Pumpen oder nicht pumpen?

Saarlouis · Es ist eines der Mega-Themen an der Saar: Kann die Flutung der Gruben Schäden verursachen und darf deswegen nicht genehmigt werden? Die Debatte begann Ende 2012, ein halbes Jahr nach Ende des Bergbaus. Sie läuft an verschiedenen Schauplätzen. Im Stadtrat Saarlouis ist sie am heutigen Donnerstag wieder Thema.

Der Nordschacht bei Falscheid gehört zum Bergwerk Saar. Foto: Rolf Ruppenthal

Der Nordschacht bei Falscheid gehört zum Bergwerk Saar. Foto: Rolf Ruppenthal

Foto: Rolf Ruppenthal

Zurzeit halten Pumpen in den stillgelegten Schächten das Wasser auf niedrigem Pegel. Wäre das Trinkwasser im Saarland gefährdet, wenn das Wasser in den Schächten steigt? Niemand kann das zur Stunde wirklich abschätzen. Solange das nicht sicher festgestellt ist, darf es keine Genehmigung geben, die Pumpen abzustellen: Das ist Position unter anderem von Nalbach, Ensdorf, Schwalbach und Saarlouis . Das ist auch Position der Grünen. Sie sagen: Eine Flutung der Gruben würde möglicherweise Auswirkungen in vielen Kommunen im Saarland haben, im Kreis Saarlouis nennen sie außer Überherrn und Wallerfangen alle.

Eine solche auf das Bergwerk Saar (Duhamel und Nordschacht) beschränkte Genehmigung hat das Bergamt 2013 allerdings schon ausgesprochen und umgesetzt. Es erlaubte eine Flutung des Bergwerks Saar aus einer Tiefe von etwa 1200 auf minus 400 Meter, eine Teilflutung. Dabei wird auch Wasser innerhalb der Grube in den Schacht umgeleitet, damit der Pegel schneller steigt.

Formal wurde dazu ein Sonderbetriebsplan genehmigt. Nalbach widersprach dem im April 2015. Das Oberbergamt lehnte den Widerspruch im April 2016 ab. Mit zwei Folgen: Erstens, der Widerspruch hat aufschiebende Wirkung. Die Pumpen laufen wieder und halten den Pegel bei nun etwa 1100 Metern.

Zweitens: Nalbach klagt vor dem Verwaltungsgericht. Der Lebacher Anwalt Rolf Friedrichs vertritt dort die Gemeinde. Andere Gemeinden könnten sich noch anschließen.

Kurz vor dem Widerspruch Nalbachs richtete der Landtag auf Antrag der Grünen einen Untersuchungsausschuss ein. Er soll klären, ob diese Teilgenehmigung widerrechtlich erfolgt ist. Den Vorsitz hat der grüne Landeschef Hubert Ulrich . Die Grünen betrachten die Teilflutung nicht als isolierte Einzelmaßnahme. Sie sehen darin ein erstes Teilstück eines großen Planes, den die RAG Wasserhaltungskonzept nennt. Die RAG widerspricht dieser Sicht. Das Wasserhaltungskonzept hat die RAG im März 2014 vorgestellt. Michael Drobniewski, RAG-Verantwortlicher für Grubenwasser, in einer Bürger-Info: Das Konzept "sieht vor, - unter Ausschluss einer Gefährdung von Mensch und Umwelt - das Grubenwasser in zwei Phasen ansteigen zu lassen, bis es schließlich nach 2035 die Tagesoberfläche erreicht und in die Saar eingeleitet werden könnte."

Einfach gesagt: Die Pumpen werden nach und nach abgestellt, um das Wasser in allen Schächten des Saarlandes so weit ansteigen zu lassen, bis es ab 2035 von selbst bei Ensdorf in die Saar fließt.

Das Konzept soll in zwei Etappen umgesetzt werden, für die es jeweils ein eigenes Planfeststellungsverfahren geben soll. Das erste hat die RAG im April beim Bergamt beantragt. Wesentlicher Bestandteil wird eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) sein.

Das Konzept ist etwas anderes als 2007 im "Erblastenvertrag" vereinbart. Den schlossen die RAG, der Bund, Nordrhein-Westfalen und das Saarland ab. Darin heißt es, das Wasser solle auf "ewig" gepumpt werden, ohne dass dies genauer beschrieben wurde. Und bis 400 Meter unter Null, so steht es dort, sei jegliches Fluten im Saarland ohnehin "unkritisch".

In dem Vertrag ist auch festgehalten: Bis 2018 zahlt die RAG das Pumpen . Danach übernimmt es die RAG-Stiftung. Im Raum stehen angeblich rund 17 Millionen Euro pro Jahr allein für das Pumpen im Saarland.

Wie bezahlen?

Wegen der niedrigen Zinsen wirft das Stiftungskapital aber wenig Ertrag ab, wie RAG-Markscheider Axel Schäfer kürzlich in einer Stadtratssitzung in Saarlouis bestätigte. Reiche das Geld nicht, müsse der Steuerzahler einspringen.

Absehbar fehlendes Geld ist also ein Motiv für den Wunsch der RAG, die Pumpen saarlandweit abzustellen. Doch: Kann geflutet werden ohne Gefahr für Mensch und Umwelt, also vor allem für das Wasser? Für die RAG steht das schon jetzt außer Frage, wie aus ihren Bürger-Infos hervorgeht. Für andere indes nicht. Gutachten werden diese Kernfrage klären müssen.

Es geht dabei um Risiken wie Erderschütterungen, Vernässungen, Gasaustritte (Radon und Methan) und vor allem die Verunreinigung von Trinkwasser . An erster Stelle durch das krebserregende PCB, das laut Landesregierung zwischen 1965 und 1983 unter Tage den Hydraulikölen zugesetzt wurde. Wie viel, weiß keiner. Doch allein zwischen 1979 bis 1983 seien dies rund 1500 Tonnen gewesen, von denen nur 160 Tonnen entsorgt worden seien. Gestritten wird um die Aussage der RAG, das PCB sei so gelagert, dass es vom Wasser nicht ausgespült werden könne, wie Schäfer sagte. In Frage steht auch, inwieweit Gruben- und Grundwasser in Berührung kommen.

Das Wirtschaftsministerium fordert, es müsse "sichergestellt" sein, "dass mögliche Gefährdungen von oberflächennahen Grundwasservorkommen ausgeschlossen werden". Hubert Ulrich : "Es ist unklar, welche Giftstoffe sich in den Gruben noch immer befinden und bei einer Flutung ins Trinkwasser gelangen könnten."

Grubenwasser ist Regenwasser, das sich in den Schächten der Bergwerke sammelt. Verwaltungsgericht: Das Verwaltungsgericht muss entscheiden, ob das Bergamt 2013 zu Recht genehmigt hat, das Wasser in den Bereichen Duhamel Duhamel und Nordschacht bis zu einer Höhe von minus 400 Metern ansteigen zu lassen. Geklagt hat zunächst die Gemeinde Nalbach, und zwar gegen einen Bescheid des Oberbergamtes. Das hat im April 2016 befunden, dass die Genehmigung des Bergamtes zu Recht ergangen sei. Eine spannende Frage wird sein, ob mit der Genehmigung in Form eines Sonderbetriebsplanes ein formaler Fehler gemacht wurde, sagt Anwalt Rolf Friedrichs. Ein solcher Plan gehe immer aus einem Hauptbetriebsplan hervor. Nach Ende des Abbaus müsse das ein Abschlussberiebsplan sein - der liegt aber für das Bergwerk Saar nicht vor.

Untersuchungsausschuss: Ein Untersuchungsausschuss des Landtages klärt derzeit auf Betreiben der Grünen, ob die Genehmigung der Teilflutung 2013 rechtswidrig war. Der Ausschuss-Vorsitzende Hubert Ulrich kritisiert, die Genehmigung sei vom Bergamt in aller Heimlichkeit und gegen den Rat von Fachbehörden erteilt worden. Das Bergamt gehört zum Wirtschaftsministerium, das damals von Heiko Maas (SPD ) geführt wurde.

Landtag: Ein wesentliches Instrument, aus der Opposition heraus ein Thema voranzubringen, sind Anfragen an die Landesregierung. Die werden dir Grünen zum Grubenwasser auch weiter stellen.

Bergamt, RAG: Beim Bergamt hat die RAG ein Planfeststellungsverfahren (PV, "Phase I") beantragt. Es zielt darauf, das Wasser aus Duhamel und Reden zunächst bis auf 320 Meter unter Null ansteigen zu lassen. Das Verfahren ist noch ganz am Anfang. Das PV betrifft auch Sachverhalte der Teilflutung des Bergwerks Ensdorf von 2013, die vor dem Verwaltungsgericht verhandelt wird. Ein weiteres Planfeststellungsverfahren ("Phase II") soll später den Anstieg des Grubenwassers auf 190 Meter über Null erlauben. Das Wasser soll so ab 2035 von selbst in die Saar abfließen.

Stadt- und Gemeinderäte: Kommunen, die von Folgen der Duhamel-Flutung betroffen sein könnten, können zunächst Widerspruch einlegen und auch klagen, wenn sie sich in ihren Rechten eingeschränkt sehen. Darüber entscheidet der jeweilige Rat. Nalbach klagt bereits, Saarlouis hat Widerspruch eingelegt.

Meinung:

Wir müssen es vorher wissen

Von SZ-Redakteur Johannes Werres

Wer auch nur einen Funken Verantwortung hat, wird absolute Klarheit darüber einfordern, ob eine Flutung der Gruben sicher ist. Das muss jetzt geschehen. Denn aus der Grube ist kein Schadstoff mehr herauszuholen, jetzt nicht und später nicht. Und, das darf man nicht vergessen, Wasser, das einmal steht, das steht. Der Pegel, der erreicht ist, lässt sich nie wieder senken. Man muss also vorher wissen. Es ist insbesondere Sache der Landesregierung, auf wirklich verlässliche Aussagekraft von Gutachten zu bestehen. Diesmal darf es nicht so laufen wie seinerzeit bei Grubenbeben und Grubenschäden. Damals regierte schlicht das Misstrauen. DSK/RAG haben da bei sehr vielen Menschen Vertrauen verspielt, Vertrauen auch in die Politik. Und jetzt ist die Verantwortung noch größer als damals.

Zum Thema:

 Der Förderturm der ehemaligen Grube Ensdorf. Foto: Ruppenthal

Der Förderturm der ehemaligen Grube Ensdorf. Foto: Ruppenthal

Foto: Ruppenthal

Auf einen Blick Die Akteure der Auseinandersetzung um das Grubenwasser scheinen bemüht, anders als seinerzeit beim Thema Grubenbeben und Erderschütterungen ausführlich und verständlich zu informieren. Die RAG tut dies im Internet unter www.bergbau-unser-erbe.de; die Landesregierung unter www.saarland.de (Stichwort Grubenwasser eingeben). Die Grünen informieren unter gruene-fraktion-saar.de. we

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