Trotz Krankheit in die Kita

Saarlouis · Wenn Kinder krank sind, gehören sie nicht in die Kita. Was sich in der Theorie so einfach anhört, kann in der Praxis nicht immer umgesetzt werden. Und das macht Kitas zu schaffen. Besonders in diesem Jahr.

"Wir haben 180 Kinder in unserer Einrichtung. Da ist immer eins krank", sagt Vera Burger, Leiterin der Kita Heilig Sakrament in Dillingen. Dass sich Erkältung und Magen-Darm-Erkrankung allerdings in einer derartigen Häufigkeit die Klinke in die Hand geben, wie es derzeit der Fall ist, hat Seltenheitswert. "So schlimm habe ich das in 32 Berufsjahren nicht erlebt", sagt Burger. Wie die meisten ihrer Arbeitskollegen kennt sie eine der Ursachen, die es den Einrichtungen erschwert, Krankheiten in den Griff zu bekommen. "Die Kinder kommen oft zu krank zu uns", sagt Burger. Obwohl man den Eltern empfehle, sie nicht in die Kita zu schicken, wenn sie nicht fit sind.

Das sieht auch Dr. Monika Weber, Kinderärztin und Leiterin des Jugendärztlichen Dienstes beim Landkreis Saarlouis , so. "Grundsätzlich gilt: Ein Kind mit Fieber, Erbrechen und/oder Durchfall gehört nicht in die Kita. Akute Magen-Darm-Infekte, oft durch Viren hervorgerufen, sind zurzeit in vielen Kitas hartnäckig in Umlauf", erklärt Weber. Und nicht nur das. Auch der Verlauf von Influenza-Erkrankungen sei in diesem Jahr sehr heftig. "Daneben haben wir es noch mit einem bunten Spektrum an anderen Viren und Bakterien zu tun", weiß Weber. Ein Kind sollte das Recht auf ausreichend Zeit haben, sich im häuslichen Umfeld von einer Erkrankung erholen zu dürfen, sagt die Ärztin.

Doris Richter, Leiterin der Kita Tausendfüßler in Schwalbach, kann dem zustimmen. Dort müssen die Kinder zwei Tage nach Abklingen einer Magen-Darm- oder einer Erkrankung mit Fieber zu Hause bleiben. "Davon rücken wir nicht ab", sagt sie. "Auch Eltern haben einen Krankenschein, wenn sie krank sind. Die Verantwortung für ein krankes Kind sollte nicht in fremde Hände geben werden", sagt Richter, deren Einrichtung 156 Kinder besuchen.

Dass Eltern ein Recht darauf haben, zu Hause zu bleiben, wenn ihr Kind krank ist, ist gesetzlich geregelt. Zehn Tage stehen jedem Elternteil zu, Alleinerziehende haben Anspruch auf 20 Tage. Soweit die Theorie. In der Praxis, weiß Doris Richter, fällt es nicht immer leicht, dieses Recht in Anspruch zu nehmen. "Es dürfte zwar nicht sein, aber nicht jeder Arbeitgeber sieht es gerne, wenn die Eltern mit einem Kinderkrankenschein zu Hause bleiben", sagt sie.

Dass Kinder krank in die Kita kommen, sei im Laufe der letzten Jahre vermehrt zu beobachten. Aus vielerlei Gründen: "Oft sind beide Eltern berufstätig. Auch fehlt bei vielen der familiäre Rückhalt, gerade dann, wenn sie zugezogen sind. Nicht selten haben Alleinerziehende gar niemanden, zu dem sie ihr krankes Kind bringen können." In der Kita Tausendfüßler richte man stets den Appell an die Eltern , das Kind nicht zu bringen, wenn es ihm nicht gut gehe. Aber: "Wir bekommen auch zu hören: Er oder sie hat zwar gebrochen, wollte aber unbedingt kommen." Eine solche Aussage sei natürlich ärgerlich.

Auf Kommunikation setzt auch Susanne Fritsch von der Evangelischen Kita Innenstadt in Saarlouis . Beide Seiten für das Thema Krankheiten zu sensibilisieren, sei wichtig. "Nicht bei jedem Schnupfen muss man gleich die Eltern anrufen. Aber die Eltern müssen auch sehen, dass wir die Gesamtverantwortung für alle Kinder haben", sagt sie.

Dr. Monika Weber dazu: "Eltern und Kita sollten sich vertrauensvoll austauschen zum Wohl des Kindes. Jede Seite sollte die Beobachtungen der anderen Seite ernst nehmen." Das Schwierige beim Kita-Kind sei es, die Grenze zu erkennen zwischen noch tolerablen, leichten Infekten und schwereren Erkrankungen, die Kind und Umfeld gefährden können.

Leichte Infekte, wie eine laufende Nase, seien in dieser Altersklasse "an der Tagesordnung". "Man muss mit gesundem Menschenverstand akzeptieren: Das absolut monatelang infektfreie Krippenkind und Kita-Kind gibt es nicht", betont Weber. Bis zu zwölf Infekte pro Jahr seien bei einem Kita-Kind mit gut reagierendem Immunsystem durchaus normal, sagt sie und blickt optimistisch in die kommenden Wochen: "Es kann angenommen werden kann, dass der Gipfel der Influenza-Erkrankungen erreicht ist. Vielleicht bringt der Frühling bessere Zeiten. Und nicht zu viele Allergien."

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