Was sich tut und was sich tat

Saarlouis · Lang gehaltene Spannung, langer Applaus: SilberHerz, Saarlouis als Klangteppich auf der Bühne, das Stück des Stadtschreibers Alfred Gulden, feierte am Samstagabend Premiere.

 Jedem seinen eigenen Bühnenvorhang zwischen den Akten: Dazu dienten die schwarzen Textbücher des SilberHerz-Chores.

Jedem seinen eigenen Bühnenvorhang zwischen den Akten: Dazu dienten die schwarzen Textbücher des SilberHerz-Chores.

Wer sich umdrehte während der Premiere von SilberHerz am Samstagabend im Theater am Ring und den 450 Besucherinnen und Besuchern ins Gesicht schaute, sah Spannung bis zum plötzlichen Ende des Stücks. So ziemlich alles dürfen Künstler, bloß eines verzeiht ihnen das Publikum nicht: dass sie es langweilen. Alfred Gulden und seine knapp 60 "Stimmen" zogen das Publikum in den Bann. Dabei passierte in den 90 Minuten fast nichts. Ein Sprechchor, aus dem 33 einzelne Stimmen heraustraten. Sie berichteten über sich als die Platanen der Stadt, als Soldat Lacroix, als Stadtbote, als Hunde, Straßenkehrer, Maggi und Meggo, als kleiner Franzose. Der übrige Chor ("Wir sind der SilberHerz-Chor, wir sagen laut und sagen vor, was sich tut und was sich tat.") antwortete darauf.

So entstand ein Klangteppich aus Erinnerungen: aus der Stadt, sonst ohne zwingenden Zusammenhang. Personen, Ereignisse, die eine Stadt hervorbringt, wenn die Zeitläufte sie streifen. Wahr vieles, was Alfred Gulden dichtete, wahrscheinlich manches andere. SilberHerz ist ein Saarlouis des Gefühls ganz ohne Duselei.

Mancher Besucher verstand nicht alles auf Anhieb. Gulden zitiert immer wieder aus seinen eigenen Büchern, oder er ritzt nur an, worüber man nachdenken möchte ("Ohne Kenntnis der fremden Sprache wirst du nie das Schweigen des Ausländers verstehen", zum Beispiel). Und nicht gleich erschloss sich, dass die 60 Sprecher, der SilberHerz-Chor, aus der Perspektive der Flucht erzählen und sich im Sprechen erinnern an das Frühere. Sie sind auf der Flucht aus dieser Welt vor einem apokalyptischen Untergang wie der biblischen Sintflut. Deswegen dauernd wie ein Stoßgebet "Wir retten uns, wir retten uns, wir fliehen." Gulden hat bis zuletzt stark gekürzt, und der apokalyptische Rahmen schloss sich nicht ganz.

 Waltraud Schneider, Peter Molitor und Niklas Tils als Stimmen im SilberHerz-Chor.

Waltraud Schneider, Peter Molitor und Niklas Tils als Stimmen im SilberHerz-Chor.

 Der Autor und Regisseur als Dirigent der Stimmen der Stadt: Alfred Gulden bei der Premiere von SilberHerz. Fotos: Thomas Seeber

Der Autor und Regisseur als Dirigent der Stimmen der Stadt: Alfred Gulden bei der Premiere von SilberHerz. Fotos: Thomas Seeber

SilberHerz ist "ein Stück von einem Saarlouiser mit Saarlouisern für Saarlouiser", unterstreicht Gulden. Der Autor, auch gelernter Sprecherzieher, rechtfertigte den Mut, einen großen Sprechchor aus Laien, zwölf bis 85 Jahre alt, ohne Bühnenerfahrung, in diesem Theatersaal und in unvermeidlicher Konkurrenz zu Guldens eigener, starker Sprechmelodie antreten zu lassen. Ein Jahr probten sie, wurden sie von Gulden in Zucht genommen. So haben sie es gepackt, ohne dass die einzelne Stimme ihre Herkunft verleugnete.

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