Nieder mit dem Glimmstängel

Saarlouis. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, heißt es. Und ich habe eine schlechte Angewohnheit. Eigentlich sind es einige, aber eine davon brennt mir besonders auf der Seele: Ich bin Raucherin. Und das schon seit gut und gerne 25 Jahren. Nie ans Aufhören gedacht? Sicher, sehr oft, wenn ich Treppen laufe oder Zigaretten für teures Geld kaufen muss

Saarlouis. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, heißt es. Und ich habe eine schlechte Angewohnheit. Eigentlich sind es einige, aber eine davon brennt mir besonders auf der Seele: Ich bin Raucherin. Und das schon seit gut und gerne 25 Jahren. Nie ans Aufhören gedacht? Sicher, sehr oft, wenn ich Treppen laufe oder Zigaretten für teures Geld kaufen muss. Wenn ich an meinen Klamotten rieche oder partout kein Feuerzeug finden kann Es gibt viele Situationen, die mich zum Grübeln bringen, aber ich habe mindestens doppelt so viele Argumente übrig, die mich weiter rauchen lassen - jedenfalls bis am Samstag. "Nichtraucher in fünf Stunden" lautete die Ankündigung der Knappschaft zu einem Nichtraucherseminar. Geht das überhaupt? Lässt sich ein militanter Raucher wie ich umstimmen? Wenn ja, mit welchen Mitteln: Gehirnwäsche, Hokuspokus oder einem bisher völlig unbekannten Wundermedikament? Mit leichtem Sarkasmus und einem "mal sehen, was passiert", treffe ich mich mit sieben weiteren Teilnehmern im Panorama-Hotel. Christiana Frädrich vom "Pigdog Consulting" aus Köln ist die Seminarleiterin - und Ex-Raucherin. Die Sucht begreifenFünf Stunden liegen vor uns, in denen wir die biologische und psychologische Seite des Rauchens beleuchten, viel über das Thema Sucht erfahren und über die Marketingstrategie der Zigarettenkonzerne. "Wir werden viele Raucherpausen machen", sagt Frädrich. Raucherpausen bei einem Nichtraucherseminar? Vielleicht müssen wir ja so viel rauchen, dass uns schlecht wird - ist das die Masche? Nein, ist sie nicht. "Offen für Neues sein", bittet Frädrich uns. Also gut. Sucht: Das nächste Thema, über das wir reden. Frädrich vergleicht das Rauchen mit der Drogen- und Alkoholsucht. Dabei fühle ich mich unwohl, schließlich ist ein Heroinabhängiger oder Alkoholsüchtiger doch nicht mit einem Raucher zu vergleichen, oder doch? Ich muss mir eingestehen, dass auch ich jedes Mal zu "meiner Droge" greife, wenn ich meinen Suchtbefriedigungspegel auf "glücklich" stellen will - so wie es ein Heroinsüchtiger mit der Spritze und ein Alkoholabhängiger mit der Flasche tut. Auch dass Nikotin ein Nervengift ist, verdränge ich bis zu 20 Mal am Tag. Frädrich bittet zum Geschmackstest. Wie schmeckt der Qualm einer Zigarette? Ist leicht zu beantworten, schließlich schmecke ich ihn täglich viele Male: eigenartig, eigentlich unangenehm und sicherlich nicht nach Sinnlichkeit, Freiheit oder Genuss. Nach etwas mehr als zwei Stunden habe begonnen, meine Einstellung zum "Ich rauche gerne" zu überdenken und spiele mit dem Gedanken aufzuhören. Aber Frädrich hat da keine gute Nachrichten für mich, denn: Ich bin süchtig. Nikotin hat mich süchtig gemacht. Aus dieser biologischen und psychologischen Misere komme ich nicht so leicht raus. Wobei sich der biologische Aspekt noch gut anhört: In etwa zwei Wochen hat mein Körper das Nikotin abgebaut - sollte ich durchhalten, bin ich zumindest nervengiftfrei.Nervengift bekämpfenAber da gibt es meinen inneren Schweinehund. Er schenkte mir bisher glückliche Minuten: am Computer, im Auto, in Geselligkeit und so weiter. Kann man die auch ohne Zigarette erleben? Ein paar Tricks, den inneren Schweinehund zu überlisten, hat Frädrich parat, bevor sie uns in die neue Freiheit entlässt. Ob es funktioniert, weiß ich nicht. Aber nach diesem Seminar habe ich kaum noch Argumente, die das Rauchen rechtfertigen. Ich habe am Samstagabend mein noch volles Zigarettenpäckchen abgegeben und mich meiner ersten Härteprobe gestellt: Kaffee trinken, Fernsehen und Computerarbeit ohne qualmende Kippe im Aschenbecher.

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