Schule „Meine erste Planstelle hatte ich mit 38“

Saarlouis · Menschen mögen, Strukturen verändern: So kann Schule leben. Bernd Schmitz hat es vorgemacht. Jetzt geht der Leiter der Martin-Luther-King-Schule in den Ruhestand.

 Immer unter Leuten: Schulleiter Bernd Schmitz mit Familie (von links), Victoria Schmitz, Verena Mathis, Enkelin Greta Mathis und Ehefrau Renate Schmitz.

Immer unter Leuten: Schulleiter Bernd Schmitz mit Familie (von links), Victoria Schmitz, Verena Mathis, Enkelin Greta Mathis und Ehefrau Renate Schmitz.

Foto: Thomas Seeber

Bernd Schmitz wollte eigentlich aufs Amt. Er hatte gute Aussichten. Aber auf dem Weg zum Bewerbungsgespräch verwechselte er die Gebäude, die Bewerbung war gelaufen. Am 31. Juli dieses Jahres endet nun der Berufsweg von Bernd Schmitz, Leiter der Martin-Luther-King-Gemeinschaftsschule in Saarlouis-Fraulautern. Aus dem Irrtum war ein Lehramtsstudium für Grund- und Hauptschulen geworden. Schmitz gehört heute hinter den Kulissen zu den einflussreichen Schulleuten im Saarland.

Zum Beispiel bei der Entwicklung der Gemeinschaftsschule im Saarland. Schmitz war es, der als stellvertretender Vorsitzender des Saarländischen Lehrerinnen- und Lehrerverbandes (SLLV) einen Antrag schrieb, mit dem sich der SLLV das Modell zueigen machte. „Etwas später wurde die Gemeinschaftsschule Teil des Koalitionsvertrages von Jamaika.“ Und Schmitz gehörte zu einer Arbeitsgruppe, die die Einführung des Modells vorbereitete.

Die Krönung der Gemeinschaftsschule (GemS) erlebt Bernd Schmitz gerade noch vor seiner Pensionierung. Denn jetzt, im Juni, läuft die Anmeldefrist für drei Oberstufenverbünde in Dillingen, Saarlouis und Lebach; die letzten beiden sind neu. Damit kann jede Schülerin und jeder Schüler einer Gemeinschaftsschule im Kreis Saarlouis auch das Abi machen, ohne seine Schule zu wechseln, höchstens den Standort. „Selbst wenn ich noch zwei Jahre dran hänge“, bedauert der 63-Jährige, „würde meine Dienstzeit nicht reichen, um die ersten Abiturzeugnisse zu unterschreiben.“ Aber mit den Oberstufenverbünden hat das Saarland jetzt das Zwei-Säulen-Modell komplett umgesetzt: Abi in acht (Gymnasium) oder neun (GemS) Jahren.

Schmitz wusste, wofür er sich in Sachen GemS einsetzte. Denn seine MLK hatte seit 2007 am Projekt Reformklasse teilgenommen. Es sollte Schüler ab Klasse sieben auf ihrem Weg zum Hauptschulabschluss fördern. 2011/12 testete die MLK als eine von zwei Schulen im Saarland das Programm unter dem Titel Reformklasse plus auch für alle Klassen fünf und sechs.

Der Unterricht sollte die individuellen Voraussetzungen der Schüler berücksichtigen, auf verschiedenen Niveaus stattfinden. Schmitz: „Dazu waren immer zwei Lehrer in der Klasse. Wir hatten ungeheuer große Ressourcen. Denn die Bundesagentur für Arbeit finanzierte einen großen Teil. Voraussetzung: Die Reformklassen mussten klar berufsorientiert sein.“

Für die Lehrerinnen und Lehrer sei der Umstieg auf Teams, die regelmäßig konferierten, nicht immer einfach gewesen. Im Effekt aber habe praktisch niemand ohne Hauptschulzeugnis die Schule verlassen.

Schule durchlässig machen, Teamarbeit der Lehrer, als Gegenüber nicht die Klasse, sondern die einzelnen Jungen und Mädchen sehen; Individualisierung, wo sie möglich ist, um ihnen gerecht zu werden. Um sie bestmöglich auf das Leben vorzubereiten und niemanden fallen lassen: Das wurde erprobt, und das nahm Schmitz in den Schulalltag nach Projektende.Das war der gedankliche Weg auch zur Gemeinschaftsschule. Oder zur Pilotschule Inklusion. Und vieles davon, sagt Schmitz, konnte die MLK auch in die Ganztagsschule retten, die jetzt gerade aufgebaut wird.

Schmitz hat beide Seiten beherrscht und wusste eben auch, dass beide Seiten nötig sind: Der verständnisvolle Umgang mit den kleinen und den großen Menschen hier, die Veränderung von schulischen Strukturen dort.

Zu einem guten Lehrer, sagt er, „gehört sicher, dass man Menschen gern hat und mit ihnen umgehen kann. Das liegt vielleicht in einem Lehrer-Gen. Der Rest ist Handwerkszeug.“ Und die andere Seite: „Man braucht als Schulleiter wohl auch so etwas wie ein Leitungsgen.“ Alle Aspekte beherrschen und in der Hand behalten. Deswegen war Schmitz lange im SLLV, er gehörte dem Hauptpersonalrat des Kultusministeriums und unzähligen anderen Gremien an. „Netzwerke schaffen“, sagt er, „um etwas als gewinnbringend an die Schule weiterzugeben.“

EIne typische Schulkarriere ist das dennoch nicht. Ich habe mit 38 Jahren meine erste Planstelle bekommen“, sagt Schmitz. Bis dahin: Zeitverträge, Aushilfe, Vertretungen an 16 Schulen. „Es war die Zeit der Lehrerschwemme. Deutsch und Erdkunde, meine Kombination, war trotz guter Noten nicht gefragt. Ich habe jeden Vertrag angenommen, den man mir angeboten hat.“ Um das Gehalt aufzubessern - er hatte schon Familie - machte er Umfragen für Marketing-Institute, gab Nachhilfe, gab bei der VHS Sprachkurse für Aussiedler.

Nach zwei Jahren auf seiner ersten Planstelle war Schmitz Konrektor an der (auslaufenden) Sekundarschule in Rehlingen. Von dort aus bewarb er sich 2000 an der heutigen MLK in Fraulautern als Konrektor. Seit 2006 ist er deren Leiter. Und freut sich. Nicht nur über die hohe Quote an Hauptschul- und Mittleren BIldungsabschlüssen. Auch darüber, dass inzwischen etwa die Hälfte der MLK-Schüler, die den Mittleren Bildungsabschluss machen, ihn so gut abgeschlossen hat, dass sie Abi machen können. Fast alle, sagt Schmitz, werden das jetzt wohl auch tun. Allein elf davon im neuen Oberstufenverbund.

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