Sing ein Lied, wenn du mal traurig bist

Saarlouis · „Sie wünschen – wir senden!“, heißt es jeden Montagnachmittag in der St. Elisabeth-Klinik Saarlouis. Seit 1993 erfüllt das Team des Klinikradios Musikwünsche der Patienten, ebenso schwungvoll wie einfühlsam.

"Achtung bitte", sagt Günter Augst. "Noch 20 Sekunden." Konzentrierte Stille, dann leuchtet die rote Lampe an der Wand auf - das Klinikradio ist "on air". "Einen wunderschönen guten Tag, meine Damen und Herren!", spricht Augst ins Mikrofon. "Heute haben wir wieder einen Tisch voll Musik."

Die 800. Sendung des Klinikradios in der St. Elisabeth-Klinik in Saarlouis läuft. Seit 22 Jahren erfüllen Horst und Theresia Gehl, Walter Schäfer und Günter Augst Musikwünsche der Patienten . Zu viert sitzen sie geschäftig am Moderationspult, vor sich sortierte CDs und Bücher, versehen mit bunten Haftnotizen. An den Wänden Tausende von CDs und technisches Equipment, von Kameras über Computer bis CD- und Mini-Disc-Playern. Während der erste Schlager der Sendung erklingt, "Sing ein Lied, wenn du mal traurig bist", telefoniert Horst Gehl noch schnell die Wunschliste ab, damit auch kein Patient seinen Hit verpasst.

Trost und Abwechslung

Mit Schwung aufheitern und unterhalten, gleichzeitig einfühlsame Worte für die Kranken finden, das haben sich die Moderatoren des Klinikradios zum Ziel gesetzt. Die Idee hatte Theresia Gehl schon, als sie selbst vor Jahrzehnten Patientin war: "Da gab es nicht viel, vor allem nichts ohne Werbung." Und als sie 1992 Vorsitzende des Klinik-Fördervereins wurde, schritt sie gleich zur Tat und setzte mit ihrem Mann die Idee um. "Wir haben sonntags die Sendung auf Kassetten zu Hause vorproduziert", erinnert sich Horst Gehl lachend.

Heute geht das professioneller: Routiniert bedienen die Moderatoren Knöpfe und Schalter, abwechselnd kündigen sie die Titel an, dazu übermitteln sie Grüße, Geburtstags- und Genesungswünsche. Neben den Montags-Sendungen sendet das Klinikradio rund um die Uhr Musik: "Für die, die nicht schlafen können." Zudem können die Patienten die Gottesdienste in der Kapelle von ihrem Bett aus verfolgen.

Beliebte Klinik-Hits

Während Schäfer ein Frühlingsgedicht vorträgt, legt Theresia Gehl die nächsten Wünsche bereit. Klassik, Musicals, Jazz, Oldies, Schlager , Volksmusik - das Klinikradio spielt alles, was das Herz begehrt. Viele der inzwischen gut 36 000 Titel sind digitalisiert. "Aber Hunderte von Schallplatten warten noch darauf", schmunzelt Horst Gehl.

Der nächste Hit ertönt, die Lampe wechselt zu grün: Es darf wieder laut gesprochen werden. Die Klinik-Hits sind "ganz klar das Ave Maria und der Gefangenenchor aus der Oper Nabucco", zählt Theresia Gehl auf, außerdem das Orannalied, "Nessun dorma" und eher Trauriges wie "Von guten Mächten wunderbar geborgen" oder "Time to say goodbye". Doch auch Unterhaltsames gehört zum festen Wunsch-Programm: "Helene Fischer ist sehr beliebt."

Theoretisch erreicht das Klinikradio über die Kopfhörer am Krankenbett 168 Zimmer mit rund 400 Patienten . "Natürlich hören nicht alle zu, die Jüngeren haben ihren eigenen MP3-Player dabei," erzählt Gehl. "Aber sehr viele kennen uns. Das merke ich, wenn ich zu den Patienten gehe."

Stundenlange Vorarbeit

Sie wählt immer einen passenden Text oder ein Gedicht zur Musik aus, stellt mit ihrem Mann sonntags drei bis vier Stunden lang das Programm zusammen. "Musik und die kleinen Texte bewirken schon etwas Besonderes", davon ist sie überzeugt. "Das ist Abwechslung, aber auch Trost."

Während der Jubiläumssendung klopft es immer wieder an der Tür des Senderaums, Besucher überbringen Glückwünsche, die Klinikleitung, später noch die Seelsorger. Das Radio ist eben eine feste Institution. "Manche Patienten begleiten wir über Jahre. Die kommen immer wieder ins Haus", erzählt Theresia Gehl.

Emotionale Momente

"Da bauen sich persönliche Beziehungen auf." An viele emotionale Momente kann sie sich erinnern: "Wir hatten mal einen 50. Hochzeitstag, da hat sich ein Mann ein Lied für seine Frau gewünscht. Und einmal war auch ein kleines Mädchen hier, die hat mit einem Lied ihre Mutter gegrüßt." - "Ruhe bitte!", mahnt Augst. Es geht weiter.

Meinung:

Respekt für das Radio-Team

Von SZ-Redakteurin Nicole Bastong

Respekt für das, was die ehrenamtlichen Radio-Macher geschafft haben: 800 Wunschsendungen, die den Kranken Unterhaltung und Trost in einsamen Stunden brachten. Früher wurden auch Interviews gesendet, es gab täglich Moderationen, eine Kindersendung, sogar Kappensitzungen an Fastnacht. Doch seit es keine Zivildienstleistenden mehr gibt, müssen die vier Senioren das Klinikradio alleine schultern. Ob es eine 1000. Sendung wohl noch geben wird?

Zum Thema:

HintergrundAm 15. März 1993 ging das Klinik-Radio auf Sendung. Inzwischen haben die ehrenamtlichen Moderatoren 800 Sendungen produziert. "Sie wünschen - wir senden!" läuft immer montags von 15.30 bis 17.30 Uhr auf Kanal 69.Musikwünsche können die Patienten entweder den Moderatoren persönlich bei ihren Besuchen abgeben oder über die kostenlose Klinik-Telefonnummer 16 65.Finanziert wird das nach wie vor einzige Klinikradio im Saarland vom Freundes- und Förderverein St. Elisabeth-Klinik Saarlouis . nic

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