Garten Nie wieder Friedhofsraketen!
Saarlouis · Garten-Gedanken bei Schnee und Frost? Aber ja. Im Winter lässt sich gut planen, wie es im Garten weitergehen soll; man hat Ruhe, um Pflanzen für spezielle Gartenplätze auszuwählen. Einen Hausbaum zum Beispiel, einen Gefährten für Jahrzehnte. Manches Nadelgehölz taugt dafür nicht – es wächst seinen Menschen über den Kopf.
Geliebt haben wir sie nie. Aber sie waren schon da, als wir Haus und Garten erwarben. Und Bäume gehören respektiert, aus Prinzip. Also blieben sie, wo sie waren, im Vorgarten - drei dicht beisammen und ganz dicht ans Haus gepflanzte Scheinzypressen.
Sie wuchsen. Bald waren sie überm Dach, ein paar Jahre später überm First des höheren Nachbarhauses. Sie machten sich breit, in den Räumen hinter ihnen wurde es dunkel. Das Vorgärtchen, 50 Quadratmeter klein, wirkte wie ein Wohnzimmer, in dem ein riesiger, schwerer Schrank aus Urgroßmutters Zeiten in der Ecke steht: düster, eng, übermöbliert. Ich war unglücklich, schätze ich doch Licht, Luft und Klarheit. Aber ich fürchtete die Krater, die eine Fällaktion samt Wurzelfräsen reißen würde. Vor allem fiel mir zur Neugestaltung nichts ein. Die Friedhofsraketen schossen weiter gen Himmel.
Aber eines sommerlichen Starkregentages kam "Raketenalarm". Im Kellerfenster-Lichtschacht direkt hinter den Bäumen staute sich das Wasser; nur weil der Regen rechtzeitig aufhörte, lief es nicht ins Haus. Nach dem Ausschöpfen stocherte ich den Abfluss wieder frei - und stieß auf dichtes, zähes Wurzelwerk. Nein, so nicht. Es war Zeit für Taten.
Eine Idee blitzte auf, endlich: Verschwände außer den Scheinzypressen auch die ewig kränkelnde Mini-Zierkirsche mittenmang, wäre Raum für einen neuen (Laub-)Baum, einen kleinen, grazilen. Weg mit dem schütteren Rasen, dessen komplizierte Bogenformen mein Mitgärtner bei jedem Mähen verfluchte. Her mit Ziergräsern und robusten Stauden - Blüten, Farbe, Grün für alle Jahreszeiten, mit Gewächsen dabei, die auch im Winter schön sind.
Zunächst mussten aber die Friedhofsraketen weg. Im August mailte ich den Fäll-Antrag ans Saarbrücker Umweltamt. Am Folgetag telefonische Nachfrage: Sind noch mehr Informationen nötig? Nein, sagte Manfred Büch, der Zuständige, freundlich. Die Genehmigung sei bereits geschrieben, meine Fotos seien aussagekräftig: "Bäume so nah am Haus, das gibt fast immer Probleme" - nicht mal einen Meter Abstand hatten die Pflanzer zum Bau und zur Grenze gewahrt. Er habe jedoch die Genehmigung mit der Auflage versehen, ein neues Gehölz zu pflanzen, einen Großstrauch oder Kleinbaum. Gerne, wollten wir ohnehin. "Muss es was Heimisches sein?", fragte ich etwas bang. Nein, nicht nötig, das Gehölz müsse ja zur Gartensituation passen, lautete die Antwort. Ich war erleichtert. Und bekam auch noch einen netten Tipp: "Cornus kousa finde ich persönlich sehr schön." Pause. "Wenn die bei Ihnen geht."
Blumenhartriegel: ja, zauberhaft. Doch mit hohem Anspruch an den Boden - und wir haben schweren Lehm. Besser nicht. Nach langem Tüfteln wählte ich eine Scheinkamelie (Stewartia): langsam wachsend, filigran, schöne Sommerblüten, prächtige Herbstfärbung, reizvolle Winterrinde. Und geeignet für die Boden- und Lichtverhältnisse am vorgesehenen Fleck.
September, Vorbereitungen. Ich pflanzte um, was beim Fällen im Weg sein würde, sodete den Rasen ab - mühsam, überall durchfilzten ihn Wurzeln. Was wir denn vorhätten, fragten die Nachbarn . Ich erklärte. Nachbars links freuten sich, dass auch ihre Zimmer bald mehr Licht haben würden. "Dann brauchen wir doch den Maschendrahtzaun nicht mehr", meinte Herr Nachbar, griff zur Flex und schnitt die Zaunpfosten ab - Freude bei uns.
Oktober. Die Baumpflege- und Baumfäll-Profis rückten an, mit schwerem Gerät. Ihre Baggerschaufel knackte dicke Scheinzypressenwurzeln, als seien es Streichhölzer, hievte Stämme und Ballen auf den Lkw; am Nachmittag waren die Ungeliebten abgeräumt. Nie wieder Friedhofsraketen! Unser Schlafzimmer wirkte hell wie noch nie. Draußen kam das Haus, zuvor von Dauergrün verhüllt, ans Licht - "wir haben neue Nachbarn ", juxte Herr Nachbar links. "Ihr habt aber gründlich Luft gemacht!", sagte Frau Nachbarin rechts. Überhaupt, es gab viele Nachbarschaftsgespräche, über Bäume , über Gärten, über Gott und die Welt - der Vorgarten-Umbau hatte viele gute Seiten.
Danach Buddeln, frisch aufgefüllte Erde glatt ziehen. Stauden pflanzen. Warten aufs neue Bäumchen. Am dritten Advent war es schließlich im Boden, eine Stewartia sinensis, gut 2,5 Meter hoch - unser Hausbaum für die kommenden Jahrzehnte, licht, schlank, zierlich, silbrig berindet. Eine Augenweide. Wir hätten sie uns schon früher gönnen sollen.
Zum Thema:
Auf einen Blick"Kleine Bäume für kleine Gärten": Unter diesem Titel hat das Umweltamt der Stadt Bielefeld reizvolle, nicht alltägliche Hausbäume aufgelistet. Die informative Broschüre steht unter www.bielefeld.de/ftp/dokumente/KleineBaeume_Internet.pdf im Internet. dd