Wenn aus spielen bitterer Ernst wird

Saarlouis · Spielen ist so schön. Stimmt, aber fatale Folgen hat es oft, wenn aus dem Spiel Ernst wird, wenn es zur Sucht wird. Eine Therapie ist möglich, aber sie ist alles andere als ein Kinderspiel.

"Das Spielen am Automaten hat mich am Leben gehalten", erzählt ein Patient in der Entwöhnungsbehandlung für Glücksspielsüchtige bei der Saarlouiser Gesellschaft Ianua. Angefangen mit dem Spielen hat er mit 17, zwei Jahre nach einem Todesfall in der Familie. Mit seinen Eltern konnte er darüber nicht reden, auch in der Schule fühlte er sich unverstanden. Alkohol und Zigaretten waren schon an der Tagesordnung, als er mit einem Freund zum ersten Mal eine Spielothek betrat. "Statt mich den Problemen zu stellen", erzählt er rückwirkend, "habe ich mich in die Spielerei geflüchtet."

Mit der Sucht nach Glücksspielen ist er kein Einzelfall. Laut Zahlen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung haben 0,82 Prozent der Deutschen zwischen 16 und 65 Jahren ein krankhaft gestörtes Spielverhalten. Das höchste Gefahrenpotenzial haben dabei schnelle Spiele wie die Geldspielautomaten in Spielotheken, erzählt Hartmut Görgen, Suchttherapeut mit Schwerpunkt auf Glücksspiel. "Sie fangen ganz locker mal in der Kneipe an und merken: Ah, da gewinne ich ja", erläutert er den typischen Einstieg, den vor allem Männer leicht finden: "Glücksspielsucht ist ein typisch männliches Problem. Es geht anfangs ums Gewinnen und darum, besser zu sein."

Um das Gewinnen ging es dem Patienten nicht, denn gewonnen hat er nie was - im Gegenteil: "Es hat mich sehr, sehr viel Geld gekostet." Erst als er während der Ausbildung seinen kompletten Dispo-Rahmen von 15 000 D-Mark ausgeschöpft hatte, griff zum ersten Mal jemand von außen ein. "Mein Papa ging zur Bank und hat fast den kompletten Betrag beglichen", erzählt er. Dass Angehörige die Betroffenen unterstützen wollen, ist nicht ungewöhnlich - laut Görgen sind es 90 bis 95 Prozent. Doch dem Süchtigen finanziell auszuhelfen, sendet die falschen Signale, weiß die Leiterin von Ianua, Sonja Steffen: "Das ist ein Fass ohne Boden." Wichtiger sei es, die Krankheit gemeinsam zu besprechen und zu wissen, was hilft und was schadet. Hierzu sind Seminare und Informationsveranstaltungen eine Möglichkeit - nicht nur in der Familie, sondern auch in Unternehmen. "Die großen Arbeitgeber haben Suchtberater", erzählt Steffen.

Ein weiterer Patient, der bei Ianua Hilfe suchte, berichtet, dass er sogar nur durch seinen Arbeitgeber auf die Therapie gekommen ist. "Ich habe unentschuldigt gefehlt, normal hätte es eine Abmahnung gegeben", berichtet er von der Zeit, in der er nicht nur nach Glücksspielen, sondern auch nach Alkohol und Drogen süchtig war. Seine Arbeitsstelle hat es ihm ermöglicht, an der ambulanten Behandlung teilzunehmen - und seitdem ist er stabil, wie er unterstreicht. Abstinenz, also die völlige Abwendung von der Sucht, wird laut Görgen bei einem Drittel der Patienten erreicht. Bei einem weiteren Drittel gelinge zumindest eine Verbesserung des Gesamtzustands. "Man muss bereit sein, an sich zu arbeiten ", betont ein Patient, "und man muss dranbleiben."

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Auf einen BlickBei Glücksspielsucht gibt es stationäre, ambulante und kombinierte Behandlungsmöglichkeiten. Ianua in Saarlouis bietet eine ambulante Entwöhnungsbehandlung an. Nach einer Orientierungsphase, die von fast allen Krankenkassen übernommen wird, folgt die eigentliche Behandlung. Im Anschluss daran sollten Selbsthilfegruppen besucht werden. bsch Informationen: Telefon (0 68 31) 46 00 55.ianua-gps.de

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