten Halbjahr 2012 noch 0,4 Millionen. Am 1. Juli 2012 ist Schluss. "Nach rund 300 Jahren wird der Saar-Bergbau der Geschichte angehören", sagte der Bergwerksdirektor Friedrich Breinig (Fotos: SZ) zu dem Maschinenstart. "Der Anlauf des ersten Strebs im letzten Flöz per Sofortvollzug war wichtig, damit die Abbauplanung keinen Bruch erhält und wir das sozialverträgliche Auslaufen garantieren können. Wir sind froh, dass die neue Landesregierung das Auslaufkonzept bestätigt hat." Er betonte: "Das ist nur noch eine kurze Lebensdauer, aber jedes Jahr ist wichtig für den geordneten Ausstieg." Von den jetzt 3319 RAG-Mitarbeitern an der Saar müssen 2012 noch 1700 an Bergwerke außerhalb des Saarlands wechseln. Die Anwohner bestreiten die Sozialverträglichkeit der Bergbaufolgen. "FDP und Grüne haben für das Jamaika-Bündnis ihre Position gegen den Bergbau aufgegeben, zulasten der Betroffenen", monierte Michael Schneider, Sprecher der Igab Reisbach, der Interessengemeinschaft zur Abwendung von Bergschäden. Mit Hilfe der Gemeinde Saarwellingen unterstützt die Igab drei Kläger: aus der Waldstraße am Ellbach wegen der Vernässungsgefahr und aus der Eiweiler Straße mit der größten Senkungsprognose wegen allgemeiner Bergschäden und Wertverlust. "Der Kohleabbau wird zur Nagelprobe der Glaubwürdigkeit des neuen liberalen Wirtschaftsministers Christoph Hartmann", der im Wahlkampf vehement gegen den Abbau argumentiert hatte, meinte Schneider. Das Wirtschaftsministerium ist Aufsichtsbehörde des Bergamts, das den Abbau zugelassen hat. Als Auflage lässt das Bergamt 26 Messpunkte für das Grundwasser einrichten und sich vierteljährlich Gutachten vorlegen. Die Igab kritisierte aber, die Messpunkte konzentrierten sich auf die Talaue, Vernässung in höheren Lagen durch aufsteigendes Wasser per Kapillareffekt werde dabei vernachlässigt. RAG-Markscheider Volker Hagelstein erwartet keine erhebliche Verschlechterung durch die Strebe 8.5 bis 8.7 Ost. Beim Abbau im Streb 8.7 West habe sich der Grundwasserspiegel nicht verändert. Er geht auch nicht von größeren Grubenbeben wie in der Primsmulde aus, da der Abbau nur bis 1100 statt 1700 Meter tief sei, hier weniger des harten Sandsteins liege und der Berg durch frühere Kohleförderung gelockert sei. Auch sei es bei 8.7 West ruhig geblieben.Schneider merkte an: "In dem Westfeld war es immer ruhig, aber im Ostfeld gab es 1994/95 hier schon Erschütterungen." Die SZ berichtete Werte bis 2,6 auf der Richterskala. Seismographen vor Ort gab es da nicht. Die hat das Bergamt nun vorgeschrieben und festgelegt, dass es bei Bodenbewegungen über zehn Millimeter pro Sekunde weitere Auflagen prüfen werde. Ensdorf/Reisbach. Die RAG will bis zum Ende des Saar-Bergbaus noch vier Strebe abbauen. Der aktuelle Abbau im Streb 20.5 Ost im Flöz Grangeleisen zwischen Hülzweiler und Schwarzenholz läuft Ende April, Anfang Mai 2010 aus.Nun geht das Bergwerk unter Reisbach ins Flöz Wahlschied, das keilförmig abnimmt von 3,40 Meter Dicke im Süden auf 1,70 Meter im Norden. Der am Dienstag angefahrene Streb 8.5 Ost ist der südlichste und dickste. Er kann auf seiner Breite von 300 Metern und Länge von 1,3 Kilometern mit dem Schneideverfahren per Schrämwalze abgebaut werden, die mehr Platz braucht: geplant bis Ende 2010. In den nördlicheren Streben 8.6 und 8.7 Ost setzt die RAG erstmals im Saarland das im Ruhrgebiet erprobte Schälverfahren mit einem sechs Millionen Euro teuren Hobel ein. 8.6 Ost (300 Meter breit, 1,7 Kilometer lang) startet Mitte 2010 und läuft bis Ende 2011. 8.7 Ost (350 Meter, 1,8 Kilometer) setzt im ersten Quartal 2011 ein. Hier wird spätestens am 30. Juni 2012 die letzte Kohle gefördert. Der Abbau beginnt mit 8.5 unter freiem Gelände und endet bei 8.7 unter bewohntem Gebiet. Die Senkungsgrenze der nachsackenden Oberfläche geht laut RAG von der Verwaltungsnebenstelle der Gemeinde im Westen bis zur B 268 im Osten, vom Ortseingang Obersalbach im Süden bis Falscheid im Norden. Am stärksten ist die Eiweiler Straße betroffen. Sie sinkt bis 1,60 Meter ab. Die maximale Senkung von 2,50 Meter liegt außerorts "Auf der Kupp". kni

HintergrundDie Abbaugenehmigung hat noch nicht alle Hürden genommen. Das Bergamt hatte nach Prüfung von 102 Einwendungen die Zulassung erteilt. Die 15 Widersprüche, die dagegen eingingen, hat das Oberbergamt abschlägig beschieden. Daraufhin haben drei Reisbacher Klage eingereicht. Deren aufschiebende Wirkung hat das Bergamt mit der Anordnung des Sofortvollzugs der Genehmigung aufgehoben. Eilanträge stellen die Kläger nun beim Verwaltungsgericht, um die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen. Deren Prüfung dauert jedoch einige Monate, allein schon wegen der Fristen zur Stellungnahme. Bis zum Eilentscheid kann der strittige Kohleabbau bereits weit fortgeschritten sein. kni

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort