Weitere 43 assyrische Geiseln des Islamischen Staates sind frei

Saarlouis · Genau ein Jahr nach dem Überfall von IS-Terroristen auf 23 Dörfer von Christen in Nord-Syrien sind offenbar alle IS-Geiseln befreit. Bis auf zwei Mädchen, wie der Assyrische Kulturverein Saarlouis berichtet. IS-Terroristen sollen die beiden versklavt haben. Von vier weiteren Assyrern fehle seit dem Februar 2015 jede Spur.

Mit Freude und Erleichterung hat der Assyrische Kulturverein Saarlouis die Nachricht erhalten, dass die letzten 43 christlichen Geiseln , die sich in Nord-Syrien seit etwa einem Jahr in der Gewalt von Kämpfern des Islamischen Staats (IS) befanden, freigekauft worden sind. Wie der Vorsitzende der christlichen Assyrer im Saarland, Charli Kanoun, der SZ mitteilte, hätten Assyrer im Exil aus dem Saarland und der ganzen Welt das Lösegeld für ihre Landsleute gezahlt. Der einzige noch in Syrien befindliche assyrische Bischof Mar-Atrem habe erfolgreich mit den IS-Terroristen über die Freilassung verhandelt, sagte Kanoun.

Der IS hatte bei der Besetzung von 23 mehrheitlich von christlichen Assyrern bewohnten Dörfern am Chabour-Fluss in der Nähe der Grenze zur Türkei im Februar 2015 etwa 300 Geiseln genommen. 21 dieser Geiseln waren nach ihrer Freilassung aufgrund von Lösegeldzahlungen im Sommer 2015 auf Initiative der saarländischen Landesregierung mit Unterstützung der Bundesregierung ins Saarland gekommen. "Besonders diese 21 Geiseln , die auf Vermittlung des Vereins im Saarland eine neue Heimat gefunden haben, freuen sich über den guten Ausgang", erklärte Kanoun.

Die nun frei gelassenen 43 Personen seien überwiegend Frauen und Kinder, die "die Hölle der Geiselhaft" hinter sich hätten. Dennoch bleibe "ein trauriger Schatten", so Kanoun. Denn von vier Personen fehle bis heute jede Spur, auch der IS wisse angeblich nichts von diesen Menschen. Noch schlimmer aber sei das Schicksal von zwei jungen Mädchen . Das eine Mädchen wurde nach Kanouns Angaben schon gleich am Anfang der Geiselhaft als Sklavin weiterverkauft und niemand wisse, wo und mit wem es heute lebt.

Das zweite Mädchen habe zu denen gehört, die vor wenigen Tagen freigekauft worden seien. "Auch dieses Mädchen hatte das Scharia-Gericht hinter sich und war mit den anderen auf dem Weg in die Freiheit. Doch bei dem letzten Kontrollpunkt der IS-Terroristen stürmte ein Mann in den Bus und zerrte das Mädchen heraus mit dem Schrei, es sei seine Frau", berichtete Kanoun. "Wir können nur erahnen, was die Menschen durchmachten bis zum Schluss - nur weil sie Christen sind", sagte der Chef des Assyrischen Kulturvereins Saarlouis verbittert.

Vor dem syrischen Bürgerkrieg hätten etwa 250 000 assyrische Christen am Chabour-Fluss im Norden Syriens friedlich und ohne Schwierigkeiten mit ihren muslimischen Nachbarn zusammengelebt. Der Krieg habe alles verändert, auch das Verhalten der Muslime zu den Christen . Was folgte, waren eine grausame Verfolgung und Ermordung von Christen , wie es die Assyrer vor genau 100 Jahren durch die Jungtürken erfahren hätten. Zeitgleich mit dem Völkermord von Türken an christlichen Armeniern 1915/16, bei dem etwa 1,5 Millionen Menschen umgebracht wurden, wurden von Türken auch etwa 60 000 christliche Assyrer ermordet, wie es in historischen Quellen heißt.

Heute leben nach Kanouns Angaben von vormals 250 000 noch etwa 800 assyrische Christen am Chabour-Fluss, die nicht auswandern oder flüchten konnten oder wollten. "Sie leben in der ständigen Angst, ihr Leben zu verlieren", sagte Kanoun. "Es wäre eine große Geste der Solidarität, den bewundernswerten Bischof Mar-Atrem in unser Land einzuladen. Er könnte ein ehrliches Zeugnis geben von dem, was sich in der Heimat der Assyrer abspielte und wie er die Zukunft der assyrischen Christen sieht", betonte Kanoun.

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