Fachgeschäfte „Mit Hut erst ist man komplett gekleidet“

Saarlouis · Ein Farbtupfer im Saarlouiser Stadtbild zieht um. Das „Haus der Hüte“ ist eine kleine Institution.

 Beate Dincher setzt gern mal den Edel-Hut für Männer, den Borsalino, auf.

Beate Dincher setzt gern mal den Edel-Hut für Männer, den Borsalino, auf.

Foto: Thomas Seeber

Der Klassiker, aber live und echt:. Das ältere Ehepaar kommt in das Hutgeschäft. Sie: Mein Mann hätte gern einen Hut. Er, der hinter ihr das Geschäft betreten hat: Stimmt nicht. Meine Frau will mir einen verpassen. Zehn Minuten später hat Beate Dincher, 64, dem Manne einen Hut aufgesetzt und verkauft. Vorher hat sie ihm exakt erklärt, welches Material welche Partie am Kopf schützt. Die beiden verlassen das Geschäft. Beate Dincher sagt: „Überall heißt es, es trage doch niemand mehr Hüte. Aber ich verkaufe sie. Erst mit Hut ist man wirklich komplett gekleidet.“

Ihr „Haus der Hüte“ nahe dem Saarlouiser Großen Markt kennen viele. Doch die Hüte werden umziehen: Nur ein paar Häuser auf der Zeughausstraße weiter.

Bereits seit 28 Jahren ist das „Haus der Hüte“ in einer sehr schlichten Behausung untergebracht, die eine Baulücke nutzt. Alter Bestand ist  dort nur noch ein Gewölbekeller. In dieser Baulücke soll nun ein Wohn- und Geschäftshaus entstehen. Es wird ein Erdgeschoss mit Gewerbeeinheit haben, darüber zwei Vollgeschosse, ein Dach und ein Maisonette-Geschoss. Der Neubau, der auch im Bauausschuss des Saarlouiser Stadtrates vorgestellt wurde, orientiert sich an den höheren Gebäuden der Umgebung.

Das Hüte-Haus wird dazu abgerissen. Zum 31. August wurde Dincher und ihrer Mutter, die Geschäftsführerin ist, gekündigt. Die Hut-Händler zeigen Verständnis dafür, dass die Baulücke mehr als bisher genutzt werden soll.

Das Hutfachgeschäft darf getrost als Kulturgut betrachtet werden. Weil es so selten geworden ist. Dincher führt keine Statistik, ist sich aber sicher: Inzwischen ist das Saarlouiser Huthaus das letzte im Saarland. Und einen Borsalino könne man im ganzen Bundesland sonst nicht und in Rheinland-Pfalz kaum noch irgendwo kaufen.

Der Borsalino ist auch so ein Klassiker: der elegante Filzhut aus Italien. Beate Dincher setzt ihn sich selbst gern auf. Und er steht ihr.

Das Geschäft für Damen- und Herrenhüte ist 2015 vom Selbstverwalteten Betriebshof Saarlouis zum „Saarlouiser Kultuererbe“ erklärt worden. Gemeint sind damit liebevoll ausgewählte Farbtupfer aus dem Saarlouiser Leben (wie das Hüpfmännchen bei Schuhmacher Münzmay).

Um das Jahr 1990 war Dinchers Mutter, Rita Schmitt, von dem Saarlouiser Textilhaus Hesse nach dessen Schließung zu einem Huthaus in der Bibelstraße gewechselt. Das zog dann an den Standort Zeughausstraße. Hier übernahm Schmitt später die Geschäftsführung. Sie wäre damals ja gern in die Französische Straße gezogen, sagte sie bei der Ehrung „Saarlouiser Kulturerbe“ 2015. „Aber die Mieten konnte ja keiner bezahlen.“

Schmitt und heute vor allem Dincher fahren selbst zu den Hutmessen nach Düsseldorf, nach Weinheim, auch nach Mailand. „Ich bestelle dort, was ich will und für richtig halte.“ Dincher ist gelernte Einzelhandelskauffrau, die geborene Verkäuferin: „Wenn ich Hüte verkaufen kann, kann ich alles verkaufen. Ich erkenne Qualität.“

 Wird abgerissen, Geschäft zieht um: das „Haus der Hüte“ in der Zeughausstraße in Saarlouis nahe dem Großen Markt.

Wird abgerissen, Geschäft zieht um: das „Haus der Hüte“ in der Zeughausstraße in Saarlouis nahe dem Großen Markt.

Foto: Thomas Seeber

Passen Sie auf, dass der Hut nicht an die Brille stößt, rät sie einem Kunden, der nach dem Ehepaar den Laden betreten hat. Er hat sich offenkundig in einen Hut verliebt. Am Ende sieht er das mit der Brille ein und kauft den Hut doch nicht. Dincher bewahrt ihr Selbstbewusstsein auch ihren Kunden gegenüber. Nun hofft sie, dass es klappt mit dem Umzug ein paar Häuser weiter, dass sich die Lage als geeignet erweist für dieses Saarlouiser Kulturgut.

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