Eltern Behinderter danken ihm

Saarwellingen. In der freien Wirtschaft gelten sie als schwer vermittelbar: Menschen mit geistiger Behinderung, Orientierungsproblemen oder Leseschwierigkeiten. Bei Gartengestaltung Jens Philippi in Saarwellingen bekommen sie eine Chance. Hier können sie Praktika absolvieren, wer sich bewährt, wird übernommen - als Auszubildender zum Gärtner oder Fachwerker oder als Angestellter

 Jens Philippi in seinem Gartengestaltungsbetrieb - Er stellt viele Behinderte ein. Foto: Sascha Schmidt

Jens Philippi in seinem Gartengestaltungsbetrieb - Er stellt viele Behinderte ein. Foto: Sascha Schmidt

Saarwellingen. In der freien Wirtschaft gelten sie als schwer vermittelbar: Menschen mit geistiger Behinderung, Orientierungsproblemen oder Leseschwierigkeiten. Bei Gartengestaltung Jens Philippi in Saarwellingen bekommen sie eine Chance. Hier können sie Praktika absolvieren, wer sich bewährt, wird übernommen - als Auszubildender zum Gärtner oder Fachwerker oder als Angestellter. Dafür wurde der Betrieb mit dem saarländischen Inklusionspreis ausgezeichnet (wir berichteten).

Seit 1998 ist Jens Philippi selbstständig. Anfangs arbeitete er mit Aushilfen, seit 2000 mit eigenen Angestellten. Seitdem ist Uwe Greinert dabei. Greinert ist 43 Jahre alt und geistig behindert. Bevor er zum Gartenbau kam, arbeitete er in der Werkstatt der Arbeiterwohlfahrt. Bei Philippi absolvierte er ein längeres Praktikum, nach einem Jahr wechselte er vollständig zu ihm. "Für den Vorarbeiter ist das nicht immer einfach", räumt der Gärtner ein. "Er muss nicht nur arbeiten, sondern auch Uwe begleiten." Trotzdem, zu seinem Mitarbeiter bekennt sich Philippi: "Uwe gehört zum Inventar!"

Woher kommt die Bereitschaft sich für Menschen mit Handicap einzusetzen? "Früher war ich in der Messdiener- und Jugendarbeit tätig", erzählt Philippi. "Meinen Zivildienst habe ich bei einem Behindertenfahrdienst geleistet. So ist der Bezug entstanden."

"Wer gut ist, hat eine Chance"

Während dieser Zeit hat er viele Menschen kennen gelernt, die keine Chance bekommen, "die aber eine verdient haben", erzählt er. "Im Gartenbau kann man sie gut beschäftigen."

Holzterrassen und Gartenhäuser nach Maß fertigt das Unternehmen an, installiert Gabionen und Steinarbeiten, bietet Bepflanzung und Pflegearbeiten an, von Saarbrücken bis Luxemburg. "Seit drei Jahren forcieren wir Bewässerungssysteme und automatische Rasenmäher." Die Konkurrenz ist groß, Schwarzarbeit macht den Gartenbaubetrieben zu schaffen. Umso bemerkenswerter, dass Philippi nicht nur betriebswirtschaftlich denkt, sondern auch menschlich. "Viele Dinge nehme ich einfach hin", gesteht er. So etwa, wenn das Handicap seiner Mitarbeiter mal eine Auszeit erfordert.

Nicht jeder Praktikant nutzt die Gelegenheit im Saarwellinger Betrieb. "Erst kürzlich wollte ein 22-Jähriger bei mir beginnen", erzählt der Gärtner. "Ich habe alles in die Wege geleitet. Nach zwei Wochen habe ich ihn nicht mehr gesehen." Grund zum Aufgeben ist das nicht. "Wer gut ist, hat im Gartenbau eine Chance", ist er überzeugt. So wie Uwe Greinert. "Uwe ist im 13. Jahr ununterbrochen in Festanstellung", sagt Philippi stolz. "Manchmal muss man ihm zwei oder dreimal erklären, was er tun soll, aber er ist sehr zuverlässig und was er macht, macht er perfekt."

Die Auszeichnung hat ein Schlaglicht auf Philippis Engagement geworfen. "Das war schon toll", sagt er. "Die Ehrung ist sehr viel wert." Durch den Inklusionspreis sind Kunden auf ihn aufmerksam geworden und Eltern behinderter Kinder haben sich bei ihm gemeldet, um ihm für seine Arbeit zu danken. Verdiente Anerkennung für dauerhaften Einsatz: Gerade beginnt ein neuer Praktikant seine Einstiegsqualifizierung.

Meinung

Philippi gebührt

höchster Respekt

Von SZ-Redakteurin

Michaela Heinze

Es ist offenbar Normalität geworden, dass Praktikanten oder Mitarbeiter ihre neuen Stellen nicht antreten. Und viele, die kommen, sind nicht brauchbar. Der Chef trägt ihnen ständig die Arbeit hinterher. Trotzdem gibt es sie: die guten Mitarbeiter. Das ist nicht neu, trifft aber auf alle zu, auf Behinderte wie auf Nicht-Behinderte.

Doch die Einstellung behinderter Menschen bietet offensichtlich mehr. Bleiben sie im Betrieb, legen sie meist eine Schippe drauf und sind engagierter. Weil sie sich beweisen wollen und vielleicht auch müssen. Sie erfahren schnell, dass ihnen nicht alle Menschen viel zutrauen.

 Jens Philippi in seinem Gartengestaltungsbetrieb - Er stellt viele Behinderte ein. Foto: Sascha Schmidt

Jens Philippi in seinem Gartengestaltungsbetrieb - Er stellt viele Behinderte ein. Foto: Sascha Schmidt

Der Saarwellinger Arbeitgeber Jens Philippi redet von perfekter Arbeit seines behinderten Mitarbeiters. Da frage ich mich umso mehr, weshalb nicht mehr Betriebe auf die Mitarbeit von Behinderten setzen. Beide Seiten profitieren davon. Sicher gibt es viele Behinderte, die ihre Chance derart nutzen. Sie müssen sie nur bekommen. Philippi gebührt Respekt: Er redet nicht über Integration und Inklusion. Er lebt sie und handelt menschlich, selbst wenn er und seine Mitarbeiter beim Arbeitsprozess auch mal mehr Mühe mit als ohne sie haben. Aber das Ergebnis zählt. Und das ist top.

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