"Sklaverei direkt vor unserer Haustür"

Schwester Lea, Sklaverei direkt vor unserer Haustür - für viele Menschen ist das kaum vorstellbar. Wo gibt es Sklaverei in Deutschland?Lea Ackermann: Es gibt sie leider, direkt vor unserer Haustür. Es gibt Bordelle, "Wellness-Zentren", Wohnwagen. Natürlich betrifft es auch andere Arbeitsverhältnisse, aber Prostitution ist die schärfste Form des Sklavenhandels. Ganz junge Mädchen werden dafür hier zu uns nach Deutschland geschleppt. Wir hatten kürzlich ein Mädchen, ich habe selbst mit ihr gesprochen, die wurde von der Polizei zu uns gebracht. Es war ihr 15. Geburtstag. Die wurde schon drei Jahre lang in Flatrate-Bordellen angeboten. Schlepper hatten sie aus einem osteuropäischen Kinderheim geholt. Man kann sich gar nicht vorstellen, was das mit einem Menschen macht. Es ist unvorstellbar, dass das mitten in Deutschland möglich ist. Aber es ist möglich, es geschieht tausendfach!

 Lea Ackermann. Foto: dpa

Lea Ackermann. Foto: dpa

Schwester Lea, Sklaverei direkt vor unserer Haustür - für viele Menschen ist das kaum vorstellbar. Wo gibt es Sklaverei in Deutschland?Lea Ackermann: Es gibt sie leider, direkt vor unserer Haustür. Es gibt Bordelle, "Wellness-Zentren", Wohnwagen. Natürlich betrifft es auch andere Arbeitsverhältnisse, aber Prostitution ist die schärfste Form des Sklavenhandels. Ganz junge Mädchen werden dafür hier zu uns nach Deutschland geschleppt. Wir hatten kürzlich ein Mädchen, ich habe selbst mit ihr gesprochen, die wurde von der Polizei zu uns gebracht. Es war ihr 15. Geburtstag. Die wurde schon drei Jahre lang in Flatrate-Bordellen angeboten. Schlepper hatten sie aus einem osteuropäischen Kinderheim geholt. Man kann sich gar nicht vorstellen, was das mit einem Menschen macht. Es ist unvorstellbar, dass das mitten in Deutschland möglich ist. Aber es ist möglich, es geschieht tausendfach!

Seit wann engagieren Sie sich für diese Mädchen und Frauen?

Ackermann: Wenn ich es mir recht überlege, kam der letzte Anstoß dazu, mich für Frauen einzusetzen, die schlichtweg überleben wollen und sich deshalb prostituieren müssen, bei der Weltfrauenkonferenz in Nairobi 1985.

Wie kann Ihr Verein ihnen helfen?

Ackermann: Wir müssen die am Boden Liegenden ermächtigen, dass sie selbst für ihre Rechte eintreten können. Wir müssen den jungen Mädchen und Frauen sagen: Du hast Gaben und Fähigkeiten, die du nutzen kannst. Das ist unser Ansatz. Ich war als Ordensschwester in Mombasa, Kenia, eingesetzt. Und es hat mich so wütend gemacht, dass die Touristen, die dorthin kamen, die Geld hatten für eine Weltreise, dort die Frauen in ihrem Elend gesehen haben, und sie für ihr billiges Vergnügen einfach aufkaufen konnten.

Ich habe damals begonnen, mit den Frauen zu arbeiten. Das ist fast 30 Jahre her, und wir haben inzwischen viele Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen gegründet, vor allem an der Küste. Wir haben die Frauen ausgebildet als Bäckerin, Näherin, zur Herstellung von Sandalen oder Seife. Wir haben sie dabei unterstützt, das zu tun, was sie gut können, um zu überleben.

In Deutschland arbeiten Sie vor allem mit Migrantinnen. Wie erreichen Sie die Frauen?

Ackermann: In Deutschland sind wir seit 25 Jahren tätig, wir haben 15 Beratungsstellen und Schutzhäuser im ganzen Land, von Passau bis Braunschweig. 1709 Frauen aus 105 Ländern dieser Erde haben sich im vergangenen Jahr erstmals an uns gewendet.

Das ist ein Erfolg, aber ein sehr trauriger.

Ackermann: Das kann man wohl sagen. Wir erreichen sehr viele Frauen, sind gut vernetzt. Teilweise kommen sie über andere, die schon von uns gehört haben, oder über Nachbarinnen, viele über die Polizei.

Aber alle unsere Forderungen, das sind nur kleine Basteleien, wir kommen nicht an die Wurzel des Problemes heran.

Deshalb haben wir eine Petition auf unserer Internetseite gestartet: "Mach den Schlussstrich!" Inzwischen haben wir allein im Internet über 3000 Unterschriften für die Abschaffung der Prostitution. Stellen Sie sich vor, wir hätten 50 000 Unterschriften, das könnte die Regierung nicht ignorieren.

solwodi.de

Auf einen Blick

Lea Ackermann ist Referentin bei der Infoveranstaltung "Sklaverei heute - Frauenhandel vor unserer Haustür" am Mittwoch, 6. November, 18.30 Uhr, im Vereinshaus in Fraulautern. Veranstalter sind die Frauenbeauftragten des Landkreises Saarlouis und der Städte Dillingen und Saarlouis in Verbindung mit dem Frauennetzwerk. Weitere Referenten sind die Pädagogin Barbara Filipak und Sabrina Müller, Mitarbeiterin bei Aldona, zur Situation im Saarland. Der Eintritt ist frei. nic

Zur Person

Dr. Lea Ackermann ist Vorsitzende und Gründerin der Menschenrechtsorganisation Solwodi (Solidarity with women in distress/Solidarität mit Frauen in Not). Die Ordensfrau ("Weiße Schwestern") wurde 1937 in Völklingen geboren, nach einer Banklehre in Saarbrücken studierte sie Theologie, Pädagogik und Psychologie in Toulouse und München. 1985 gründete sie in Kenia den Verein Solwodi. nic

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