Ringelpietz mit Lettow-Vorbeck?"Ringelpietz mit Lettow-Vorbeck"

Meine Vorfahren führe ich bis auf jene Menschen zurück, die Saarlouis erbaut haben. Ich mache mir Sorgen um das Geschichtsverständnis einer Stadt mit der nicht alltäglichen Historie - auch der militärischen - wie unser Saarlouis. Sie hat es nicht verdient, dass ihre großen Gestalten auf dem Altar eines oft närrischen Zeitgeistes geopfert werden

Meine Vorfahren führe ich bis auf jene Menschen zurück, die Saarlouis erbaut haben. Ich mache mir Sorgen um das Geschichtsverständnis einer Stadt mit der nicht alltäglichen Historie - auch der militärischen - wie unser Saarlouis. Sie hat es nicht verdient, dass ihre großen Gestalten auf dem Altar eines oft närrischen Zeitgeistes geopfert werden. Saarlouis gebühren vielmehr historisch nobel denkende Politiker, die den Zeitgeist samt Political Correctness zuweilen bewusst in den Mülleimer befördern. Wozu in diesem Land - mittlerweile - Courage gehört. Doch, wie schon Hermann Hesse klagte: "Leute mit Mut und Charakter sind den anderen Leuten immer sehr unheimlich." Generalmajor Paul von Lettow-Vorbeck wird vornehmlich als tapferer, in vielem Beispiel gebender Soldat geschildert, dem seine früheren Gegner, gerade im Ausland - man beachte dies gebührend! - bis heute unverändert hohen Respekt zollen; ein Mann, der dem Werben der NSDAP widerstand, der deswegen von Goebbels als "Stänkerer gegen die Partei" und "Reaktionär" beschimpft wurde. Lettow-Vorbeck zeigte Hochachtung vor den afrikanischen Askaris, als der Rassismus in Deutschland noch seine Hochzeit feierte, und setzte hartnäckig eine kleine Rente für sie durch. Lettow-Vorbeck dachte und handelte also eben nicht so zeitgeistig und so "provinzpossierlich", wie es in Saarlouis einige Parteien oder deren Versprengsel nun beabsichtigen - sondern überzeitlich. Dies allerdings kann man nur mit dem nötigen Geschichtswissen und dem gebotenen Respekt vor verflossenen Zeitaltern und ihren Protagonisten tun. Gerade offenkundig willfährige Zeitgeister wie jene (nicht alle) lettow-vorbeck-aversiven Ratsherren sollten sich bitteschön - wie wir allesamt - durchaus einmal prüfen, wie sie denn wohl unter dem Zeitgeist, unter dem Terror der Nazi-Diktatur gehandelt haben würden. Der konservative Lettow-Vorbeck hat es ihnen jedenfalls vorgemacht. Ach ja: Die SED-Rechtsnachfolgepartei, die Linke - die sich überall für die Umbenennung von Lettow-Vorbeck-Straßen (zum Beispiel in Wuppertal) vehement einsetzt - sollte schon gar keinen Einfluss auf eine solche Frage nehmen, sich lieber ihrer Grauen erregenden Untaten erinnern und diese öffentlich bereuen; beispielsweise jene etwa 150 heimlichen Hinrichtungen durch Genickschuss in der DDR. Wenn man die Lettow-Vorbeck-Straße schon umbenennen möchte, dann doch am besten in "Straße der Erinnerung an die ungeahndeten Verbrechen der SED". Graf von Stauffenberg war, wie von Lettow-Vorbeck, ein aufrechter, vaterlandsliebender Konservativer und Offizier. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis linke Oberbesserwisser auch diesen Namen nicht mehr tolerieren mögen. Ich habe in der Bibel und im Grundgesetz nachgeschlagen: Nirgendwo steht darinnen, dass Linke immer Recht hätten. Kein Wort davon. Es steht aber etwas von der Würde des Menschen drinnen. Und die sollte man selbst einem Herrn von Lettow-Vorbeck in seiner Heimatstadt nicht so beschneiden, wie es nunmehr einige Kommunalpolitiker betreiben. Schon die Brückenbezeichnung Lettow-Vorbeck hätte man aus Traditionsgründen belassen sollen. Inzwischen ist die Brücke nach einem Herrn benannt, den bei einer Umfrage auf dem Großen Markt kaum ein Bürger kennen dürfte. Die Vita Lettow-Vorbecks hin oder her: Es ist nachvollziehbar, dass zum Beispiel die frühere Saarlouiser "Gefängnisstraße" umbenannt werden musste, da den Anwohnern die Anschrift peinlich war. Doch es gibt auch eine Verbundenheit mit althergebrachten Straßennamen, wie eben jenem von Lettow-Vorbeck, ganz losgelöst von der Person. Auch diese sollte man tunlichst respektieren. Und wo endet es denn überhaupt dereinst, wenn von uns Neuzeitlingen, aus vermeintlich überlegener Warte, Zeitgenossen versunkener Epochen gedemütigt werden? Wollen wir nicht auch die Römerstraße in Roden lieber gleich umbenennen, weil die Römer Karthago damals ohne die vorherige Einwilligung des Saarlouiser Stadtrates zerstört haben? (Wie wäre es statt dessen mit "Avenue Oskar Lafontaine"?). Natürlich: Lettow-Vorbeck war - wie wir alle - ein Mensch mit Fehlern und er beging durchaus einige davon, die einen Menschenfreund, der Krieg verabscheut, nicht für ihn einnehmen. Auch mich nicht. Er war kein Albert Schweitzer. Und kein Robert Koch. Dies sei gerne eingeräumt. Dennoch schmälert dies seinen geschichtlichen Rang insgesamt mitnichten in jenem Maße, wie man es nun versucht. Wenn ein Land Generale ausbildet und in überaus fragwürdigen Kriegen einsetzt (damals in Ost-Afrika, heute in Afghanistan), kann es wohl kaum erwarten, dass diese mit den Gegnern vor Ort Norwegerpullover stricken oder Ringelpietz tanzen. Sie kämen vor ein Kriegsgericht. Wenn ein Buchautor - dessen frühere Mitarbeit an der umstrittenen, weil tendenziösen Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht" seine Lieblingsbeschäftigung unschwer erraten lässt - über Land fährt, um für ein neues Werk zu werben, sollte man nicht überhastet seinen Darlegungen nachhecheln. Sondern vielmehr - bevor man urteilt - die viel mächtigere Gesamt-Literatur über den Delinquenten sorgsam sichten. Ist das im Rat geschehen? Betrachtet man den Autor womöglich als unabhängigen Gerichtshof? War der Schreiber (Jahrgang 1966) bei den vermeintlichen Untaten denn etwa persönlich zugegen? Lettow-Vorbeck kann sich gegen die Anwürfe jedenfalls nicht mehr verteidigen. Die Saarlouiser Bürger sollten für ihren Saarlouiser Landsmann und Ehrenbürger - zu dem er 1956 noch ernannt wurde, nicht etwa 1933 - klar Partei ergreifen. Und zwar nicht nur, weil bei Umbenennung unnötig neue Visitenkarten und Geschäftspapier gedruckt werden müssten, was die Grünen eigentlich zuhöchst alarmieren müsste. Demokratie findet eben nicht mit diskretem Murren oder Wutausbrüchen beim Zeitungslesen statt. Die Gewählten haben eine Postadresse. Und jenen (nicht allen) mir historisch zu respektlosen Ratsmitgliedern, die gegen Lettow-Vorbeck agitieren, sei zudem die Frage gestellt, ob Saarlouis nicht eigentlich wichtigere Probleme hat als die ideologiegespeiste Umbenennung einer Straße. Beispielshalber den Wiederaufbau - auf demselben Terrain bitte sehr - des gegen den ausdrücklichen, vieltausendfach bekundeten Willen abgerissenen Stadtgartenbades, den man der Bevölkerung schlicht schuldet. Man muss es ja dann nicht gleich "Lettow-Vorbeck-Bad" taufen . . . "Wollen wir nicht die Römerstraße in Roden gleich umbenennen?"Norbert Breuer"Die Saarlouiser sollen für ihren Ehrenbürger klar Partei ergreifen."Norbert Breuer

Zur PersonNorbert Breuer-Pyroth ist geboren am 8. Juni 1954 in Saarlouis-Innenstadt. 1995 erschien erstmals sein Alt-Saarlouiser Wörterbuch "Vaschtesche mich? - Kleines Wörterbuch des Alt-Saarlouiser Sprachgutes" (im Bild der Titel), von dem mittlerweile nahezu 6000 Exemplare verkauft sind.Seit 1995 ist Breuer freiberuflich als deutsch-französischer Managementberater für Exportmarketing und interkulturelles Management, Seminardozent und Buchautor tätig. Als Fachbuchautor zum Thema Frankreich-Export hat er unter anderem in den Verlagen Campus, Ullstein und Haufe veröffentlicht. Daneben schreibt er Beiträge zum französischen Markt für Printmedien.Breuer ist deutscher Delegierter und deutscher Konsulent staatlicher schweizerischer und österreichischer Wirtschaftsförderungen, und er ist überdies als Lehrbeauftragter an der Universität Metz tätig. red

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