Lettow-Vorbeck im Strudel des Wertewandels"Berufsverständnis, das Krieg als Daseinsform verherrlicht""Ich kann nur hoffen, dass er nicht als Vorbild gilt" 2spli2spre12schulkte
Saarlouis. Zahlreiche Leser haben sich zur Debatte um eine mögliche Umbenennung der Von-Lettow-Vorbeck-Straße in Saarlouis zu Wort gemeldet. In vielen wird die öffentliche Debatte, aber auch die Berichterstattung in der Saarbrücker Zeitung kritisiert
Saarlouis. Zahlreiche Leser haben sich zur Debatte um eine mögliche Umbenennung der Von-Lettow-Vorbeck-Straße in Saarlouis zu Wort gemeldet. In vielen wird die öffentliche Debatte, aber auch die Berichterstattung in der Saarbrücker Zeitung kritisiert. Es sei "der Zeitgeist, der es einem Redakteur erlaubt, einen untadeligen deutschen Offizier, der sich leider nicht mehr selbst zu wehren vermag, anzugreifen und zu diffamieren, und der dabei den historischen Hintergrund grob vernachlässigt", schreibt Walter Horn aus Steinwenden. Genau darauf hat sich die Diskussion konzentriert: Wie bewertet man die deutsche Kolonialgeschichte? War der General im Sinne seiner Zeit vorbildlich oder nicht? Und was ist dann mit dem Vorbildlichen von gestern heute? Fritz Maurer aus Saarbrücken schreibt, Deutschland habe "in den wenigen Jahrzehnten seiner Kolonialgeschichte Vorbildliches geleistet". Er kritisiert, dass das Andenken an Lettow-Vorbeck "gelöscht" werden solle. "In London hat man Leuten Denkmäler gesetzt, die im ehemaligen Weltreich mit harter, brutaler Hand die Interessen ihres Landes durchgesetzt haben. Wie erklärt es sich, dass die Menschen in den einstigen deutschen Schutzgebieten das Andenken hochgehalten haben?" Wie sich Deutschland in seinen Kolonien verhalten habe, müsse mit demselben Maßstab gemessen werden wie das Verhalten anderer europäischer Nationen, fordern einige Beiträge. Dr. Volker Heitz schickte ein Dokument aus dem Ende der 30er Jahre. Der "Reichsbund jüdischer Frontsoldaten" beruft sich da voller Stolz auf "Lettow-Vorbecks Heldenschar".Dr. Hubert Bohr, Wallerfangen: "Der General band beträchtliche britische Kräfte und entlastete auf diese Weise im Ersten Weltkrieg die Westfront. Insbesondere dafür waren ihm unsere Altvorderen dankbar." Die Gedenktafel am Geburtshaus des Generals in Saarlouis solle auf jeden Fall bleiben. Claus Speth aus Saarlouis erklärt die Ernennung Lettow-Vorbecks 1956 zum Ehrenbürger von Saarlouis damit, dass "zehn Jahre lang nur französische oder saarländische Politiker Ehrenbürger werden konnten, die die separatistische Politik vertraten." Der damalige Saarlouiser OB Hubert Schreiner "deutsch gesinnt, wollte ein Zeichen setzen." Daran erinnert sich auch Albert Ahr, Wadgassen. Damals schon im "Volksbund deutscher Kriegsgräberfürsorge" tätig, habe er sich für Lettow-Vorbeck als Ehrenbürger "mit einem Kreis früherer Soldaten" eingesetzt. "Wir sind damals vom Bürgermeister wohlwollend empfangen worden. Lettow-Vorbeck war erzogen worden zu Werten wie Kaiser, Volk und Vaterland. Er verstand das so, dass er die Aufträge ausführte, die ihm als Offizier übertragen wurden. Ich bin gegen eine Umbenennung."Der Saarbrücker Historiker Stefan Wezkalnys plädiert dafür, die Gedenktafel in Saarlouis "zu neutralisieren. Das Geburtshaus bleibt somit Zeugnis einer historischen Tatsache." Die Straßenbezeichnung dagegen sei "ein heute nicht mehr gültiger und nicht zu vertretender Ehrenbeweis." Allerdings müsse Saarlouis auch darüber nachdenken, ob es nicht "den Kult um Michel Ney", einen französischen General Napoleons, der hier geboren wurde, "zweifellos ein Kriegsverbrecher", einstellen müsse. An ihm sei nichts verehrungswürdig - "oder soll er nur Touristenmagnet sein?"Mit diesem Beitrag schließen wir unsere Debatte. Herr Dr. Michels, welches Bild von Lettow-Vorbeck haben Sie gewonnen?Michels: Lettow-Vorbeck kann als typischer Vertreter des adeligen preußischen Offiziers angesehen werden. Das bedeutet, dass er höchste Ansprüche an sich selbst und seine Umgebung in militärischer Hinsicht stellte, also für eine perfekte Beherrschung des militärischen Metiers stand und zugleich für eine Art Durchhaltementalität inklusive der Aufopferung seiner selbst. Diese Erziehung hatte auch zur Folge, dass man sich ganz auf militärische Aspekte des Berufs konzentrierte, Sinn und Zweck militärischer Gewalt hingegen nicht hinterfragte. Humanitäre, wirtschaftliche oder politische Folgen militärischen Handelns wurden folglich ausgeblendet. Die Folge dessen war unter anderem die Verwüstung Ostafrikas und der Tod von hunderttausenden von schwarzen Zivilisten als Folge von Lettow-Vorbecks Kriegführung sowie nach 1919 eine erschütternde politische Naivität, die als unpolitische Haltung des Berufsmilitärs verkauft wurde.Vorwürfe gegen Lettow-Vorbeck lauten, er sei ein Kriegsverbrecher und ein Massenmörder. Zu Recht?Michels: Ich halte diese Vorwürfe für überzogen, da sie vollkommen ahistorisch moralisch aufgeladene bzw. völkerrechtlich definierte Kategorien der Jetztzeit auf eine Person anwenden, die in einem ganz anderen historischen Kontext handelte. Zumindest damals sind Lettow-Vorbeck nicht einmal von seinen Kriegsgegnern Massenmord oder Kriegsverbrechen vorgeworfen worden. Auch die Linke in der Weimarer Republik der 20er Jahre attackierte ihn nicht wegen seiner Kolonialvergangenheit, sondern wegen seiner antirepublikanischen Umtriebe. Mit anderen Worten, was vielleicht heutzutage als Massenmord und Kriegsverbrechen angesehen werden könnte, war damals das übliche Maß an kolonialer Gewalt und Rassismus, aus dem Lettow-Vorbeck nicht besonders herausragte. Zudem kann man Lettow-Vorbeck kaum vorsätzlich verbrecherisches Handeln vorwerfen, höchstens die bereitwillige Inkaufnahme von menschlichen so genannten Kollateralschäden.Ist er ein guter Namensgeber für eine Straße?Michels: Trotz der genannten Vorbehalte bin ich der Meinung, dass Lettow-Vorbeck weder als Namensgeber für Kasernen noch für Straßen in heutiger Zeit geeignet ist. Zum Einen hat er sich durch die aktive Teilnahme am Kapp-Putsch 1920 gegen die demokratisch gewählte Reichsregierung politisch vollkommen diskreditiert. Zum Zweiten steht er für ein Berufsverständnis der preußisch-deutschen Militärs, das den Krieg an sich als Daseinsform verherrlichte ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung in Afrika und anderswo, und eine Elite, die jegliche politische Verantwortung für ihr Handeln ablehnte. Dies ist eine Haltung, die auch den Großteil der Wehrmachtselite (inklusive des im 2. Weltkrieg kurz reaktivierten Lettow-Vorbeck) bis 1945 prägte mit den bekannten Folgen für unser Land. Schließlich und endlich ist Lettow-Vorbeck als Kolonialoffizier in Erinnerung geblieben. Ich meine, dass man die Ära des deutschen wie auch des Kolonialismus anderer Nationen, selbst wenn man Lettow-Vorbeck keinen Massenmord und Kriegsverbrechen vorwerfen kann, schlichtweg in keiner Weise durch Namenspatenschaften würdigen sollte. Denn Kolonialismus basierte stets auf Rassismus und Fremdherrschaft. Dies sind Fundamente, die man wahrlich nicht zu Beginn des 21. Jahrhunderts in einem demokratischen Staatsgebilde wie der Bundesrepublik durch Namenspatenschaften indirekt noch würdigen sollte.Grundsätzlich stehe ich auf dem Standpunkt, dass eine Straßenbenennung eine Person würdigen soll, die sich um die Stadt bzw. den Staat bzw. die Demokratie bzw. für das Allgemeinwohl verdient gemacht hat. All dies kann ich bei Lettow-Vorbeck nicht erkennen (grausame Kriegsführung in Ostafrika, dadurch der Tod von hunderttausenden von Menschen; Teilnahme am Kapp-Lüttwitz-Putsch;Tätigkeit als Kolonialpropagandist für das NS-Regime; rassistisches, undemokratisches, autoritäres Weltbild). Idealerweise erfüllt ein Namenspatron eine Vorbildfunktion für die Bevölkerung. Ich kann nur hoffen, dass dies für Lettow-Vorbeck nicht gilt.1Saarlouis. "In Hannover ist am 27. Oktober beschlossen worden, die dortige Lettow-Vorbeck-Allee in Namibiastraße umzubenennen," sagt der Historiker Uwe Schulte-Varendorff aus Osnabrück. Er wertete Archive wie das Reichskolonialarchiv für ein Buch über Lettow-Vorbeck aus. Eine Straßenbenennung solle eine Person würdigen, die sich um die Stadt, den Staat, die Demokratie oder für das Allgemeinwohl verdient gemacht hat. "All dies kann ich bei Lettow-Vorbeck nicht erkennen. Ich erinnere an grausame Kriegsführung in Ostafrika, dadurch der Tod von hunderttausenden von Menschen, Teilnahme am Kapp-Putsch 1920, sein rassistisches, undemokratisches, autoritäres Weltbild. Idealerweise erfüllt ein Namenspatron eine Vorbildfunktion für die Bevölkerung. Ich kann nur hoffen, dass dies für Lettow-Vorbeck nicht gilt." weUwe Schulte-Varendorff, Kolonialheld für Kaiser und Führer. Ch. Links Verlag, 24,90 Euro. HaotSaarlouis. 2spreZu 3)In Hannover ist am 27.10.2009 beschlossen worden, die dortige Lettow-Vorbeck-Allee in Namibiastr. umzubenennen. Dies wird mit allen verbundenen Änderungen in den nächsten Monaten umgesetzt werden.Zu 4)Grundsätzlich stehe ich auf dem Standpunkt, dass eine Straßenbenennung eine Person würdigen soll, die sich um die Stadt bzw. den Staat bzw. die Demokratie bzw. für das Allgemeinwohl verdient gemacht hat. All dies kann ich bei Lettow-Vorbeck nicht erkennen (grausame Kriegsführung in Ostafrika, dadurch der Tod von hunderttausenden von Menschen; Teilnahme am Kapp-Lüttwitz-Putsch;Tätigkeit als Kolonialpropagandist für das NS-Regime; rassistisches, undemokratisches, autoritäres Weltbild). Idealerweise erfüllt ein Namenspatron eine Vorbildfunktion für die Bevölkerung. Ich kann nur hoffen, dass dies für Lettow-Vorbeck nicht gilt.Saarlouis. 2spreZu 3)In Hannover ist am 27.10.2009 beschlossen worden, die dortige Lettow-Vorbeck-Allee in Namibiastr. umzubenennen. Dies wird mit allen verbundenen Änderungen in den nächsten Monaten umgesetzt werden.Zu 4)Grundsätzlich stehe ich auf dem Standpunkt, dass eine Straßenbenennung eine Person würdigen soll, die sich um die Stadt bzw. den Staat bzw. die Demokratie bzw. für das Allgemeinwohl verdient gemacht hat. All dies kann ich bei Lettow-Vorbeck nicht erkennen (grausame Kriegsführung in Ostafrika, dadurch der Tod von hunderttausenden von Menschen; Teilnahme am Kapp-Lüttwitz-Putsch;Tätigkeit als Kolonialpropagandist für das NS-Regime; rassistisches, undemokratisches, autoritäres Weltbild). Idealerweise erfüllt ein Namenspatron eine Vorbildfunktion für die Bevölkerung. Ich kann nur hoffen, dass dies für Lettow-Vorbeck nicht gilt.Saarlouis. 2spreZu 3)In Hannover ist am 27.10.2009 beschlossen worden, die dortige Lettow-Vorbeck-Allee in Namibiastr. umzubenennen. Dies wird mit allen verbundenen Änderungen in den nächsten Monaten umgesetzt werden.Zu 4)Grundsätzlich stehe ich auf dem Standpunkt, dass eine Straßenbenennung eine Person würdigen soll, die sich um die Stadt bzw. den Staat bzw. die Demokratie bzw. für das Allgemeinwohl verdient gemacht hat. All dies kann ich bei Lettow-Vorbeck nicht erkennen (grausame Kriegsführung in Ostafrika, dadurch der Tod von hunderttausenden von Menschen; Teilnahme am Kapp-Lüttwitz-Putsch;Tätigkeit als Kolonialpropagandist für das NS-Regime; rassistisches, undemokratisches, autoritäres Weltbild). Idealerweise erfüllt ein Namenspatron eine Vorbildfunktion für die Bevölkerung. Ich kann nur hoffen, dass dies für Lettow-Vorbeck nicht gilt. "Er war erzogen worden zu Werten wie Kaiser, Volk und Vaterland."Albert Ahr, Wadgassen
StichwortEckard Michels schrieb die preisgekrönte Biografie "Der Held von Deutsch-Ostafrika". Paul von Lettow-Vorbeck - ein preußischer Kolonialoffizier (Paderborn,Schoeningh-Verlag 2008, 434 Seiten 39, 90 Euro. redZur PersonPaul Emil von Lettow-Vorbeck, preußischer General, wurde als Sohn aus pommerschem Adel 1870 in Saarlouis geboren. Er kommandierte 1913 bis 1918, also im Ersten Weltkrieg, die "Schutztruppe in Deutsch-Ostafrika". Das Kaiserreich hatte als letzte Großmacht afrikanisches Gebiet als Kolonien besetzt. Der General machte sich mit zähen, verlustreichen militärischen Operationen einen Namen. 1920 war er am rechtsgerichteten "Kapp-Putsch" gegen die junge Republik beteiligt. Seine Geburtsstadt Saarlouis ehrte ihn 1956 mit einer Straße und (bis 1994) einem Brückennamen. we