Waffenabsatz steigt rapide an

Saarlouis · Seit Anfang des Jahres erleben die Waffengeschäfte in ganz Deutschland einen wahren Boom. Gekauft werden vor allem genehmigungsfreie Waffen zur Selbstverteidigung. Der Trend ist auch im Kreis Saarlouis zu beobachten, ergab eine Umfrage der SZ.

 Pia Göthlich mit Schlagstock und Pfefferspray. Foto: Axel Künkeler

Pia Göthlich mit Schlagstock und Pfefferspray. Foto: Axel Künkeler

Foto: Axel Künkeler

"Das sind fast schon Panikkäufe", meint Knut Ley. Der Inhaber von Ley Freizeitartikel in der Saarlouiser Bibelstraße hat eine Verzehnfachung der Nachfrage seit Anfang Januar registriert. Schon im Herbst 2015 habe der Absatz um das Drei- bis Vierfache zugenommen, doch die Vorfälle an Silvester in Köln und anderen Städten hätten einen regelrechten Boom ausgelöst.

Gekauft werde alles, von Pfeffersprays über Schlagstöcke und Messer bis hin zu Elektroschockern. Deren Verkauf sei völlig legal, nur bei Schlagstöcken und Elektroschockern gelte eine Altersgrenze von 18 Jahren. Diese gilt auch bei Schreckschuss-Pistolen, die im Dillinger Waffengeschäft Obertreis angeboten werden.

Das seit 1977 an der Merziger Straße angestammte Geschäft wird von Bernd Obertreis und seiner Schwester Pia Göthlich geführt. Göthlich verweist darauf, dass der Kleine Waffenschein zusätzlich erforderlich sei, wenn man die Schreckschusswaffen am Körper mitführen wolle.

Die zuständige Sachbearbeiterin bei der Kreisordnungsbehörde, Kerstin Meyer bestätigt, dass seit Anfang 2016 bereits mehr als 200 Anträge für den Kleinen Waffenschein beim Landratsamt in Saarlouis gestellt wurden. Allein in der letzten Januarwoche waren es 51 Anträge.

In den beiden Geschäften herrscht in diesen Tagen Hochbetrieb, es könnte noch weit mehr verkauft werden. Aber es gibt immer wieder Lieferengpässe, weil die Hersteller mit der Produktion nicht nachkommen. Aktuell sind Elektroschocker und Pfeffersprays ("der am besten gehende Artikel") ausverkauft. Eine Lieferung von 50 Sprays sei kürzlich noch am gleichen Tag verkauft gewesen, so viel wie sonst in einem Jahr, berichtet Göthlich. Jetzt habe sie allein im Januar schon mindestens 250 davon verkauft.

Während Ley noch in dieser Woche die nächste Lieferung an Pfeffersprays erwartet, ist bei Obertreis der Liefertermin für die Elektroschocker "ungewiss, obwohl die Produzenten auf Hochtouren arbeiten." Besonders Pfeffersprays würden meist von Frauen oder von Vätern für ihre Töchter gekauft, meint Göthlich. Bei den Käuferschichten kann Ley dagegen keine Unterschiede nach Geschlecht oder Alter erkennen.

"Von ganz jungen Frauen bis hin zu alten Männern", hat der Saarlouiser Händler beobachtet, "alle haben Schiss." Es seien auch nicht nur gebürtige Deutsche, die jetzt ein verstärktes Schutzbedürfnis verspüren. Auch viele schon vor Jahren nach Deutschland Zugezogene, etwa aus Italien oder Kroatien oder Russlanddeutsche kauften jetzt Waffen, um sich selber zu schützen.

Oft sei es auch keine dumpfe Angst vor latenter Gefahr, viele hätten selbst schon Negativ-Erfahrungen gemacht und sich deshalb zum Kauf einer Waffe entschieden. Ley will nach Feierabend zuhause schon gar keine Nachrichten mehr sehen, zu viele schlimme Geschichten bekomme er schon tagsüber zu hören.

Trotzdem scheint der Boom in den Waffengeschäften nur ein Teil der Wahrheit zu sein. Ein Großteil der Menschen lebt trotz der schrecklichen Ereignisse von Paris und Köln normal weiter, wie eine SZ-Umfrage dazu ergab. "Keine Pauschal-Urteile, nicht von wenigen auf alle schließen, keine übertriebenen Ängste haben", auch diese Stimmen hört man in diesen Tagen oft im Kreis Saarlouis .

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Hintergrund Schreckschusswaffen: Erwerb und Besitz legaler Schreckschusswaffen sind ab dem 18. Lebensjahr genehmigungsfrei. Das Führen dieser Waffen außerhalb der eigenen Wohnung oder des eigenen Grundstücks erfordert den Kleinen Waffenschein, wie der stellvertretende Leiter der Kreisordnungsbehörde beim Landratsamt Saarlouis , Thomas Graus, bestätigt. Das Schießen mit einer Schreckschusspistole ist auch bei Besitz des Kleinen Waffenscheins nur auf dem "befriedeten Besitztum" zulässig. Eine Ausnahme bildet nach Paragraf 12, Absatz 4 des Waffengesetzes jedoch etwa die Notwehr.Elektroschocker mit PTB-Prüfzeichen sind seit Anfang 2012 in Deutschland erlaubt und ab dem 18. Lebensjahr freiverkäuflich. Ebenso Schlagstöcke, deren Führen auf der Straße aber eine Ordnungswidrigkeit und bei öffentlichen Veranstaltungen sogar eine Straftat darstellt. Auch der Einsatz zur Notwehr ist rechtlich problematisch.Legale Pfeffersprays mit PTB-Prüfzeichen dürfen bereits von Jugendlichen, also ab dem 14. Lebensjahr benutzt werden. ajk

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