Wenn Arbeit auf der Seele lastet"Die Arbeitswelt wird nicht einfacher"

Saarlouis/Merzig. Das Saarland hat bundesweit die meisten Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen. Das geht aus dem DAK-Gesundheitsreport hervor, den der Leiter des Service-Zentrums Saarlouis, Walter Balzer, gestern für die Landkreise Merzig-Wadern und Saarlouis in der AHG-Klinik Berus vorstellte. Für den Report wurden die Daten von rund 32000 Versicherten im Saarland ausgewertet.Zwar hatten die Landkreise Saarlouis und Merzig-Wadern 2012 einen geringeren Krankenstand: Von 1000 Arbeitnehmern waren im Schnitt pro Tag 43 krank gemeldet, einer weniger als 2011. Dabei machen wenige Langzeitkranke fast die Hälfte aller Fehltage aus. Aber der Bereich der psychischen Erkrankungen (17,4 Prozent des Krankenstands) verzeichnet einen massiven Anstieg von 24 Prozent in einem Jahr und liegt damit über dem Landesschnitt. Die meisten Fehltage verursacht das Muskel-Skelett-System (mit 21,2 Prozent).

 In der AHG-KLinik Berus stellte die DAK gestern ihren neuen Gesundheitsreport vor. Fotos: Thomas Seeber

In der AHG-KLinik Berus stellte die DAK gestern ihren neuen Gesundheitsreport vor. Fotos: Thomas Seeber

Saarlouis/Merzig. Das Saarland hat bundesweit die meisten Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen. Das geht aus dem DAK-Gesundheitsreport hervor, den der Leiter des Service-Zentrums Saarlouis, Walter Balzer, gestern für die Landkreise Merzig-Wadern und Saarlouis in der AHG-Klinik Berus vorstellte. Für den Report wurden die Daten von rund 32000 Versicherten im Saarland ausgewertet.Zwar hatten die Landkreise Saarlouis und Merzig-Wadern 2012 einen geringeren Krankenstand: Von 1000 Arbeitnehmern waren im Schnitt pro Tag 43 krank gemeldet, einer weniger als 2011. Dabei machen wenige Langzeitkranke fast die Hälfte aller Fehltage aus. Aber der Bereich der psychischen Erkrankungen (17,4 Prozent des Krankenstands) verzeichnet einen massiven Anstieg von 24 Prozent in einem Jahr und liegt damit über dem Landesschnitt. Die meisten Fehltage verursacht das Muskel-Skelett-System (mit 21,2 Prozent).

Auffällig ist, dass sich die Gründe für Krankschreibungen in den vergangenen Jahren verschoben haben. So wurden deutlich mehr Versicherte wegen psychischer Leiden krank geschrieben; gleichzeitig gingen Herz-Kreislauf- sowie Muskel-Skelett-Erkrankungen als Ursachen zurück. "Viele Arbeitnehmer werden heute mit einem psychischen Leiden krank geschrieben, während sie früher mit Diagnosen wie Rückenschmerzen oder Magenbeschwerden zu Hause geblieben wären", erklärte Balzer.

So haben psychische Erkrankungen also nicht unbedingt zugenommen, sondern der Umgang damit hat sich verändert, heißt es in dem Report. Betroffene wie Ärzte diagnostizierten das Leiden eher. "Die Zunahme der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen aufgrund psychischer Erkrankungen ist seit Jahren die auffälligste Entwicklung", betonte Balzer. Seit dem Jahr 2000 stieg die Zahl im Saarland um 85 Prozent.

Am weitaus häufigsten wird die vielseitige Diagnose Depression gestellt, gefolgt von Anpassungs- und Angststörungen. Bei der Diagnose Burn-Out ist zwar ein steiler Anstieg zu verzeichnen, allerdings sei es kein Massenphänomen: Im Saarland stand 2012 nur bei etwa jedem 750. Mann und jeder 300. Frau Burn-Out auf der Krankschreibung, geht aus den Daten der DAK hervor.

Fest steht: Die Belastungen der Arbeitswelt nehmen zu. Insbesondere die ständige Erreichbarkeit, auch nach Feierabend, erhöht das Risiko, an einer psychischen Störung zu erkranken. Nichtsdestotrotz sind psychische Probleme in vielen Firmen nach wie vor Tabuthema: Das Verständnis von Chefs und Kollegen ist gering, Betroffene werden stigmatisiert. Der Report ergibt auch: 60 Prozent würden es möglichst niemandem sagen, wenn sie an einer psychischen Erkrankung litten.

Wie entstehen psychische Probleme durch Belastungen der Arbeitswelt?

Josef Schwickerath: Ich spreche immer von einem Modell der drei Säulen: Arbeit, Freizeit, Familie. Gesund ist jemand dann, wenn er es schafft, diese drei Säulen gleichmäßig zu hegen und stabil zu halten.

Was macht ein gutes Arbeitsklima aus?

Schwickerath: Ein gutes, vernünftiges Arbeitsklima entsteht, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind: Wenn die soziale Unterstützung hoch ist, wenn jemand seine Arbeit gut beherrscht, wenn er eine gewisse Orientierung und Sicherheit im Beruf hat, wenn er in ein Team eingebunden ist, sich und seine Ideen einbringen kann, wenn er Achtung und Anerkennung bekommt. Auch Gesundheitsmanagement und Prävention gehören dazu. Manche Firmen erkennen das, bei anderen braucht es Anstöße von außen.

Was kann der Arbeitnehmer tun?

Schwickerath: Er muss diese drei Säulen pflegen. Das bedeutet zum Beispiel, dass ich auch meine Erholungszeit realisiere. Dazu braucht es Selbstkritik und Selbstreflexion. Der Einzelne muss erkennen, dass er für sich verantwortlich ist.

Psychische Probleme durch die Arbeitswelt haben stark zugenommen. Glauben Sie, dass sich diese Tendenz fortsetzen wird?

Schwickerath: Die Arbeitswelt wird nicht einfacher. Der Druck wird größer, Umstrukturierungen stehen an. Erwerbsbiografien ändern sich. Die Menschen müssen sich ständig an neue Medien anpassen, besonders im Gesundheitsbereich nimmt die Verwaltungsbürokratie immens zu. Ich habe da eine extreme Position, ich spreche von "Zertifizierungshysterie".

Raten Sie dazu, am Arbeitsplatz offen mit einer Erkrankung umzugehen?

Schwickerath: Prinzipiell schon, aber in der richtigen Art und Weise. Zum Beispiel indem man sagt: Ich war krank, aber jetzt bin ich wieder da und will mich einbringen. Das wäre ideal.Foto: XXX

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Meinung

Wirklich krank oder nur zu faul?

Von SZ-RedakteurinNicole Bastong

 Walter Balzer

Walter Balzer

 Josef Schwickerath

Josef Schwickerath

Satte 85 Prozent mehr Krankenscheine wegen psychischer Erkrankungen - das ist erschreckend. Die Dunkelziffer ist aber vermutlich viel höher. Viele Betroffene haben Angst, ihre Probleme anzusprechen, gehen lieber nicht zum Arzt oder schieben körperliche Beschwerden vor. Solange psychische Leiden in der Arbeitswelt als Schwäche oder Faulheit gelten und Kranke als nicht belastbar, wird sich daran leider nicht viel ändern - traurig, solche Kollegialität.

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