"Wir haben genug Kugeln für euch alle"

Kreis Saarlouis. Die anderen wollten verhindern, dass Abdullah Ahmed Habibi aus dem Bus steigt. Doch ein Mann mit Vollbart, Turban und Maschinengewehr hatte todsichere Argumente: "Wenn euch euer Leben lieb ist, lasst ihr ihn gehen", klingt es ihm noch heute in den Ohren. "Wir haben genug Kugeln für euch alle

Kreis Saarlouis. Die anderen wollten verhindern, dass Abdullah Ahmed Habibi aus dem Bus steigt. Doch ein Mann mit Vollbart, Turban und Maschinengewehr hatte todsichere Argumente: "Wenn euch euer Leben lieb ist, lasst ihr ihn gehen", klingt es ihm noch heute in den Ohren. "Wir haben genug Kugeln für euch alle." Er bekommt eine Augenbinde, wird gefesselt aufs Motorrad gesetzt. Eben war er unterwegs von seiner Heimatstadt Helmand zur Schule nach Kabul. Plötzlich geht es durch die afghanische Steppe, Abdullah weiß weder wohin, noch, dass er Zuhause und Familie verlieren wird. Die folgenden 20 Tage, erzählt er, wird er von mehreren Dutzend Taliban in Kellern eingesperrt und gefoltert.Seitdem sind fünf Jahre vergangen, Abdullah ist über den Iran nach Deutschland geflohen und hat Bleiberecht erhalten. Wegen Depressionen war der junge Mann in einem Wallerfanger Krankenhaus in Behandlung. Die Ärzte sprachen von einer posttraumatischen Belastungsstörung, verabreichten Antidepressiva und verordneten dem 19-Jährigen eine Musik-, Kreativ- und Sporttherapie.

Nach der Fahrt wurde er in einen Keller gebracht und verhört. Wo sein älterer Bruder sei, wollen die Männer wissen. Abdullah war auf der Rückreise von einer Beerdigung: Vater und Schwester waren vor den Augen der Mutter von Taliban erschossen worden. Angefangen habe alles mit Briefen und nächtlichem Geschrei vor der Wohnung der Eltern. Der Vater und der Sohn sollten "dem teuflischen Staat" nicht dienen. "Beide waren Soldaten in der Armee des afghanischen Staates", erklärt Abdullah. Im Verhör sagte er, dass sein Bruder verschwunden sei. Danach wurde Abdullah in andere Keller gebracht, wo 25 Kinder zwischen acht und 16 Jahren waren. Die Männer zeigten dort, wie man eine Pistole bedient, erklärten, wie man eine Bombe zündet. "Der Mann sagte, an der Schnur der Bombe zu ziehen sei, wie sich die Schuhe zu binden." Man forderte, er solle eine Bombe in der Stadt zünden. Aber er habe sich weggedreht und nicht zugeschaut: "Ich habe ihnen gesagt, dass ich das nicht mache und wieder zur Schule will." Zwei Tage Bedenkzeit bekam er. Mit den Worten, dass er keine Familie mehr habe, sich Gott opfern solle und dafür ins Paradies komme. Aber er weigerte sich weiter. "Sie haben mich mit Kabeln geschlagen und mit Messern geschnitten." Schließlich schütten zwei Männer Säure auf sein Gesicht. "Wenn du dich siehst, wirst du um Aufträge betteln", gibt er ihre Drohung wieder. Einer der Wächter ermöglicht ihm schließlich die Flucht. Seine Mutter verschafft ihm das Visum. "Afghanistan und Iran vermisse ich nicht, ich will nur einen sicheren Platz für ein Studium", sagt er. Seine Mutter wollte nachkommen, doch von ihr und seinem Bruder hat er nichts mehr gehört.

Mohammed Ghodstinat, Vorsitzender Initiative Hilfe für Einzelschicksale, übersetzte das Gespräch ins Deutsche und sammelt Spenden für Abdullah Ahmed Habibi, Kontonummer 2 24 50 77 72, BLZ 59 35 01 10, Kreissparkasse Saarlouis, Stichwort Afghanistan. Tel. (0 68 31) 70 14 20.

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