Tonnenweise Giftmüll lagert an der Grenze

Merten · Nur zehn Kilometer Luftlinie von Saarlouis sind im französischen Merten illegal mehrere Tonnen Giftmüll deponiert. Seit fast zwei Jahren lagern die teils brennbaren Substanzen auf dem Gelände der insolventen Firma eines Saarländers.

Mehrere meterhohe Wannen mit hochgiftigen Säuren sowie tonnenweise brennbare Substanzen lagern auf einem Areal, das nur zehn Kilometer Luftlinie von Saarlouis entfernt liegt. Seit zwei Jahren steht dieser Giftmüll illegal auf einem alten Fabrikgelände direkt an einem Bachlauf. Niemand bewacht die Hallen, wie von den Behörden gefordert. Das Dach der ehemaligen Fabrik ist halb eingefallen, Kinder spielen rund um das Gelände.

In Merten , einer 1000-Einwohner-Gemeinde bei Creutzwald, wurde in der Nähe des Wasserlaufs Grossbach jahrzehntelang ein Metallverarbeitungsunternehmen namens Métallisation Industrielle de Merten (MIM) betrieben. Im April 2013 ging die Firma, in der hauptsächlich Aluminiumteile lackiert wurden, in die Insolvenz. 34 Mitarbeiter verloren ihre Arbeit. Letzter Geschäftsführer und Miteigentümer der Firma war der Saarlouiser André Schmidt. Schmidt sagt heute der SZ: Acht bis neun Bäder mit Schwefelsäure und Salzsäure, insgesamt rund 18 Kubikmeter, sollen sich noch immer auf dem Gelände seiner ehemaligen Fabrik befinden. Sie sollen zur Elektrolyse von Metallteilen verwendet worden sein. Schmidt kritisiert, das Gelände sei heute nur notdürftig durch Zäune gesichert. Er selbst könne "in fünf bis zehn Minuten drinnen" sein. Der ehemalige Geschäftsführer spricht zudem von einer "Gefahr", dass die Säuren in den nahe gelegenen Grossbach gelangen könnten. Bereits kurz nach der Insolvenz habe es ein Leck gegeben. Der Wasserlauf fließt zunächst durch ein streng geschütztes Biosphärenreservat, in dem Biber und seltene Vogelarten leben. Der Bach gelangt dann keine zwei Kilometer weiter in die Bist nahe dem saarländischen Überherrn.

Juristisch gesehen ist Schmidt nicht mehr zur Verantwortung zu ziehen, erklärt Marie-Luce Kolata-Mercier, Fachanwältin für Unternehmensrecht in Metz. Um den Giftmüll müsse sich der Insolvenzverwalter kümmern. Laura Dagota, Sprecherin der Regionalregierung in Metz, bestätigt die Recherchen der SZ. Damit der "nicht gesicherte Giftmüll " nun geräumt werde, habe ihre Behörde dem Insolvenzverwalter Anfang Februar ein Zwangsgeld von 500 000 Euro angedroht, die Frist sei mittlerweile ergebnislos verstrichen. Gegenüber der SZ möchte sich der Genannte nicht zu dem Vorgang äußern.

Dass gehandelt werden muss, zeigt ein aktuelles Beispiel. Ende Januar rückten deutsche und französische Feuerwehr- und Polizeikräfte aus. Vom Gelände der MIM war eine bisher nicht identifizierte Substanz in den Flusslauf gelangt. Wenig später gab es Entwarnung. Die Chemikalie konnte noch auf französischem Gebiet eingefangen werden. Nach ersten Analysen handelt es sich um keine Säure. Sabine Schorr, Sprecherin des saarländischen Umweltministeriums, erklärt, es sei auch keine Gefährdung des Trinkwassers zu befürchten, da die Firma "außerhalb der auf saarländischer Seite genutzten Trinkwasserversorgungsanlagen" läge. Inwieweit gefährliche Stoffe über die Gewässer transportiert werden können, könne man aber nicht beurteilen. Man habe auch keine Informationen zur Lagerung des Giftmülls. Die Firma sei bisher nicht Gegenstand von eigenen Untersuchungen gewesen, da sie im Zuständigkeitsbereich der französischen Behörden läge. Die französische Regionalregierung sagte der SZ, man befürchtet "negative Auswirkungen auf die Umwelt" im Falle einer Havarie. Nun soll sogar das das nationale Umweltministerium eingeschaltet werden. Geräumt ist der Giftmüll damit freilich noch nicht.

Offenbar folgt man damit einer Tradition. Nach übereinstimmenden Angaben ehemaliger Mitarbeiter der MIM und Anwohnern der Stadt Merten wurden jahrelang in den frühen Morgenstunden Giftstoffe in den Bach geschüttet. Schmidt streitet das ab. Fakt ist: In Merten gibt es mittlerweile keine Fische mehr. Und seit Anfang 2000 wurde der damalige Firmenchef neun Mal wegen Umweltvergehen von der Regionalregierung angemahnt. Strafzahlungen oder gar Prozesse gegen ihn gab es aber keine. Nach kleinen Unterbrechungen konnte Schmidt den Betrieb stets wieder aufnehmen.

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