Wenn aus Helfern Freunde werden

Saarlouis · Eine kleine Gruppe Lotsen kümmert sich in Saarlouis um die neu angekommenen Flüchtlinge. Von Anfang an dabei ist Gaby Thiery aus Steinrauch. Auch ihr Mann Jürgen ist seit August als Lotse tätig.

 Gaby und Jürgen Thiery sind zwei der Lotsen. Foto: Barbara Scherer

Gaby und Jürgen Thiery sind zwei der Lotsen. Foto: Barbara Scherer

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Wenn Flüchtlinge in Saarlouis ankommen, sind sie nicht allein: Es gibt ein Team von etwa zehn bis zwölf ehrenamtlichen Lotsen, das den Neubürgern bei den ersten Schritten hilft. Wenn sie aus Lebach zu ihren zugeteilten Wohnungen in der Stadt gebracht werden, erwartet ein Lotse sie bereits und begrüßt sie. "Die Ortspolizeibehörde sperrt die Wohnung auf, macht den Mietvertrag und übergibt den Schlüssel", erzählt Jürgen Thiery, einer der Lotsen. Und dann geht die Arbeit erst richtig los.

"Wir fahren zusammen zum Einwohnermeldeamt, zur Kreissparkasse und zum Kreissozialamt", erzählt der 58-Jährige. Seine Frau Gaby, ebenfalls Lotsin, ergänzt: "Und dann helfen wir bei der Orientierung, zeigen das Rathaus, die Caritas , das Sozialamt, das Schwimmbad und wo Ärzte sind." Auf dem Programm steht der Gang zum Supermarkt genauso wie das Erklären der Buslinien. Das ist - nicht zuletzt wegen der Sprachbarriere - für Lotsen und Flüchtlinge gleichermaßen sehr anstrengend. "Wenn ich abends nach Hause komme, bin ich todmüde", sagt die 57-Jährige.

Angefangen hat das Hilfsnetzwerk vor etwa einem Jahr mit der Ankunft einer christlichen Flüchtlingsfamilie aus Syrien. "Unsere Gemeindereferentin hat sich direkt um sie gekümmert", erzählt Jürgen Thiery. Er selbst ist seit 16 Jahren im Pfarrgemeinderat, sitzt diesem seit acht Jahren vor. Auch seine Frau Gaby ist seit 20 Jahren in der Pfarrei aktiv, sie ist Lektorin und Liturgieassistentin, wirkt außerdem in mehreren Arbeitskreisen mit. Insofern waren sie von Anfang an direkt in die Flüchtlingsarbeit der Pfarrgemeinde involviert - wie in das Begegnungsfest zu Jahresbeginn. "Da war jemand von der Stadt, der hat mich und einige andere angesprochen", erinnert sich Gaby Thiery. Aus diesen Gesprächen entstand das erste Lotsenteam. "Am Anfang waren wir zu viert", sagt sie, "und haben dann alles rekrutiert, was ging." Jürgen Thiery ist erst im August dazugestoßen. "Seit dem 1. August muss ich nicht mehr schaffen", lacht der ehemalige Bankangestellte, "und jetzt schaffe ich mehr als vorher." Seine Frau kann ihre Büroarbeit von zu Hause aus erledigen und kann ihre Lotsenaufgaben insofern flexibel koordinieren.

Offiziell sind die Lotsen dienstags im Einsatz, wenn die neuen Flüchtlinge in Saarlouis eintreffen. Dazu kommt ein wöchentliches Gespräch mit Bürgermeisterin Marion Jost am Donnerstag. Aber durch die wachsende Vernetzung unterstützen die beiden auch über ihre Aufgaben hinaus. "Wir sind bei den Flüchtlingen bekannt", meint Jürgen Thiery, "also werden wir angesprochen, ob wir helfen können." Und so stehen regelmäßig weitere Termine an - von der Fahrt ins Jobcenter über Hilfe beim Umzug bis hin zur Einführung ins Tischtennistraining, wo Jürgen Thiery selbst aktiv ist. Um verstärkt Unterstützung im Alltag bieten zu können, werden ständig Paten gesucht. Diese sollen einfach bei den Flüchtlingen reinschauen, mit ihnen sprechen und Hilfe anbieten.

Die Hilfe ist übrigens nicht einseitig, betonen beide. "Es gibt Flüchtlinge, die zum Beispiel als Dolmetscher helfen", sagt er. Darüber hinaus entstehen aus manchen Kontakten echte Freundschaften. "Wenn man allein mit jemandem unterwegs ist, dann öffnet er sich", sagt Gaby Thiery, "und klagt dann sein Leid." Auf die Flucht sprechen die Lotsen ihre Schützlinge nicht an, betont Jürgen Thiery, aber "irgendwann erzählen sie von selbst."

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