Neu-Bürgermeister zu Besuch

Saarlouis. Könnten die Voraussetzungen unterschiedlicher sein? Hier der erfahrene Verwaltungsmann, da der Friseur. Hier der Christdemokrat, da der Grüne, der aber als Einzelbewerber kandidiert hat. Womöglich haben sie nur das eine gemeinsam, den Dienstantritt als Bürgermeister am 1. August - lautete die Mutmaßung in der SZ-Redaktion

 Der Ensdorfer

Der Ensdorfer

Saarlouis. Könnten die Voraussetzungen unterschiedlicher sein? Hier der erfahrene Verwaltungsmann, da der Friseur. Hier der Christdemokrat, da der Grüne, der aber als Einzelbewerber kandidiert hat. Womöglich haben sie nur das eine gemeinsam, den Dienstantritt als Bürgermeister am 1. August - lautete die Mutmaßung in der SZ-Redaktion. Also bat sie die beiden zum Gespräch: Hartwin Faust, CDU, der im Ensdorfer Rathaus den Chefsessel einnehmen wird, und Peter Lehnert, ab kommendem Monat Bürgermeister in Nalbach.Der eine, Faust, als Hauptamtsleiter in Ensdorf, Verwaltungsmensch, der andere, Lehnert, bisher in seinem Nalbach Friseursalon Unternehmer. Wie wichtig ist Erfahrung im öffentlichen Dienst, und wie wichtig auf der anderen Seite unternehmerische Herangehensweise? "Die Erfahrung ist sehr wichtig, meine ich", sagt Faust. "Doch unternehmerisches Denken ist auch in der Verwaltung auf dem Vormarsch. Nehmen Sie zum Beispiel die Gesellschaften."

Lehnert räumt ein, dass er besagte Erfahrung nicht mitbringt, "da werde ich mich auch auf meine Leute verlassen müssen". Die andere Seite will er aber nicht nur betriebswirtschaftlich verstanden sehen: "Es geht um Kundenorientierung, ich denke bei Service und Dienstleistung gibt es in den Verwaltungen noch viel zu tun."

Faust stellt "jetzt aber mal die Gegenfrage: Funktioniert das denn in der so genannten freien Wirtschaft immer so, wie Sie sich das wünschen?" Nein sicher nicht, das ist Konsens. Lehnerts Ergänzung: "Aber wenn jeder zweite Euro für Verwaltung verbraucht wird, ist das erschreckend, das könnte sich kein Unternehmen leisten", widerspricht Faust denn aber auch nicht.

Kennzahlen, nach denen Gemeindeverwaltungen verglichen werden könnten, fänden beide interessant. "Ich denke, dann könnten wir den Bürgern auch besser begreiflich machen, was geht, und was nicht geht", tippt Lehnert eines seiner Lieblingsthemen Transparenz an. Ob Faust das Interesse der Bürger ebenso optimistisch einschätzt, oder ist Lehnert naiv? "Naiv würde ich nicht sagen. Und die Bürger einzubinden, finde ich ebenfalls wichtig", sagt Faust. Das solle aber "nicht inflationär" werden und sei wie etwa bei Personalfragen oder Bausachen rechtlich nicht immer möglich. Wenn Lehnert fordert, "die Bürger helfen zu lassen, die Summe der Fehler von Politik und Verwaltung zu reduzieren", widerspricht Faust nicht ausdrücklich, schmunzelt darüber aber ein wenig.

Transparenz, mehr Beteiligung der Bürger - wie sieht es denn dann aus mit der Bedeutung der Parteien, mit der Macht der Ratsfraktionen und somit der Parteizugehörigkeit des Bürgermeisters. Wieder eine Gegenfrage von Faust: "Spielt die bei über 95 Prozent einstimmigen Ratsbeschlüssen so eine große Rolle?" Parteien-Ideologie sollte im Rat keinen Platz haben, sagt er. 95 Prozent Einstimmigkeit behagt Lehnert nicht, wo bleibe da die Diskussion, wo die Opposition. Wenn Faust beklagt, dass es gelegentlich zu "Prinzipopposition" kommt, sieht Lehnert darin nicht das Hauptproblem. Er wünscht sich einmal mehr für die Bürger nachvollziehbare Unterschiede.

Was meint CDU-Mann Faust, wird es schwer für Lehnert ohne eine so genannte Hausmacht im Rat? "Zum einen habe ich so etwas ja auch nicht, die CDU hat nicht die Mehrheit im Ensdorfer Rat", sagt Faust. "Also gilt für uns beide im Grunde dasselbe: Ein Bürgermeister muss sachlich überzeugen, um Mehrheiten zu gewinnen." "Mehrheit" ist das Stichwort für Lehnert. "Meine Angst ist nicht so groß, die Wahl ist ein Zeichen, und bei der habe ich eine Mehrheit überzeugen können."

Nicht einer Angst, aber doch der größten Sorge gilt die vorletzte Frage. Was möchte beide auf keinen Fall erleben zu Beginn der Amtszeit? "Einen Einbruch der Gewerbesteuer", sagt Faust, weil es dann "sehr schwierig" werde. Lehnert nickt, formuliert es aber als einer, der "erst Kassensturz machen" muss, anders: "Ich hoffe, dass ich bei der Haushaltslage keine unangenehmen Überraschungen erlebe."

Womit die Gäste der Redaktion es fast geschafft haben und quasi zur Belohnung sich für den Beginn der Bürgermeister-Amtszeit etwas wünschen dürfen. "Die Menschen erreichen, die Angestellten erreichen", sagt Lehnert, "ich suche das Schöne." Und Faust wünscht, dass der Vorsatz gelingt: "Mit dem Gemeinderat sachlich auf einer Augenhöhe und als ein Bürgermeister für die Bürger arbeiten." "Bitte kein Einbruch der Gewerbesteuer, denn dann wird es sehr schwierig."

Hartwin Faust

"Hoffentlich gibt es keine unangenehme Überraschung bei

der Haushaltslage."

Peter Lehnert

Zur Person

Hartwin Faust, der Christdemokrat, hatte sich bei der Ensdorfer Bürgermeisterwahl am 22. Januar gegen Udo Luxenburger, SPD, durchgesetzt und mit 2069 Stimmen zu 975 gewonnen. Mit den knapp 68 Prozent hat Faust die Wahlergebnisse seines Amtsvorgängers Thomas Hartz, CDU, sogar übertroffen. 1996 hatte Hartz fast 55 Prozent, 2003 rund 62 Prozent erreicht.

Diplom-Verwaltungswirt Faust arbeitete acht Jahre in der Steuerverwaltung beim Finanzamt Saarlouis, danach 30 Jahre in der Kommunalverwaltung, 20 davon als Hauptamtsleiter in Ensdorf mit etwa 6700 Einwohnern. sop

Zur Person

Peter Lehnert ist Sprecher des Landesverbandes der Bergbaubetroffenen im Saarland und hat einen nach Öko-Standard zertifizierten Friseurladen in Nalbach. Lehnert ist Mitglied der Grünen, aber zur Bürgermeisterwahl in der 9700-Seelen-Gemeinde als Einzelbewerber angetreten.

 Der Nalbacher Fotos: H. Theobald

Der Nalbacher Fotos: H. Theobald

 Der Ensdorfer

Der Ensdorfer

 Der Nalbacher Fotos: H. Theobald

Der Nalbacher Fotos: H. Theobald

Die Stichwahl gegen Hans Conrad (SPD) gewann er am 24. Juni mit 65 Stimmen Vorsprung, mit 50,71 zu 49,29 Prozent. Im ersten Wahlgang hatte Lehnert 37 Prozent, Conrad 43 Prozent. CDU-Kandidatin Astrid Hub war mit 20,2 Prozent ausgeschieden. Lehnert folgt Patrik Lauer (SPD) ins Amt, der im März seinen Posten als Landrat antrat. sop

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