Saarwellinger Jazzwochen Ohne Notenblatt in Perfektion

SAARWELLINGEN · Mit einem Pianokonzert von Chris Jarrett sind die 15. Saarwellinger Jazzwochen im Alten Rathaus eröffnet worden.

 Chris Jarrett hat am Sonntag im Alten Rathaus in Saarwellingen zum Auftakt der Jazzwochen gespielt.

Chris Jarrett hat am Sonntag im Alten Rathaus in Saarwellingen zum Auftakt der Jazzwochen gespielt.

Foto: Gerhard Alt

„The Darkening“ (Die Verdunkelung) heißt die Zugabe zum Pianokonzert von Chris Jarrett. Hell war es am Sonntag sowieso nicht. Wer raus in den Regen schaute, konnte aber sehen, wie sich ein Regentropfen seinen kurvigen Weg an der Fensterscheibe des Alten Rathauses suchte. So ähnlich entwickelt sich über den dunklen, harten, laut mit der linken Hand konsequent durchgehaltenen Akkorden von Jarretts erstem Stück eine sanfte Melodie. Nach diesem Muster funktionieren die meisten Stücke, die Chris Jarrett in dieser sehr gut besuchten Matinee zum Auftakt der Saarwellinger Jazzwochen solo spielt. Und dennoch gelingt es ihm wie dem In-den-Regen-Gucker in eine Grundstimmung hinein neue Akzente zu bringen und den Fokus zu wechseln.

So ereignen sich unerwartete Übergänge, Synkopen, Wechsel der Tempi und Tonarten. Das ist fesselnd und abwechslungsreich. Jarrett präsentiert mit seinen Eigenkompositionen und Improvisationen – das fast zweistündige Konzert ohne Notenblatt gespielt – ein ganzes musikalisches Universum mit Anklängen vom Barock über die Klassik und die französischen Impressionisten bis hin zu zeitgenössischem Jazz und Minimal Music.

Der „Night Ride“ erinnert ein bisschen an die Erlkönig-Vertonung von Franz Schubert. Hier klingt aber an, was dann auch in anderen Stücken auftritt und auf Minimal Music im Stile von Michael Nyman verweist: Sich wiederholende, oft sehr kleine Melodiefetzen und kurze rhythmische Elemente, die über dem festgefügten Akkordteppich serielle, mitunter brillante Variationen entwickeln, ohne je atonal zu klingen. Das spielt Jarrett mit unglaublicher Fingerfertigkeit, die sich im Laufe des Konzerts immer mehr steigert. So ergibt sich mitunter eine virtuose Expressivität, dass man meint, ein Stück zu vier Händen zu hören, kann aber auch in umgekehrter Richtung in eine Reduktion der musikalischen Mittel wie bei Eric Satie und sogar bis hin zur primitiver Percussion mittels Brillenetui wie bei John Cage – inklusive Provokation von Stille – führen.

Ausdrücklich lehnt sich Jarrett mit improvisierten Etüden an Chopin und mit einem heiteren Werk an Mozart an. Am meisten beeindruckt „Statement“, eine Art Requiem. Und eine Uraufführung! In bestem Deutsch erklärt der 63-jährige Amerikaner, der seit 1985 als Berufsmusiker und Hochschullehrer in Deutschland lebt, dass er das Stück vor Kurzem komponiert und bislang erst seiner Frau und seinem Bruder vorgespielt habe – wenn überhaupt, die einzige Anspielung auf den berühmteren Bruder Keith Jarrett. Er habe dieses Stück für seine Mutter geschrieben, „um wenigstens nach dem Tod einiges zu sagen, was während des Lebens nicht möglich war“.

Teils melancholisch, teils fröhlich, stets glaubhaft persönlich setzt Jarrett die gesamte Palette von süßer Erinnerung bis aufwühlender Empörung musikalisch um – vom nachträglichen Geständnis der eigenen Sprach- und Hilfslosigkeit bis zur Anklage wegen nicht gewährter Zuneigung. Diese Musik nimmt die Zuhörer wie das gesamte Konzert emotional ein. Am Ende gehen sie hinaus in einen Regentag, der viele schöne Momente haben kann.

Weiter geht es mit den Jazzwochen am Freitag, 22. März, mit dem New Art Trio (Claus Krisch, Piano; Frank Grandjean, Bass; Rolf Seel, Schlagzeug) und dem Saarbrücker Schauspieler Jürgen Kirchhoff.

Der Sprecher ist mehr als Zugabe. Er ist ein Ereignis, und zwar liest er Passagen aus „But beautiful“ – einem Buch, das von Jazzgrößen wie Telonious Monk und Duke Ellington tragisch-komische Erlebnisse berichtet und zugleich auf erzählerische Art eine verständliche Portion Musiktheorie vermittelt. In einem ausgewogenen Verhältnis dazu spielen die Musiker traurig-schöne Titel.

Außerdem auf dem Programm der Jazzwochen: 24. März, 11 Uhr: Barbara Barth & Manuel Krass; 29. März, 20 Uhr: Philipp Schugs Bonefiles; 31. März, 11 Uhr: David Andres & Lydia Schiller; 5. April, 20 Uhr: Three Tenors.

Platzreservierung: Telefon (0 68 38) 90 07-201 oder per E-Mail: kultur@saarwellingen.de

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